# taz.de -- Streit um Bremer „Arisierungs“-Mahnmal: Das Mäandern des Mahnm… | |
> Bremen einigt sich auf einen Mahnmal-Standort, der Kühne+Nagel nicht | |
> allzu sehr wehtut. Ob er realisierbar ist, hängt aber vom Denkmalschutzes | |
> ab | |
Bild: Immer an der Weser lang: An der Brücke im Hintergrund baut Kühne+Nagel,… | |
BREMEN taz | Auf einen Standort für das Bremer „Arisierungs“-Mahnmal hat | |
sich nun der rot-grüne Koalitionsausschuss des kleinsten Bundeslandes | |
geeinigt. Es soll an der Schlachte installiert werden, Bremens | |
innerstädtischer Flaniermeile an der Weser. | |
Dieser Vorschlag der beiden Regierungsparteien ist ein Kompromiss, dem | |
lange Auseinandersetzungen vorausgingen. Konzipiert wurde der aus einem | |
Ideenwettbewerb der taz hervorgegangene Mahnmalentwurf für den Standort von | |
Kühne+Nagel: Der weltweit drittgrößte Logistikkonzern hat seinen Stammsitz | |
in Bremen, dort verbuchte er im Zweiten Weltkrieg die gewaltigen Gewinne | |
aus seinem Westeuropageschäft. | |
Dieses bestand darin, möglichst viele der Besitztümer jüdischer Familien, | |
die aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg deportiert | |
worden waren, nach Deutschland zu schaffen – wo sie unter anderem auf | |
„Juden-Auktionen“ versteigert wurden. | |
Die Bremer SPD sperrt sich dennoch dagegen, das Mahnmal am Fuß des | |
monumentalen Neubaus von Kühne+Nagel zu ermöglichen. Es geht um ein paar | |
Quadratmeter des städtischen Grund und Bodens – eine Platzierung derart | |
unmittelbar vor dem Firmengelände sei dem Konzern jedoch nicht zuzumuten, | |
meint Bremens sozialdemokratischer Bürgermeister Carsten Sieling. Zudem sei | |
es historisch nicht angemessen, einer einzelnen Firma einen derartigen | |
„Erinnerungsort“ vor die Nase zu setzen. | |
## Neuer Standort ist 400 Meter von Kühne+Nagel entfernt | |
Die Bremer Grünen hingegen haben sich ausdauernd dafür eingesetzt, den | |
Entwurf wie vorgesehen zu realisieren. Sie können sich auf einen Beschluss | |
der Bremer Bürgerschaft berufen, den diese bei nur fünf Gegenstimmen von | |
der FDP im November gefasst hatte: Demnach soll bei der Errichtung des | |
„Arisierungs“-Mahnmals „insbesondere auch ein Standort im Umfeld des | |
Neubaus der Firma Kühne+Nagel“ einbezogen werden. Doch die SPD dehnte den | |
Begriff des „Umfelds“ derart, dass sie doch lieber einen Standort im weit | |
entfernten Stadtteil Walle vorschlug. | |
In einer langen Nachtsitzung einigten sich die Koalitionäre nun auf einen | |
Standort circa 400 Meter von Kühne+Nagel entfernt, mitten im belebtesten | |
Teil der Flaniermeile. Technisch wäre der Entwurf allerdings nur umsetzbar, | |
wenn der Landeskonservator dafür einen Teil der denkmalgeschützten alten | |
Kaimauer freigeben würde – der Rest des von Rot-Grün ins Auge gefasste | |
Areals besteht aus Sitzstufen, die keinen Platz für den Entwurf lassen. | |
Der besteht aus zwei rechtwinklig aufeinanderstoßenden Sichtschächten, die | |
an deren Ende die Schattenkonturen ausgeräumter Möbel zu sehen sind. Ein | |
subtiler Hinweis darauf, dass in Westeuropa ab 1942 der Inhalt von circa | |
70.000 Wohnungen jüdischer Familien zur „Verwertung“ nach Deutschland | |
geschafft wurde. | |
## Obskure Täter-Opfer-Verkehrungen | |
An diesem Geschäft hatte Kühne+Nagel maßgeblichen Anteil – in Gegensatz zu | |
den anderen Bremer Speditionen, die „nur“ an der Beraubung der zahlenmäßig | |
eher kleinen jüdischen Gemeinde Bremens verdienten sowie an der | |
Auswanderung: Die über Bremerhaven fliehenden jüdischen Familien mussten | |
immer öfter ihre Kisten im Hafen zurücklassen, deren Inhalt dann | |
versteigert wurde. Die Dimension dieser „Arisierungs“-Gewinne war | |
allerdings längst nicht so groß wie das von Kühne+Nagel dominierte | |
Westeuropageschäft. | |
An Vorschlägen für die Mahnmalplatzierung war in Bremen und umzu kein | |
Mangel: Zahlreiche BremerInnen beteiligten sich, dabei kam es allerdings | |
auch zu obskuren Täter-Opfer-Verkehrungen wie in Gestalt der Aussage: Der | |
„einzige richtige Ort in Bremen“ für das Mahnmal sei „auf oder vor dem | |
Gelände der Synagoge in Schwachhausen“. Dem Weser-Kurier war das einen | |
Abdruck an erster Stelle der Leserbriefspalte wert. | |
Die SPD wiederum zeigte große Kreativität bei der Suche nach möglichst weit | |
von Kühne+Nagel entfernten Standorten. Dass der jetzige Kompromissvorschlag | |
wenigstens in Reichweite des Weltkonzerns liegt, hat die Grünen eine harte | |
Verhandlungsnacht gekostet. | |
28 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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