| # taz.de -- Debatte Rechtspopulismus in Europa: Moralismus ist zwecklos | |
| > Auch das linke Spektrum muss Angst vor Zuwanderung ernstnehmen. Das zeigt | |
| > die Erfahrung mit der Volkspartei in Dänemark. | |
| Bild: Auch in Dänemark bestimmt die Migrationspolitik seit Jahrzehnten den pol… | |
| Es klang wie ein skandinavisches Echo von AfD-Chefin Frauke Petry, als der | |
| dänische Abgeordnete Kenneth Kristensen Berth von der rechtsnationalen | |
| Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti – DF) vor ein paar Wochen | |
| vorschlug, auf Bootsflüchtlinge im Mittelmeer Warnschüsse abzufeuern. Doch | |
| diese Äußerung ist gewissermaßen außergewöhnlich für die DF, die seit der | |
| Gründung 1995 ins Herz der dänischen Politik eingewandert ist. Mit | |
| gelegentlichen Ausnahmen hat die Partei die extremsten Aussagen hinter sich | |
| gelassen. | |
| Aus dem einstigen Außenseiter ist in vieler Hinsicht eine Mainstream-Partei | |
| geworden. Zugleich hat die DF allerdings die Mitte der dänischen Politik | |
| maßgeblich geprägt, wenn es um Fragen von Integration, Ausländern und | |
| Asylbewerbern geht. | |
| Aus diesen dänischen Erfahrungen kann auch Deutschland im Umgang mit der | |
| AfD vor der kommenden Bundestagswahl lernen. Das Zögern und Unbehagen | |
| vieler Deutscher gegenüber Rechtsextremismus ist im Lichte der | |
| NS-Geschichte verständlich. Sowohl Zivilgesellschaft als auch die | |
| etablierte Politik sollten aber die AfD als einen legitimen politischen | |
| Gegner anerkennen und sich darum bemühen, die Partei ins demokratische | |
| System zu integrieren und auf diese Weise zu entschärfen. | |
| Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung mit der DF kann man sagen, dass | |
| Moralismus und Warnungen gegen einen Rechtsruck erfolglos sind. In Dänemark | |
| waren sämtliche Versuche der etablierten Parteien und des | |
| linksintellektuellen Milieus, den Aufstieg der Partei mit moralischen | |
| Appellen oder Beschämung zu verhindern, im besten Fall nutzlos und im | |
| schlechtesten Fall kontraproduktiv. | |
| ## Eigene Antworten fehlen | |
| Im europäischen Vergleich gibt es wenige Rechtsparteien, die erfolgreicher | |
| und politisch einflussreicher als die dänischen Rechtspopulisten waren. Bei | |
| der letzten Parlamentswahl wurde die DF mit 21,5 Prozent die zweitgrößte | |
| Partei Dänemarks. Nur die Sozialdemokraten bekamen mit 26,5 Prozent mehr | |
| Stimmen. Ohne je in der Regierung gesessen zu haben, hat die DF | |
| unverkennbare Spuren in der dänischen Politik hinterlassen. Insbesondere | |
| das linke Lager hat keine eigenen Antworten auf die weit verbreitete | |
| Skepsis der dänischen Wähler gegenüber der EU, der multikulturellen | |
| Gesellschaft und vor allem den Folgen der Masseneinwanderung für den | |
| Wohlfahrtstaat gefunden. | |
| Die Gründerin der DF, Pia Kjærsgaard, wurde in 2015 als Präsidentin des | |
| dänischen Parlaments gewählt. Gleichzeitig umwirbt die sozialdemokratische | |
| Parteivorsitzende Mette Frederiksen, die gute Chancen hat, nächste | |
| Regierungschefin zu werden, die DF zunehmend. | |
| Die Beziehungen zwischen der DF und den Sozialdemokraten waren aber nicht | |
| immer entspannt. 1999 sagte der damalige sozialdemokratische | |
| Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen einen Satz, der in die Geschichte | |
| dänischer Politik einging: „In meinen Augen: Stubenrein werdet Ihr nie“, | |
