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# taz.de -- Fund in Hamburger Uni-Klinik: Herero-Schädel im Medizinmuseum
> Im Uniklinikum Eppendorf wurden sterbliche Überreste aus der Kolonialzeit
> gefunden. Nun sollen sie in die Herkunftsländer zurückgebracht werden.
Bild: Aus dem Gruselkabinett der deutschen Kolonialgeschichte: Deutsche Soldate…
Hamburg taz | In einer Sammlung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
(UKE) befinden sich 75 Schädel und einige Schädelfragmente aus der
Kolonialzeit – darunter auch ein Herero-Schädel. Das hat eine Untersuchung
des UKE-Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin ergeben. Oberste
Priorität habe nun die Rückführung der identifizierten sterblichen
Überreste, sagt Uwe Koch-Gromus.
Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität und Vorstandsmitglied
des UKE findet, die sterblichen Überreste seien „weder in einer
wissenschaftlichen Sammlung noch in einem Museum korrekt aufgehoben“. Auch
Abbildungen der Objekte veröffentlicht das Klinikum nicht. Damit soll einer
Anknüpfung an die koloniale Entwürdigung dieser „Human Remains“
entgegengewirkt werden. Diese sei gerade durch die Zurschaustellung in der
Vergangenheit geschehen, erklärt Philipp Osten, kommissarischer Leiter des
UKE-Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin.
Verglichen mit anderen Sammlungen sterblicher Überreste handele es sich
hier „eher um eine kleinere“, sagt Jürgen Zimmerer, Professor für die
Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg. Die Herkunft der Funde wurde
aus einem in einer anderen Sammlung wiederentdeckten Inventarbuch
hergeleitet. Unter den Schädeln stammen 22 aus Ländern in Süd- und
Mittelamerika, 13 aus Europa, neun aus dem Gebiet der ehemaligen deutschen
Kolonie in Papua-Neuguinea und acht aus Afrika – darunter einer vom Volk
der Herero.
Zimmerer vermutet, dass dieser Schädel aus einem deutschen
Konzentrationslager in Namibia in der Kaiserzeit stammt. Er schätzt, dass
europäische Mediziner „Hunderte, wenn nicht Tausende von Leichenteilen“ aus
solchen Lagern als Forschungsobjekte nach Europa transportieren ließen. Auf
diese Enthumanisierung der menschlichen Überreste müsse nun eine
Rehumanisierung folgen, betont Zimmerer. Deshalb solle der Kontakt zu
Nachkommen der Kolonialopfer gesucht und die Objekte sollten zurückgebracht
werden.
## Mit der Veröffentlichung will das UKE eine Debatte anstoßen
Der Herero-Aktivist Israel Kaunatjike begrüßt diesen Ansatz. Allerdings sei
die Veröffentlichung solcher Funde nur ein kleiner Schritt hin zur
Anerkennung der Massaker an den Herero durch die deutsche Kolonialmacht,
findet Kaunatjike. „Das sind immerhin Beweise, dass der Völkermord
tatsächlich stattgefunden hat“, sagt er. Insgesamt seien bereits über 20
Schädel von Hereros in die Herkunftsländer überführt worden.
Mit der Veröffentlichung des Fundes wolle das UKE eine Debatte über
historische Lehr- und Forschungssammlungen anstoßen, die menschliche
Präparate enthielten, sagt Institutsleiter Osten. Damit wolle es sich von
der traditionellen anthropologischen Forschung abgrenzen. Deren erklärtes
Ziel sei es gewesen, „auf der Basis von Rassenanthropologie
Minderwertigkeit zu konstruieren“, fügt er hinzu.
Medizin-Dekan Koch-Gromus wünscht sich, dass das Vorgehen des UKE als gutes
Beispiel dient: „Damit andere Institutionen in Hamburg nachziehen.“ Er
wolle jedoch keine Spekulationen darüber anstellen, wo in Hamburg es
weitere Funde geben könnte.
Koch-Gromus gab die Prüfung der UKE-Sammlungen auf sterbliche Überreste aus
der Kolonialzeit vor dem Hintergrund aktueller Debatten um solche Objekte
im vergangenen Jahr in Auftrag. „Ich staune immer, was man im UKE noch so
alles findet“, sagt er. So richtig überraschend sei der Fund dann aber doch
nicht. Schließlich sei Hamburg neben Berlin eine der stärksten
Kolonialmetropolen gewesen.
Am Dienstag, d. 25. April findet im Bremer Kulturzentrum Lagerhaus ein
taz.salon zum Thema „Wie umgehen mit der Kolonialgeschichte?“ statt,
Eintritt frei
20 Apr 2017
## AUTOREN
Lena Eckert
## TAGS
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