| # taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Was für ein Land soll's werde… | |
| > Der Wahlkampf um die Präsidentschaft in Frankreich hat begonnen. Das sind | |
| > die fünf wichtigsten KandidatInnen im Überblick. | |
| Bild: Fast nur Männer – wie unter den Präsidentschaftskandidaten: Badende a… | |
| Der Linksliberale | |
| Zur Person: Emmanuel Macron (39) war Bankier und hat nach der Demission als | |
| Wirtschaftsminister seine Kandidatur angekündigt. Dafür gründete er die | |
| Bewegung „En marche!“ („Auf geht’s!“), die bereits über 100.000 Mitg… | |
| – von links wie von rechts – zählen soll. Er tritt als Vertreter einer | |
| wirtschaftsfreundlichen linken Mitte an. Er war zumindest von 2006 bis 2009 | |
| Mitglied des Parti Socialiste. Nach François Hollandes Wahlsieg 2012 wurde | |
| er dessen wichtigster Berater in Wirtschaftsfragen. | |
| Das Programm: Macron möchte die Wirtschaft von bürokratischen Altlasten | |
| befreien und die Wettbewerbsfähigkeit durch weitere Lockerungen des | |
| Arbeitsrechts vergrößern. Er will die bisherigen Lohnabzüge für die | |
| Kranken- und Arbeitslosenversicherung abschaffen, die dann durch etwas | |
| höhere Steuern auf allen Einkommensformen finanziert würden. Rentenalter | |
| (60 bis 67 Jahre) und Arbeitszeiten (35 für Junge, 32 für Senioren) sollen | |
| flexibel und nach Berufsgruppen festgelegt werden. | |
| Verhältnis zur EU: Macron, begeisterter Europäer, möchte den Aufbau Europas | |
| ins Zentrum seines Projekts stellen. Er möchte die EU „verjüngen“ – dur… | |
| einen mit Deutschland auszuarbeitenden neuen Grundvertrag. So will er das | |
| „Gift“ des Misstrauens gegenüber den EU-Institutionen bekämpfen. | |
| Ein Problem: Macron hatte sich bisher noch nie als Kandidat an Volkswahlen | |
| beteiligt. Seine Jugend wird je nach Standpunkt als Vorteil oder mangelnde | |
| Erfahrung ausgelegt. | |
| Und die Aussichten: Tendenz steigend – mit gegenwärtig 21 Prozent hat | |
| Macron beinahe den Favoriten Fillon eingeholt. Das Ausscheiden Manuel | |
| Valls’ bei den Sozialisten bringt ihm zusätzlich Zulauf aus diesem Lager. | |
| Mehrere Prominente haben sich öffentlich für ihn ausgesprochen. | |
| *** | |
| Der Sozialist | |
| Zur Person: Benoît Hamon (49) ist Mitglied des „Parti Socialiste“. Als | |
| Exponent des linken Flügels kritisiert er die Regierungspolitik unter | |
| Präsident François Hollande, dem er bis 2014 als Minister gedient hat. | |
| Hamon ist heute Abgeordneter im Südwesten von Paris. Er hat die Vorwahlen | |
| in seiner Partei gegen Expremier Valls gewonnen. Hamon möchte die | |
| französische Linke modernisieren. Er schlägt Mélenchon, den Kommunisten und | |
| den Grünen eine Regierungsallianz vor. | |
| Das Programm: Hamon möchte ein Grundeinkommen von monatlich 750 Euro für | |
| alle schrittweise einführen. Die gesetzliche Arbeitszeit soll grundsätzlich | |
| bei 35 Stunden in der Woche bleiben. Die durch neue Technologien knapper | |
| werdende Arbeit soll auf mehr Menschen verteilt werden und die | |
| Einkommensteuer reformiert. Umweltpolitik ist ihm wichtig: Er fordert bis | |
| 2025 50 Prozent erneuerbare Energiequellen und für die Autos den Ausstieg | |
| aus dem Dieselzeitalter. | |
| Verhältnis zur EU: Hamon wünscht ein Moratorium für den Stabilitätspakt der | |
| Haushaltspolitik. Die seit 2008 akkumulierten Schulden für die am stärksten | |
| betroffenen Mitgliedstaaten der EU sollen erlassen und der ökologische | |
| Energiewandel mit Investitionen in Höhe von 1.000 Milliarden Euro gefördert | |
| werden. Zur Bekämpfung des „Lohndumpings“ innerhalb der EU schlägt er ein… | |
| Minimallohn in der Höhe des Durchschnittslohns vor. | |
| Ein Problem: Trotz seines klaren Siegs in den Vorwahlen wird Hamon nicht | |
| von allen in der Partei unterstützt. | |
| Und die Aussichten: Tendenz zuerst steigend – mit 15 Prozent hat Hamon | |
| bereits Mélenchon überholt. Derzeit gilt aber als unwahrscheinlich, dass er | |
| es in die Stichwahl schafft. | |
| *** | |
| Der Konservative | |
| Zur Person: François Fillon (62) ist Mitglied der konservativen Partei „Les | |
| Républicains“ und Anhänger einer strikten Haushaltspolitik. Von 2007 bis | |
| 2012 war er unter Präsident Nicolas Sarkozy Premierminister. Mit seinen | |
| Stellungnahmen in Familien- und Gesellschaftsfragen (Homoehe, Abtreibung | |
| oder künstliche Befruchtung) konnte er bei den Vorwahlen seiner Partei im | |
| November 2016 offenbar die konservativsten Sympathisanten mobilisieren. | |
| Das Programm: Fillon will binnen fünf Jahren 500.000 öffentliche Stellen | |
| abbauen, das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre und die gesetzliche | |
