# taz.de -- Streit über Birkenstock-Werbefoto: Kind darf nicht Kunst sein | |
> Birkenstock-Chef verklagt die Künstlerin Ida Ekblad und Hamburgs | |
> Kunsthaus wegen Verwendung eines Werbefotos, das seine kleine Tochter | |
> zeigt | |
Bild: Ersetzt: Seit dem 17.3. hängen im Kunsthaus echte Ida-Ekblad-Kinderbilder | |
Ein lachendes kleines Mädchen, blondgelockt, überlebensgroß, hängt 15, 20 | |
Mal als Poster im Hamburger Kunsthaus. Quer drüber der Schriftzug „Ida | |
Ekblad“. Doch das Kind ist ein anderes, den Kinderbildern der Künstlerin | |
Ekblad zum Verwechseln ähnlich. Genau so war es gedacht: als Verfremdung, | |
als Hinweis auf die Unschärfe von Erinnerung. | |
Auf die Idee, den Namen des Kindes zu recherchieren und dessen Eltern um | |
Erlaubnis zu bitten, kam sie aber nicht. Das fällt ihr und dem Kunsthaus | |
jetzt auf die Füße. Der Vater des Kindes, Birkenstock-Geschäftsführer | |
Oliver Reichert, hat Künstlerin und Kunsthaus wegen Verletzung der | |
Persönlichkeitsrechte seiner Tochter verklagt und die Abhängung der Bilder | |
erzwungen. | |
Letzteres wohl recht handstreichartig: Am 11. 3., einem Freitagnachmittag, | |
sei die Unterlassungsaufforderung gekommen, sagt Kunsthaus-Chefin Katja | |
Schröder. Sie unterschrieb nicht, löschte aber freiwillig die betreffenden | |
Fotos von der Webseite. Außerdem bekundete sie per Anwalt ihr Bedauern und | |
lud Reichert zum Gespräch ein. | |
Statt einer Antwort verklagte Reichert Künstlerin und Kunsthaus, schickte | |
am folgenden Montag den Gerichtsvollzieher, der dem Kunsthaus die | |
Verbreitung der Fotos per Einstweiliger Verfügung verbot. Das Haus schloss | |
für zwei Tage, während derer Ekblad die umstrittenen Bilder durch eigene | |
Kinderfotos setzte. Damit war der Verfremdungseffekt perdu, die Grundidee | |
des Kunstwerks zerstört. | |
Doch dieses Verbot gilt nur, bis das Gericht entschieden hat, ob die | |
Präsentation der Fotos wirklich Persönlichkeitsrechte verletzt. Das ist | |
hier besonders absurd, weil die Schau am 26. 3. ablief, die Verhandlung | |
beim Landgericht Hamburg aber erst am 7. 4. beginnt. Ob die | |
Urheberrechtsklage des Birkenstock-Werbefotografen Andres Overgaard | |
durchkommt, ist dagegen noch unklar. | |
Birkenstock-Chef Reichert indes ist insbesondere deshalb erbost, weil er | |
nicht um Erlaubnis gefragt wurde. Zudem sei das Kind, schreibt sein Anwalt | |
der taz, durch die Isolierung in dem Ausschnitt „in einer nicht mehr | |
hinnehmbaren Weise in den Fokus gerückt“. | |
Allerdings, Reicherts Tochter modelt auf etlichen Fotos und Videos in | |
Internet und Birkenstock-Filialen, ist also weit stärker der Öffentlichkeit | |
ausgesetzt als im lokal rezipierten Kunsthaus. Und die Künstlerin sagt, sie | |
habe niemandem schaden wollen, das Kind nicht verunglimpfend dargestellt. | |
Das Foto sei eine Hommage und sie selbst zu jedem Gespräch bereit. | |
Davon will der Sprecher der Reicherts nichts bemerkt haben: Er vermisst bei | |
Ekblad „ein Zeichen guten Willens, etwa die Entfernung der Fotos von ihrem | |
Instagram-Account“. Dazu ist Ekblad aber erst dann verpflichtet, wenn auch | |
ihr die Einstweilige Verfügung vorliegt. | |
Der Sprecher der Reichert-Familie sagt auch, der Dialog mit dem Kunsthaus | |
komme „erst jetzt zögerlich in Gang.“ Verweist man auf Schröders | |
Gesprächsangebot nach der Unterlassungsaufforderung, schwenkt er um: „Das | |
ist egal. Vielleicht war dieses Angebot nicht in der Art, dass man schon | |
darauf hätte eingehen müssen.“ | |
Im Übrigen sei nicht nur das Kunstwerk, sondern auch dessen Bewerbung | |
problematisch. Das Kunsthaus habe die Schau mit dem Kinderfoto in | |
„Online-Aktionen und intensiver Pressearbeit bundesweit beworben“, schreibt | |
der Reichert-Anwalt. „Diese effekthascherische Bewerbung“ diene „allein | |
kommerziellen Aspekten“. | |
Vermutlich weiß er nicht, dass das Kunsthaus eine kleine, mager finanzierte | |
öffentliche Kultureinrichtung ist, die gar nicht mit Kunst handelt. Sollte | |
das Kunsthaus den Prozess verlieren, wird es jahrelang auf Schulden sitzen. | |
Doch so weit ist es noch nicht. Zwar ist Reichert formal im Recht. | |
Andererseits ist seine Tochter schon lange öffentlich präsent. Außerdem sei | |
diese auch in der Pop Art genutzte „Appropriation“ – die Verarbeitung von | |
Werken anderer Künstler – „eine fest etablierte künstlerische Strategie�… | |
sagt die Kunsthaus-Chefin. Nur dass Kinderfotos ein Sonderfall sind. | |
3 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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