| sagte Nyrup Ramussen als Reaktion auf dem Vorschlag der DF, | |
| Familienmitglieder krimineller Ausländer abzuschieben. | |
| ## Nationalkonservative Sozialdemokraten | |
| Nur zwei Jahre nach Nyrups Rede bekam die DF eine zentrale Rolle bei der | |
| Unterstützung für die liberal-konservative Minderheitsregierung, die von | |
| Anders Fogh Rasmussen von 2001 bis 2011 geführt wurde. Als Gegenleistung | |
| setzte die DF eine strikte Integrations- und Einwanderungspolitik durch. | |
| Die nuller Jahre haben nachdrücklich gezeigt, dass eine stabile Mehrheit | |
| der dänischen Wähler eine strikte Ausländerpolitik befürwortete. Unter der | |
| Führung von Pia Kjærsgaard ist die DF eine akzeptable und „stubenreine“ | |
| Partei geworden, die heute als eine einwanderungsskeptische und | |
| nationalkonservativ gefärbte Variante der Sozialdemokratie betrachtet | |
| werden kann. | |
| Ein wesentlicher Auslöser für den Aufstiegs der DF ist das von den | |
| Sozialdemokraten 1983 geänderte Ausländergesetz. Es gewährte anerkannten | |
| Asylbewerbern ein uneingeschränktes Recht auf Familiennachzug. Das Ergebnis | |
| des liberalen Gesetzes: Die Einwanderung aus nichtwestlichen Ländern | |
| erreichte Rekordhöhen. | |
| In den Jahren nach der Verabschiedung des Gesetzes machte eine Gruppe von | |
| sozialdemokratischen Bürgermeistern auf wachsende Probleme mit der | |
| Integration von Einwandern in den Kopenhagener Vororten aufmerksam. In der | |
| Parteiführung wurden aber die Beschwerden der Bürgermeister nicht ernst | |
| genommen. Ihnen wurde stattdessen Rassismus und Xenophobie vorgeworfen. | |
| ## Koalitionen nicht ausgeschlossen | |
| Während der neunziger- und nuller Jahre ging die DF auf die Pirsch nach | |
| einwanderungsskeptischen Wählern in der sozialdemokratischen Stammklientel. | |
| Und sie waren durchaus erfolgreich damit, sich als die wahren | |
| Sozialdemokraten darzustellen, die eine großzügige Sozial- mit einer | |
| knallharten Ausländerpolitik zu kombinieren wussten. Die Ermahnungen von | |
| Poul Nyrup erwiesen sich als nutzlos. | |
| Zudem gab es auch eine kulturelle Dimension des Aufstiegs der DF. In seinem | |
| Buch „Kampen om Sandhederne“ (Kampf der Wahrheiten) von 2008 – das linke | |
| wie konservative Intellektuelle als eine der besten Analysen der DF | |
| betrachten – beschreibt Rune Lykkeberg, heute Chefredakteur der | |
| linksliberalen Tageszeitung Information, den verbissenen Kulturkampf, der | |
| in den nuller Jahren die DF in eine bleibende politische Kraft verwandelt | |
| hat. Ob die dänische Sozialdemokratie je ihre verlorenen Wähler | |
| zurückerobern kann, ist zweifelhaft. Der Versuch wird aber gemacht. | |
| Mette Frederiksen räumte als neue Vorsitzende der Sozialdemokratischen | |
| Partei ein, dass die Proteste der Bürgermeister gegen das Ausländergesetz | |
| von 1983 berechtigt waren. Im Spätsommer ging Frederiksen auf die DF zu, um | |
| die von der liberal-konservativen Regierung geplanten Steuererleichterungen | |
| zu verhindern. | |
| In den kommenden Jahren ist es daher nicht unwahrscheinlich, dass die DF | |
| und die immer noch geschwächten Sozialdemokraten, die zusammen eine | |
| absolute Mehrheit im Parlament stellen könnten, ihre ständig kleiner | |
| werdenden Meinungsunterschiede überwinden, um eine Regierungskoalition zu | |
| bilden. | |
| 2 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Troels Heeger | |
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