| Arbeitszeit von 35 auf 39 Stunden erhöhen. Er will die Vermögensteuer | |
| loswerden und schlägt eine Pauschalsteuer für das Kapital vor, finanziert | |
| durch höhere Mehrwertsteuern. Er plädiert für eine „strikte administrative | |
| Kontrolle“ der islamischen Gemeinden in Frankreich. | |
| Verhältnis zur EU: Für Fillon steckt die EU in einer „Sackgasse“. Der | |
| drohenden Desintegration würde er namentlich mit Investitionen in | |
| (digitale) Unternehmen der Zukunft und einer gemeinsamen Verteidigung und | |
| Sicherheitspolitik begegnen. Fillon befürwortet ein Europa der Nationen und | |
| ist gegen föderalistische Institutionen. | |
| Ein Problem: Die Justiz muss unter anderem abklären, ob die Anstellung | |
| seiner Ehefrau Penelope als parlamentarische Assistentin eine Form der | |
| Unterschlagung öffentlicher Gelder darstellte. Wer aber könnte ihn | |
| ersetzen, falls er deswegen als Kandidat ausfällt? | |
| Und die Aussichten: Tendenz sinkend – mit derzeit 22 Prozent gehört Fillon | |
| weiterhin zu den drei mit den größten Chancen. | |
| *** | |
| Die Rechte | |
| Zur Person: Marine Le Pen (48) ist Parteichefin des rechtsextremen „Front | |
| National“, tritt aber zum zweiten Mal als Kandidatin des formell | |
| erweiterten „Rassemblement Bleu Marine“ bei Präsidentschaftswahlen an. 2012 | |
| landete sie mit 18 Prozent auf dem dritten Platz. Die Parteiführung hat sie | |
| 2011 von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen geerbt, und seither hat sie mit | |
| einigem Erfolg versucht, den FN mit seinem explizit islam- und | |
| fremdenfeindlichen Programm salonfähig zu machen. Heute ist sie die | |
| wichtigste Exponentin des europäischen Rechtspopulismus. Als überzeugte | |
| Nationalistin bewundert sie Wladimir Putin und Donald Trump. | |
| Das Programm: Auf dem Arbeitsmarkt und im gesamten Sozial- und | |
| Gesundheitssystem sollen französische Staatsangehörige gegenüber Ausländern | |
| bevorzugt werden. Le Pen will zu uneingeschränkter nationaler Souveränität | |
| und Grenzkontrollen zurückkehren. Französische Firmen sollen bei der | |
| Vergabe öffentlicher Aufträge den Vortritt bekommen. Der FN ist für | |
| Atomkraftwerke und gegen Schiefergasförderung. | |
| Verhältnis zur EU: Für Le Pen ist die EU an (fast) allem schuld. Sie will | |
| einen Austritt aus dem Schengen-Abkommen, aus dem Euro und der EU. | |
| Ein Problem: Der FN hat bisher keine möglichen Bündnispartner. Ihm haftet | |
| noch das Etikett einer seit 1945 verfemten extremen oder faschistischen | |
| Rechten an. Zudem laufen Ermittlungen wegen der Finanzierung von | |
| Mitarbeitern durch EU-Gelder. | |
| Und die Aussichten: Tendenz weiter steigend – mit 25 Prozent liegt Marine | |
| Le Pen vorläufig an der Spitze. | |
| *** | |
| Der linke Volkstribun | |
| Zur Person: Jean-Luc Mélenchon (65) hat eine lange politische Karriere quer | |
| durch Frankreichs Linke hinter sich: Er war bei den Trotzkisten und dem | |
| Parti Socialiste, gründete später die Linkspartei „Parti de Gauche“, die | |
| bei mehreren Wahlen gemeinsame Listen mit den Kommunisten des PCF | |
| aufstellte. 2012 bei der Präsidentschaftswahl erreichte er 11 Prozent. | |
| Heute ist er Kandidat der neuen „France insoumise“ (Ungehorsames | |
| Frankreich). Nach einigem Zögern hat der PCF beschlossen, ihn zu | |
| unterstützen. Eine Allianz mit den Sozialisten hat er ausgeschlossen. | |
| Das Programm: Mélenchon will die Arbeitsrechtsreform von 2016 rückgängig | |
| machen, den Mindestlohn von 1.143 auf 1.300 Euro monatlich erhöhen. Er | |
| fordert eine Trennung zwischen Geschäftsbanken und Kundensparkassen und | |
| wünscht sich regelmäßige Volksbefragungen, um die Demokratie zu stärken. Er | |
| verteidigt ein Rentenalter von 60 Jahren und möchte eine „reelle“ | |
| Arbeitswoche von 35 auf 32 Stunden verkürzen. | |
| Verhältnis zur EU: Mélenchon ist fast so EU-skeptisch wie Le Pen, wünscht | |
| aber nicht ausdrücklich den Austritt. Er will einen „Plan B“ und eine | |
| Neufassung der Grundverträge. Er ist gegen Freihandelsabkommen mit den USA, | |
| aber für einen europäischen Plan zum Klima- und Energiewandel. | |
| Ein Problem: Mélenchon hat einen aufbrausenden Charakter. Er hat seine | |
| kommunistischen Bündnispartner vor vollendete Tatsachen gestellt. Durch die | |
| Nominierung des linken Sozialisten Benoît Hamon hat er einen Konkurrenten. | |
| Und die Aussichten: Tendenz ungewiss – mit 10 Prozent verliert Mélenchon | |
| einige Sympathiepunkte an Hamon. Diese kann er aber mit seinem Rednertalent | |
| zurückerobern. | |
| 30 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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