# taz.de -- Angehörige von Flüchtlingen nachholen: Familien zweiter Klasse | |
> Die Aussetzung des Familiennachzugs soll „steuernd“ wirken. Im Bundestag | |
> plädieren Experten aber für den Schutz der Familie. | |
Bild: Unterwegs ohne die Familie: 14-jähriger Geflüchteter in Serbien | |
BERLIN taz | Vor 17 Monaten ist Abdulhalim Atta über die Balkanroute nach | |
Deutschland gekommen. Dem 49-jährigen Lehrer aus dem syrischen Kamischli | |
wurde nur der subsidiäre Flüchtlingsschutz zuerkannt, damit darf er Frau | |
und Kinder in den nächsten zwei Jahren nicht nachholen. Am Montag | |
demonstrierte Atta im strömenden Regen mit ein paar Dutzend Flüchtlingen | |
und Unterstützern in Berlin. „Ich habe meine Familie so lange nicht | |
gesehen“, klagt er, „und da, wo sie lebt, ist es sehr unsicher.“ | |
Während Atta draußen demonstrierte, verhandelten drinnen Sachverständige | |
und Abgeordnete bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages über | |
den Familiennachzug. Seit einer Gesetzesänderung im März 2016 dürfen | |
Geflüchtete, denen nur der sogenannte subsidiäre Schutz zugestanden wird, | |
ihre Familienangehörigen für zwei Jahre nicht nachholen. Dies betrifft | |
Ehepartner, minderjährige Kinder oder bei unbegleitet eingereisten | |
minderjährigen Flüchtlingen die Eltern und Geschwister. Die Aussetzung des | |
Familiennachzugs ist bis auf März 2018 befristet. Es gibt allerdings | |
Stimmen in der Union, die eine Verlängerung befürworten. | |
Syrischen Geflüchteten wurde zuletzt in zwei von drei Fällen nur noch der | |
subsidiäre Schutz mit einjähriger Aufenthaltserlaubnis zugestanden. Nur ein | |
Drittel bekam den vollen Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention, der | |
eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis und den sofortigen Antrag auf | |
Familiennachzug beinhaltet. | |
„Ich beobachte jedes Mal, wie Menschen, die sich im ersten Moment noch über | |
ihren soeben erteilten Schutzstatus freuten, binnen weniger Minuten | |
zusammenbrechen, wenn sie erfahren, dass sie ihre Angehörigen nicht | |
nachholen dürfen“, erklärte Rechtsanwalt Tim Kliebe, Migrationsexperte beim | |
Deutschen Anwaltverein. „Die Menschen fragen sich dann, wie Deutschland | |
ihnen so etwas antun kann“, so Kliebe. | |
## Dauerhaft auseinandergerissen | |
Das Aussetzen des Familiennachzugs ist dramatisch, wenn etwa ein | |
unbegleiteter Minderjähriger während der zweijährigen Wartezeit volljährig | |
wird – dann darf er die Eltern nie mehr nachholen. Auch wenn das älteste | |
Kind in der Heimat während der Wartezeit 18 Jahre alt wird und damit nicht | |
mehr nachgeholt werden darf, bleibt die Familie dauerhaft | |
auseinandergerissen. | |
Sachverständige von Diakonie, Kirche und Arbeiterwohlfahrt plädierten bei | |
der Anhörung dafür, die Aussetzung des Familiennachzugs zu beenden, dies | |
gebiete der Schutz der Familie. Außerdem seien die Antragszahlen auf Asyl | |
zuletzt ohnehin deutlich gesunken. Der Rechtswissenschaftler Kay | |
Hailbronner verwies dagegen auf den „anhaltenden Migrationsdruck“. Der | |
Familiennachzug müsse abgewogen werden gegen das „öffentliche Interesse“, | |
den Zuzug zu „steuern“. | |
In den vergangenen zwei Jahren sind bei den deutschen Botschaften im | |
Ausland 75.000 Visa für Familienangehörige von Syrern und Irakern erteilt | |
worden, 110.000 Antragssteller warteten noch auf einen Termin, erklärte | |
Philipp Schauer vom Auswärtigen Amt. Grüne und Linkspartei wollen eine | |
Gesetzesänderung, um den Nachzug bei subsidiär Geschützten wieder zu | |
gestatten. In der SPD sind einige Abgeordnete ebenfalls dafür. Die Frage | |
ist, welche Rolle das Thema im kommenden Wahlkampf spielen könnte. | |
21 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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