# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Koloniale Vermächtnisse im Fok… | |
> Auftakt zum einjährigen Forschungs- und Ausstellungsprogramm „Untie to | |
> Tie“ in der ifa-Galerie Berlin. Die taz sprach mit der Leiterin Alya | |
> Sebti. | |
Bild: Ab Donnerstag in der ifa-Galerie: Pascale Marthine Tayou: Douces Épines … | |
Pascale Marthine Tayou hat Sand in der [1][ifa-Galerie] verteilt. Man muss | |
darüber gehen, um sich die Arbeiten des Kameruner Künstlers aus der Nähe zu | |
betrachten. Fast ist es ein bisschen wie in Kolmanskop, der Geisterstadt in | |
der Namib-Wüste, in der der Sand verödete Herrenhäuser inzwischen halb | |
verschluckt. | |
Kolmanskop war einst deutsche Kolonie, reich geworden durch den | |
Diamantenboom, dann verlassen. Für Tayou ist Kolmanskop ein Bild für | |
verborgene koloniale Strukturen und deren unbewusste oder noch unerforschte | |
Einflüsse auf Kultur und Alltag. Die aufzudecken und umzuwerten ist Tayous | |
künstlerischer Ansatz. | |
Eine ganze Wand hat er mit hölzernen Dornen bestückt, die Spitzen jedoch | |
fröhlich bunt angemalt, Stacheldraht hat er zur harmlosen Wolke geformt, | |
stereotype „afrikanische“ Masken von einer toskanischen Manufaktur aus Glas | |
nachbilden lassen und mit Fundstücken aus aller Welt behängt. | |
Allein schon für Tayous Einzelausstellung, die am Donnerstag eröffnet wird, | |
lohnt sich der Besuch der ifa-Galerie, aber nicht nur: Sie ist nur ein Teil | |
des ersten Kapitels eines einjährigen Forschungs- und Austellungsprojekts, | |
mit dem Leiterin Alya Sebti der ifa-Galerie eine neue Struktur gibt. | |
Das Programm ist ambitioniert, „Untie to Tie“ will koloniale Vermächtnisse | |
heutiger Gesellschaften aufarbeiten, mit Ausstellungen, Gesprächen, | |
Performances und im öffentlichen Dialog. Letzterer wird gefüttert von einer | |
Lesestation, kuratiert von den Chefredakteurinnen des Onlinemagazins | |
Contemporary And, einer Hörstation von Saout Radio und einer digitalen | |
Plattform. Alles baut aufeinander auf und ergänzt sich, wie bei Édouard | |
Glissant, dessen Ideen das erste Kapitel gewidmet ist. | |
Einblick (666): Alya Sebti, Kuratorin und Leiterin der ifa-Galerie | |
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? | |
Und warum? | |
Alya Sebti: Die Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner | |
Geschichte und Gegenwart“ im DHM. Für eine Institution wie das DHM war es | |
sehr wichtig, bei diesem Thema einen starken Bezug zu aktuellen Realitäten | |
aufzuzeigen. Besonders gut gefallen haben mir eine Arbeit von Satch Hoyt | |
und eine Recherche von Natasha A. Kelly über alltägliche Wörter mit | |
kolonialem Einfluss. | |
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen? | |
Das HAU mit seinem herausragenden Programm, das Grenzen durchbricht und die | |
Reflexion darüber vorantreibt, inwiefern der Körper ein politischer Raum | |
für das Erzählen von Geschichten und das Teilen von Erinnerungen sein kann. | |
Am 21. April wird der marokkanische Künstler Taoufik Izzediou dort „En | |
Alerte“ präsentieren. | |
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich durch | |
den Alltag? | |
Gerade lese ich „Habiter la Frontière“ von Leonora Miano. Diese | |
fantastische Schriftstellerin wird am 29. Juni in der Begegnungsreihe | |
„Égalité – Liberté – Fraternité“ in der ifa-Galerie Berlin auf Dr. … | |
Messling, den stellvertretenden Direktor des Centre Marc Bloch, treffen. | |
Was ist dein nächstes Projekt? | |
Am 30. März launcht die ifa-Galerie Berlin ihr einjähriges Recherche- und | |
Ausstellungsprogramm „Untie to Tie – On Colonial Legacies and Contemporary | |
Societies“ mit der Ausstellungseröffnung „Kolmanskop Dream“ von Pascale | |
Marthine Tayou. Bis März 2018 werden wir die kolonialen | |
Hinterlassenschaften zeitgenössischer Gesellschaften erforschen. Dafür | |
entwickeln wir eine neue Struktur mit drei Säulen: „Kunst im Dialog“, ein | |
öffentliches Programm mit Bezug auf die Ausstellung; dem „Treffpunkt“ mit | |
einer Lese- und Hörstation und der digitalen Plattform: | |
[2][untietotie.org]. | |
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten | |
Freude? | |
Meine Teetasse von der Salzburg-Sommerakademie, bei der ich im vergangenen | |
Sommer unterrichtet habe. | |
Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und | |
Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
29 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ifa.de/kunst/ifa-galerien.html | |
[2] http://untietotie.org/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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