# taz.de -- Kommentar Krise der Grünen: Die Mitte bleibt unerreichbar | |
> Für die Grünen geht es seit Monaten bergab. Egal wie liberal sie sich | |
> geben. Ein letzter Versuch, wieder erkennbar zu werden, kommt wohl zu | |
> spät. | |
Bild: Die SpitzenkandidatInnen der Grünen in NRW senden Notsignale | |
Es gebe keinen Grund zur Beunruhigung, erklärte Kapitän Edward J. Smith | |
selbstgewiss, nachdem sein Schiff, die „Titanic“, mit einem Eisberg | |
kollidiert war. So ähnlich klingen derzeit manchmal die Parolen auf der | |
Kommandobrücke der Grünen: keine Panik. Alles wird wieder gut. | |
Auch den Grünen ist etwas gänzlich Unerwartetes zugestoßen. In Umfragen | |
geht es seit Monaten bergab. Zu dessen Erklärung verweist das Führungsduo | |
Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt ratlos auf missliche Umstände. | |
Ökologie hat gerade keine Konjunktur. Und dann lotste Martin Schulz auch | |
noch rot-grüne Wechselwähler zur SPD. Schulz steht zudem – anders als | |
Gabriel, der auch mal die nationale Karte zückte – für einen klaren | |
Pro-Europa-Kurs. Deshalb können sich die Grünen nicht als einzige Partei | |
inszenieren, die standhaft allen Anti-EU-Stimmungen widersteht. Auch der | |
Luftzug von „Pulse of Europe“ bläst nicht in ihre Segel. | |
Ist also Ruhe bewahren und auf besseres Wetter hoffen die Lösung? Nicht | |
ganz. Der Schulz-Hype hat sich wieder gelegt, doch auch das kommt den | |
Grünen nicht zugute. Die Krise ist eben auch hausgemacht. Und das hat mit | |
dem Spitzenduo zu tun. Die Wahl von Özdemir und Göring-Eckardt stand für | |
das Streben der Grünen in die Mitte, den mythischen Ort bundesdeutscher | |
Politik. Das klang erfolgversprechend. | |
Doch die bescheidenen Umfragen zeigen: Die Ökopartei kann sich noch so | |
wirtschaftsfreundlich und liberal geben, sie kann dem Image Verbotspartei | |
noch so energisch widersprechen, das Grün kann noch so ausgewaschen wirken | |
– die Mitte bleibt unerreichbar. Und liberal-konservative Medien werden | |
immer etwas finden, das nach Ökodiktatur und Zumutung schmeckt. | |
Kurzum: Anpassung ist als Botschaft einfach zu wenig. Sie enttäuscht die | |
Kernklientel und kommt auch in den urbanen, liberalen Milieus nicht gut an. | |
Die Aussicht, solide und geräuschlos an der Seite von Merkel oder Merkel | |
und Lindner zu regieren, wirkt wenig mobilisierend. Gibt es den linken | |
Grünen-Flügel eigentlich noch? | |
In Nordrhein-Westfalen senden die Grünen inzwischen angesichts des | |
drohenden Untergangs am 14. Mai Notsignale: Keine Regierung mit CDU und | |
FDP, Ökologie nur mit uns. Es ist der Versuch, im letzten Moment erkennbar | |
zu werden. Vielleicht etwas spät. | |
4 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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