# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Deutschland: Boris Palmer provoziert Grüne | |
> Tübingens Oberbürgermeister wirbt vor dem Parteitag dafür, die | |
> EU-Außengrenzen zu sichern. Parteifreunde werfen ihm „Angstmache“ vor. | |
Bild: Boris Palmer wirbt für einen neuen Sound in der Flüchtlingspolitik. | |
BERLIN taz | Eigentlich haben die Grünen [1][gerade genug Probleme]. Die | |
Partei ist in den Umfragen abgesackt, das vom Spitzenteam Katrin | |
Göring-Eckardt und Cem Özdemir ausgegebene Ziel „deutlich zweistellig“ f�… | |
die Bundestagswahl liegt in weiter Ferne. Mit einem Fokus auf Ökologie und | |
maximaler Geschlossenheit will die Ökopartei der Misere entkommen. | |
Doch nun droht Streit in der Flüchtlingspolitik. Boris Palmer, überzeugter | |
Realo und Oberbürgermeister in Tübingen, fordert einen neuen, härteren | |
Sound seiner Partei. „Europa muss in der Lage sein, die Außengrenzen | |
eigenständig zu sichern“, fordert der medienerfahrene Grüne in einem Antrag | |
für den Bundesparteitag Mitte Juni in Berlin. Auf diesem will die Ökopartei | |
endgültig ihr Programm für die Bundestagswahl festzurren. | |
Angesichts von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit, der Lage in Syrien und | |
einer stark wachsenden Migrationsbewegung aus Afrika „sind offene Grenzen | |
keine Option“, heißt es in dem Antrag weiter. Palmer und diverse | |
Mitunterzeichner aus Kreisverbänden schreiben: „Wir können nicht allen | |
Menschen, die aus guten Gründen nach Europa kommen wollen, helfen.“ | |
Würden diese Passagen beschlossen, verschärften sie den Tonfall des Antrags | |
des Grünen-Vorstands deutlich. An jener Stelle heißt es darin lediglich: | |
„Statt die Grenzen dicht zu machen, setzen wir auf sichere Zugangswege nach | |
Europa, etwa durch ein großzügiges EU-Kontingent bei der Aufnahme von | |
syrischen Flüchtlingen aus der Türkei.“ | |
## „Weihnachtsbaum im Sommer“ | |
Palmers Plädoyer für Grenzsicherung wurde von mehreren Grünen am Donnerstag | |
scharf kritisiert. „Aufgabe des Parteitags ist es meines Erachtens, unser | |
Profil als Bürgerrechtspartei und Partei des Rechtsstaatsliberalismus zu | |
schärfen, statt wie ein Weihnachtsbaum im Sommer in alle Richtungen zu | |
blinken“, sagte Volker Beck, Migrationsexperte der Bundestagsfraktion. | |
„Palmers denunziatorischer Duktus gegenüber einer menschenrechtlich | |
orientierten Flüchtlingspolitik ist unsäglich.“ | |
Erik Marquardt, Mitglied im Grünen-Parteirat, hat bereits einen Gegenantrag | |
formuliert. „Boris Palmer konstruiert eine falsche Realität“, sagte | |
Marquardt. Die EU habe sich durch das Abkommen mit der Türkei und die | |
Schließung der Balkanroute längst abgeschottet. Geflüchtete würden an der | |
Grenze Bulgariens verprügelt, ausgeraubt, teilweise beschossen. „Palmer | |
suggeriert, Millionen von Menschen könnten einfach so in die EU spazieren“, | |
sagte Marquardt. „Er betreibt Angstmache.“ | |
Dass der Vorstoß von Palmer auf dem Parteitag beschlossen wird, halten | |
erfahrene Parteistrategen für unwahrscheinlich. Bisher hat ihn kein anderer | |
prominenter Grüner unterschrieben. Bei den Grünen ist zudem immer wieder | |
das Phänomen zu beobachten, dass einzelne scharfe Kurskorrekturen vor | |
Parteitagen fordern, um in die Presse zu kommen – ihre chancenlosen Anträge | |
dann aber nicht zur Abstimmung stellen. Palmers Interesse könnte also auch | |
reine PR sein. | |
Allerdings trifft sein Anliegen einen wunden Punkt. Die Grünen neigen in | |
der Flüchtlingspolitik zu einer Rhetorik, die ihre tatsächliche Haltung | |
weichzeichnet. Sie sind zum Beispiel mitnichten für offene Grenzen, drücken | |
sich aber gerne davor, die Notwendigkeit von Grenzschutz zu thematisieren. | |
Ebenso vermeiden grüne Spitzenleute das Wort „Abschiebung“, obwohl | |
grün-mitregierte Länder Geflüchtete ohne Bleiberecht selbstverständlich in | |
ihre Heimat zurückschicken. Im Jahr 2015 haben die Grünen Kanzlerin Merkel | |
lange über den Klee gelobt, obwohl diese früh für eine bessere | |
Grenzsicherung in der EU kämpfte. | |
4 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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