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# taz.de -- Türkischer Wahlkampf in Deutschland: Nazi-Vergleiche und Redefreih…
> Die Absagen von AKP-Auftritten sorgen für Spannungen auf allen Seiten.
> Welche Reaktionen gibt es in Deutschland? Welche in der Türkei?
Bild: Recep Tayyip Erdoğan bei einer Veranstaltung zum Weltfrauentag in Istanb…
## Das „Auftrittsverbot“ sei eine „faschistische Methode“
„Deutschland auf Hitlers Spuren“ prangt reißerisch vom Titel der türkisch…
Tageszeitung Yeni Akit am Sonntag. Neben der Schlagzeile druckt das Blatt
eine Fotomontage, die Kanzlerin Angela Merkel mit Hakenkreuz-Armbinde
zeigt. Es ist ein Bild, das in den vergangenen zehn Jahren immer wieder
reproduziert wurde. Diesmal muss es für die Kritik am abgesagten
Wahlkampfauftritt von Justizminister Bekir Bozdağ in Gaggenau herhalten.
Damit ging die regierungsnahe Presse auf das Statement Bozdağs ein, das
„Auftrittsverbot“ sei eine „faschistische Methode“ und verstoße gegen
„Menschrechtskonventionen“. Bei einer Ansprache in Istanbul am Sonntag
legte Recep Tayyip Erdoğan nach. Der Präsident warf Deutschland
„Nazi-Praktiken“ vor: „Wir dachten, Deutschland hätte diese Zeit längst
hinter sich gelassen, aber wir haben uns getäuscht“, sagte er. Schon am
vergangenen Freitag hatte Erdoğan harte Töne gegen die Bundesregierung und
insbesondere den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel angeschlagen. Yücel
bezeichnete er als „PKK-Terroristen“ und deutschen Agenten. Der
Bundesregierung warf Erdoğan Terrorunterstützung vor, weil sich Yücel
mehrere Wochen in Istanbul auf konsularischem Boden aufgehalten haben soll.
Auch regierungskritische Stimmen in der Türkei zweifeln zunehmend am Umgang
der Bundesregierung mit der AKP-Regierung. Mithat Sancar, Abgeordneter der
prokurdischen Oppositionspartei HDP, bewertete ein Auftrittsverbot für
türkische Minister in Deutschland sowie Boykottaufrufe als „völlig falsch�…
weil jede Eskalation der AKP-Regierung kurz vor dem Verfassungsreferendum
in die Hände spiele. Auch der CHP-Chef und Oppositionsführer Kemal
Kılıçdaroğlu äußerte sich kritisch zu den geplatzten AKP-Auftritten in
Deutschland: „Einerseits belehrt ihr die Welt über Demokratie, andererseits
wollen zwei Minister einer Partei sprechen, aber aus diesem oder jenem
Grund verbietet ihr diese Rede. Das finden wir keineswegs richtig.“
Der Abgeordnete und ehemalige CHP-Chef Deniz Baykal sagte gar seinen für
Sonntag in Filderstadt bei Stuttgart geplanten und genehmigten Auftritt ab,
wo er für Nein-Stimmen beim Referendum werben wollte. „Wir finden es nicht
richtig, dass die AKP in Deutschland dieselbe Ausgrenzung erfährt, wie wir
es in der Türkei tun“, sagte der Deutschlandsprecher der CHP, Hayri
Cicekdagi zur Begründung. Man befürchte, dass Baykals Deutschland-Auftritt
in der Türkei innenpolitisch instrumentalisiert werden könnte.
Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi durfte am Sonntagabend
nach zwei Absagen doch noch im Kölner Senats-Hotel auftreten. Proteste
gegen den Auftritt waren nicht angemeldet, die Polizei beließ dennoch eine
Hundertschaft in Bereitschaft. Am Sonntagnachmittag sprach Zeybekçi ein
Grußwort bei einem Gedenkkonzert in Leverkusen, wo auch Abgeordnete der
Parteien CHP und MHP zugegen waren.
VON FATMA AYDEMIR
***
## Erdoğans Wahlkampf spaltet deutsche Politik
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Wahlkampfauftritte türkischer
Politiker in Deutschland verteidigt. „Wer bei uns reden will, muss uns
nicht nach dem Mund reden, aber er muss unsere Regeln respektieren“,
schrieb Gabriel in der Bild am Sonntag. Bei aller nötigen Kritik dürfe man
aber „nicht denen auf den Leim gehen, die aus all den falschen Gründen ihr
politisches Mütchen an den deutsch-türkischen Beziehungen kühlen wollen“.
Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warb für Toleranz: „Wenn wir
Meinungsfreiheit ernst nehmen, dürfen wir nicht Gleiches mit Gleichem
vergelten“, sagte er. Zuvor hatten NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
(SPD) und der Deutsche Städtetag gefordert, die Entscheidung über türkische
Wahlkampfauftritte in Deutschland nicht den Kommunen zu überlassen. Die
Bundesregierung müsse sich klar positionieren.
Die CSU würde Kundgebungen türkischer Politiker in Deutschland gern
verbieten. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sprach von einem
„Redeverbot“. Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin
Laschet, sprach sich für weitere Auftrittsverbote für türkische Politiker
aus. Linkspartei, AfD und FDP hatten diese zuerst gefordert.
Die Grünen-Politikerin Claudia Roth warnte, solche Verbote könnten
kontraproduktiv sein. „Es ist eben keine Schwäche, sondern ganz im
Gegenteil ein Zeichen der großen Stärke unseres Rechtsstaates, dass er auch
unliebsame Auftritte, Meinungen und Botschaften aushält“, sagte sie.
Auch in anderen europäischen Ländern sorgen die Wahlkampfauftritte
türkischer Minister für Unmut. Die niederländische Regierung prüft, ob sie
einen geplanten Auftritt des türkischen Außenministers Çavuşoğlu in
Rotterdam rechtlich verhindern kann. Dafür hatte sich Ministerpräsident
Mark Rutte starkgemacht. Der Rechtspopulist Geert Wilders fordert gar ein
Einreiseverbot für alle türkischen Minister.
Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach sich für ein
EU-weites Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker aus und
plädierte für ein Ende der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Damit
schwenkt er auf die Linie seines konservativen Koalitionspartners Sebastian
Kurz ein.
Ankara und Berlin bemühen sich unterdessen laut der staatlichen
Nachrichtenagentur Anadolu um Verständigung. Ministerpräsident Binali
Yıldırım habe am Samstag mit Kanzlerin Angela Merkel telefoniert. Die
Türkei werde ihre „Taktik beim Wahlprogramm etwas ändern“, kündigte
Yıldırım an. Gabriel will sich in der kommenden Woche mit seinem türkischen
Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu treffen. Dieser kommt am Dienstag nach Hamburg.
Nach einer Emnid-Umfrage sind 81 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass
sich die Bundesregierung zu viel von der türkischen Regierung gefallen
lasse. Nur 13 Prozent waren anderer Meinung.
VON DANIEL BAX
5 Mar 2017
## AUTOREN
Daniel Bax
Fatma Aydemir
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