# taz.de -- Die AfD an deutschen Unis: Dilemma der Meinungsfreiheit | |
> Viele Studierende fühlen sich von AfD-Hochschulgruppen provoziert, | |
> zuletzt an der Uni Magdeburg. Doch ist Debatten verhindern richtig? | |
Bild: Viele linke Hochschulgruppen wollen Rassismus, Sexismus, trans- und homop… | |
Berlin taz | Die tumultartigen Szenen im Hörsaal 6 der Universität | |
Magdeburg haben jetzt ein Nachspiel im sachsen-anhaltischen Landtag: Für | |
Freitag hat die AfD-Fraktion eine Aktuelle Debatte zum Thema | |
„Linksextremismus im politischen Diskurs“ beantragt. In der Begründung | |
heißt es: „Der politische Diskurs wird zunehmend vom Linksextremismus | |
beherrscht, was eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich macht.“ | |
Hintergrund: Am 12. Januar hatten rund 400 Studierende den Vortrag des | |
Biologen Gerald Wolf verhindert, der von der AfD-Hochschulgruppe Campus | |
Alternative Magdeburg eingeladen worden war. | |
Viele Abgeordnete halten die Ansicht, an der Hochschule dominiere immer | |
stärker Linksextremismus die Debatten, für absurd. „Wenn etwas zunehmend | |
diskutiert wird, dann sind es doch rechte oder rechtsextreme Positionen“, | |
sagt Falko Grube der taz. Der Politikwissenschaftler steht im Landtag für | |
die SPD-Fraktion auf der Rednerliste. Er hat an der Universität Magdeburg | |
promoviert – eben da, wo die AfD „Ausgrenzung und Gewalt gegenüber | |
unliebsamen Positionen, Parteien und Mandatsträgern“ festgestellt hat. | |
Der Protest im Januar richtete sich gegen die AfD-Veranstaltung „Gender an | |
der Uni!?“. Der Flyer der AfD-Hochschulgruppe bezeichnete | |
„Gendermainstreaming“ als geselligen „Zeitvertreib für Leute ohne | |
Probleme“. Der Vortrag des Biologen Wolf sollte wissenschaftlich belegen, | |
dass es einen biologischen Unterschied zwischen „männlichen“ und | |
„weiblichen“ Gehirnen gibt. | |
Was viele KommilitonInnen mindestens genauso störte: André Poggenburg, | |
AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzender, der auf Twitter immer wieder eine | |
Verbindung zwischen Flüchtlingen und Terrorgefahr herstellt, sollte das | |
Grußwort halten. | |
## Neue Anhänger unter den Studierenden | |
Mit der Debatte im Landtag erhofft sich die AfD offenbar, neue Anhänger | |
unter den Studierenden zu mobilisieren. Jan Schmidt, Landeschef der | |
Parteijugend Junge Alternative auf Facebook: „Wir werden natürlich mit der | |
Campus Alternative Magdeburg wieder an die Uni zurückkehren und unsere | |
Veranstaltung durchsetzen.“ | |
Auch an anderen Hochschulen im Land sollen neue AfD-Gruppen bald eine | |
alternative Hochschulpolitik anbieten – unter anderem gegen den | |
„Genderwahn“ am Campus. Wie leicht sich linke Studierende durch die AfD | |
provozieren lassen, sah man an jenem Tag in Magdeburg: Da hatte der | |
Studierendenrat kurzerhand zu einer Gegenveranstaltung mit der | |
Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule eingeladen – im selben Raum, | |
unmittelbar vor der AfD-Veranstaltung. Alle blieben wie abgemacht sitzen. | |
Auf zahlreichen Videos im Netz kann man sehen, wie der Protest eskaliert, | |
wie von beiden Seiten Gewalt ausgeht. | |
Als Poggenburg zu reden beginnt, kommt es zum Handgemenge, jemand schlägt | |
Professor Wolf ein Gehirnmodell aus der Hand, ein Böller explodiert. | |
Zuletzt verlassen die AfD-Leute unter Beifall den Hörsaal. | |
Was linke Hochschulgruppen als Zivilcourage gegen rechts feiern, stößt bei | |
Hochschulleiter Jens Strackeljan auf Entsetzen. „Gewalt gegen Personen und | |
Sachen ist absolut nicht tolerabel“, sagte er im MDR. Die AfD mit 24 | |
Prozent der Wählerstimmen in Sachsen-Anhalt stelle eine große | |
gesellschaftliche Frage, sagte er. Diese Frage im Dialog zu beantworten – | |
auch bei völlig unterschiedlichen Positionen – sei die Aufgabe von | |
Universitäten. | |
## Welches Erbe? | |
Aktive AfD-Hochschulgruppen gibt es bereits an mehreren Unis. In vier | |
Fällen sitzen AfDler schon im Studierendenparlament und machen selbst | |
Hochschulpolitik. | |
Am Tag nach den Tumulten sprach AfD-Fraktionschef Poggenburg vom | |
problematischen „Erbe jahrzehntelanger linker Ideologisierung der | |
Hochschulen“. Sie erinnerten ihn an eine „prügelnde und pöbelnde | |
Studenten-SA, die 1933 jüdische und politisch andersdenkende Professoren | |
aus den Hörsälen vertrieb“, schrieb er. Knapp eine Woche später stellte | |
Poggenburg Strafanzeige – unter anderem wegen versuchter gefährlicher | |
Körperverletzung. | |
Er reichte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Dekan der Fakultät für | |
Humanwissenschaften, Michael Dick, ein, der die Proteste begrüßt haben soll | |
– was der zurückweist. Er habe allein die Haltung der Studierenden gelobt, | |
die sich gegen die Instrumentalisierung der Universität zur Wehr setzen | |
wollten. Für Dick sei klar, dass die Veranstaltung nicht der | |
wissenschaftlichen Erkenntnis, sondern parteipolitischen Zielen diente. | |
Ähnlich sieht es auch Cornelia Lüddemann. Die Fraktionsvorsitzende der | |
Grünen will der „Opferinszenierung“ der AfD bei der Debatte im Landtag | |
entgegentreten. Die Hochschule zur Verbreitung politischer Propaganda zu | |
nutzen, sei unzulässig, sagt sie: „Noch dazu vermengt mit kruden, | |
wissenschaftlich nicht fundierten, menschenverletzenden Thesen. Wer | |
Meinungsfreiheit propagiert, muss auch die Gegenmeinung zulassen und | |
aushalten.“ | |
## Hassmails und Morddrohungen | |
Wie schwer das manchen offenbar fällt, zeigen die Hassmails und | |
Morddrohungen, die Rektor Strackeljan und Dekan Dick inzwischen erhalten | |
haben. Um die Sicherheit zu gewährleisten, hat der Hochschulsenat neue | |
Regeln erlassen: Wer künftig einen Raum haben will, muss über Inhalt, | |
Format und Teilnehmerkreis der geplanten Veranstaltungen informieren. | |
Wie aber geht man mit AfD-Hochschulgruppen um? Hochschulvertreter erklären, | |
man werde auch ungeliebte Meinungen nicht unterdrücken. Viele linke | |
Hochschulgruppen hingegen wollen Rassismus, Sexismus, trans- und homophobe | |
Hetze verhindern – notfalls mit Gewalt. