# taz.de -- Inklusives Gärtnern: Hopfen aus dem Hafen | |
> Das Bremer Urban-Gardening-Projekt „Gemüsewerft“ expandiert: Neuerdings | |
> baut es auch in Hochbeeten im Europahafen Hopfen und Zucchini an. | |
Bild: Zucchini in Hochbeeten neben Bahnschwellen: Die „Gemüsewerft“ gärtn… | |
BREMEN taz | Die „Gemüsewerft“ in Gröpelingen wird in Zukunft noch mehr | |
Gemüse und Hopfen für Bremen anbauen. Das inklusive | |
Gemeinschaftsgartenprojekt der Gesellschaft für integrative Beschäftigung | |
hat seit diesem Jahr mehr Anbaufläche zur Verfügung. | |
Das seit 2014 genutzte Gebiet des Projektes wurde um rund 2.600 | |
Quadratmeter im Europahafen erweitert. Zur Verfügung gestellt wird diese | |
Fläche von der Wirtschaftsförderung Bremen. Aktuell produziert das Projekt | |
Gemüse und Obst für die Restaurants Canova und Jon Luk sowie für das | |
Gemüsewerft-eigene Café Brand. | |
Der Hopfen wird von der Braumanufaktur Hopfenfänger zu Craftbier | |
verarbeitet und stellt damit einen lukrativen Teil der Finanzierung des | |
Projektes. Noch ist die Gemüsewerft auf Förderungen angewiesen, aber ihr | |
Ziel ist es, in den nächsten Jahren finanziell unabhängiger zu werden. | |
Durch die unkomplizierte Anmietung der neuen Anbaufläche ist die | |
Gemüsewerft diesem Ziel ein Schritt näher gekommen. Denn „mehr Fläche hei�… | |
mehr Gemüse“, sagt Michael Scheer, Gründer des Projekts. Und je mehr Gemüse | |
verkauft werden kann, desto mehr Arbeitsplätze kann das Projekt anbieten. | |
Momentan werden neben einem Gärtner neun weitere MitarbeiterInnen | |
beschäftigt, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Stelle finden | |
würden. Auf der Gemüsewerft arbeiten Menschen, die einer zur Erwerbsarbeit | |
alternativen Beschäftigungsform nachgehen, weil ihnen durch | |
Beeinträchtigungen wie psychische Erkrankungen, seelische oder geistige | |
Behinderungen eine andere Form der Arbeit erschwert wird. | |
Allerdings ist Scheer wählerisch, wenn es um neue Anbauflächen geht: „Ich | |
will nicht nach Lilienthal oder Huchting – ich will in die Stadt!“, sagt | |
er. Denn es gehe ihm nicht nur um eine integrative Beschäftigung und den | |
Anbau von Gemüse, sondern auch darum, in der Stadt das Bewusstsein für die | |
Produktion von Lebensmitteln zu erweitern. | |
Die Interaktion zwischen Kunden, Interessierten und Beschäftigen steht bei | |
der Gemüsewerft im Vordergrund. Mit Seminaren, Workshops und Tagungen | |
werden im Rahmen des deutschlandweiten Vorhabens „social farmers“ die | |
Möglichkeiten der Stadtgärten bekannter gemacht und parallel ihr inklusives | |
Potenzial vorgestellt. | |
Doch der städtische Anbau von Lebensmitteln ist, laut einer Studie der TU | |
Berlin, nicht völlig risikofrei. Die WissenschaftlerInnen fanden heraus, | |
dass die Ernte, besonders an verkehrsstarken Standorten, mit Schwermetallen | |
belastet sein kann. In 52% der untersuchten Proben, die in direkter | |
Straßennähe angebaut wurden, konnten kritische Werte nachgewiesen werden. | |
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass folglich nicht die allgemeine | |
Luftqualität innerhalb der Stadt, sondern die Belastung durch den Verkehr | |
der Hauptgrund für die hohe Schadstoffbelastung des untersuchten Gemüses | |
sei. | |
Durch Barrieren oder Abstände von mehr als zehn Metern zur nächsten Straße, | |
die Verwendung von Mulch und die Qualität der verwendeten Erde konnte eine | |
Verbesserung der Werte erreicht werden. Jedoch, so die WissenschaftlerInnen | |
der TU, müsse man hier weitere Studien durchführen, um genauere Aussagen | |
dazu zu treffen. | |
Zwar liegen die Flächen der Gemüsewerft nicht an Hauptverkehrsstraßen, aber | |
laut dem Jahresbericht der Luftmessung in Bremen aus 2014 weist das | |
Hafengebiet teilweise erhöhte Schwefeldioxidwerte auf. Allerdings ist es | |
schwierig, verlässliche Messwerte für die Flächen der Gemüsewerft zu | |
finden. | |
Laut Scheer spielt die Luftverschmutzung eine zweitrangige Rolle. | |
Relevanter sei hier die Verschmutzung des Bodens in den alten | |
Hafengebieten. „Wir stehen quasi auf Rohöl“, sagt Scheer, „deshalb bauen | |
wir ausschließlich in Hochbeeten mit zertifizierter Bioerde an.“ Allerdings | |
wird die Problematik bei der zukünftigen Produktion von Pilzen an Bedeutung | |
gewinnen, denn diese nehmen Schadstoffe mehr auf als andere Gemüsesorten. | |
Deswegen sollen diese Kulturen einmal im Jahr auf die Schadstoffbelastung | |
untersucht werden. | |
Das Projekt „Gemüsewerft“ hat noch mehr vor: Neben neuen Kooperationen mit | |
der Gastronomie, einem Hofverkauf auf den neuen Flächen im Europahafen und | |
einem erweiterten kulturellen Angebot sollen auch die Transporte der | |
Lebensmittel nachhaltiger gestaltet werden. Auf den Einsatz von | |
Dieselmotoren wird bereits jetzt verzichtet. Optimal, sagt Scheer, wäre der | |
ausschließliche Warentransport per Fahrrad, „aber bei den Mengen ist das | |
wahrscheinlich nicht umsetzbar“. | |
17 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Pia Siber | |
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