# taz.de -- SPD-Parteitag in Nordrhein-Westfalen: Unangefochtene Kraft | |
> Die NRW-SPD geht optimistisch in den Wahlkampf. Ministerpräsidentin Kraft | |
> setzt auf den Schulz-Effekt und grenzt sich von den Grünen ab. | |
Bild: Die Ministerpräsidentin geht mit Energie in den Wahlkampf | |
Düsseldorf taz | Nein, vor Ort ist Martin Schulz nicht. Aber als die | |
NRW-SPD am Samstag auf einem außerordentlichen Parteitag in Düsseldorf ihr | |
Programm für die Landtagswahl im Mai verabschiedet, ist der neue | |
Hoffnungsträger der Sozialdemokraten trotzdem präsent. Im Foyer tragen | |
Jusos stolz ihre Schulz-Buttons an der Anzugjacke, im Saal brandet Applaus | |
auf, sobald jemand den Namen des Sozialdemokraten aus Würselen bei Aachen | |
in den Mund nimmt. | |
„Im September kommt der Schulz-Express mit hoher Energie in Berlin an“, | |
verspricht NRW-SPD-Generalsekretär André Stinka zu Beginn und erntet die | |
ersten Jubelrufe. „Wir sind stolz, dass er einer von uns ist“, ruft | |
schließlich die SPD-NRW-Vorsitzende, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, | |
bei ihrer Rede in den Saal. Und wieder jubeln alle. | |
Auch Kraft, die zuerst Sigmar Gabriel als SPD-Kanzlerkandidat unterstützt | |
hatte, profitiert vom Schulz-Effekt. 1900 Neu- oder Wiedereintritte konnte | |
die NRW-SPD in den letzten Wochen verzeichnen und nachdem sie in Umfragen | |
lange mit der CDU-Opposition gleichauf lag, konnte die Partei im Februar | |
erstmals einen Vorsprung von vier Prozent erreichen. Dementsprechend | |
selbstbewusst trat die Ministerpräsidentin in Düsseldorf auf. | |
„So geht soziale Gerechtigkeit“, wiederholt Kraft bei ihrer Rede wieder und | |
wieder. Dabei betont sie deutlich jedes Wort und immer wenn sie das tut, | |
halten die Delegierten Schilder mit dem Wahlkampfmotto „#NRWIR“ in die | |
Luft. „Ein Hashtag sagt mehr als tausend Worte“, verkündet Generalsekretär | |
André Stinka und erklärt seine Partei für „das NRW-Gefühl“ zuständig. | |
## Spitzen gegen Grün | |
Dieses Gefühl ist für die SPD in erster Linie sozialdemokratisch und die | |
Partei will es vor allem mit der Sozial- und Bildungspolitik bedienen. Die | |
Unis sollen gebührenfrei bleiben, auch die Meisterprüfung soll zukünftig | |
nichts mehr kosten. Und der Besuch einer Kindertagesstätte, so der Plan, | |
soll zukünftig für 30 Stunden in der Woche kostenfrei sein. „Das geht nur | |
mit die SPD, nicht einmal bei den Grünen findet ihr das“, sagt Hannelore | |
Kraft über ihren Koalitionspartner, mit dem die seit sieben Jahren das | |
bevölkerungsreichste Bundesland regiert. | |
Im Moment schwächeln die Grünen in den Umfragen, eine rot-rot-grüne | |
Koalition lehnt Kraft ab, und will sich die Option auf eine große Koalition | |
noch offenhalten. Der kleine Koalitionspartner bekommt deshalb noch weitere | |
eine Spitze ab. „Im Moment machen die Grünen Hausbesuche“, sagt Hannelore | |
Kraft. „Hoffentlich treffen sie dabei wie ich auch auf Familien, die von | |
1500 Euro brutto im Momant leben müssen.“ Die Rollen sind auf diesem | |
Parteitag klar verteilt: Die Grünen vertreten die Besserverdiener, die | |
Sozialdemokraten kümmern sich. | |
Dabei fällt auch die Bilanz von sieben Jahren rot-grüner Sozialpolitik in | |
NRW etwas ambivalenter aus als Kraft Glauben machen will. Bei den | |
westdeutschen Flächenländern ist NRW das Schlusslicht, was die | |
Einkommensarmut angeht: 17,5 Prozent der Einwohner sind akut von Armut | |
bedroht, in Köln und den Ruhrgebietsstädten liegt die Hartz-IV-Quote | |
zwischen 13 und 20 Prozent. Hinzu kommen Versäumnisse beim Wohnungsbau, | |
gerade in den wirtschaftlich stärkeren Regionen. In Düsseldorf und Köln | |
sind Quadratmeterpreise von 10 Euro kalt bei Neuvermietungen mittlerweile | |
die Regel, dabei hätte in Köln jeder zweite Einwohner Anspruch auf | |
geförderten Wohnraum. Insgesamt fehlen nach Berechnungen bis 2020 400.000 | |
Neubauwohnungen im gesamten Bundesland. Kraft verkündete am Samstag, dass | |
der „Bau von Sozialwohnungen boomt“, de facto sinkt aber auch hier die | |
Zahl, weil pro Jahr 10.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. | |
## Risiko Innere Sicherheit | |
Die größte Gefahr geht für Krafts avisierten Wahlsieg jedoch von einem | |
anderen Politikfeld aus: der inneren Sicherheit, die vor allem von der | |
CDU-Opposition zum Wahlkampfthema gemacht wird. SPD-Innenminister Ralf | |
Jäger ist seit Jahren umstritten: Zu den missglückten Polizeieinsätzen an | |
Silvester 2015 und 2016 kamen in letzter Zeit noch Fahndungspannen im Fall | |
Amri. Zudem ist gerade bekannt geworden, dass im Umfeld des | |
Bombenattentäters von Düsseldorf-Wehrhahn mindestens ein V-Mann des | |
NRW-Verfassungsschutzes aktiv war. Kraft versuchte, am Samstag hier | |
Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Bei einem Wahlsieg will sie | |
jährlich 2300 Polizisten ausbilden. | |
Die SPD-Delegierten muss sie demit nicht überzeugen. Einstimmig wählen sie | |
Hannelore Kraft zur Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin und auf | |
Platz Eins der Landesliste für den Wahlkampf – und jubeln jeweils | |
minutenlang. „Wenn wir eins können, ist es Wahlkampf“, hatte | |
NRW-SPD-Generalsekretär André Stinka am Anfang des Parteitags auf der Bühne | |
verkündet. Er hat Recht behalten. | |
18 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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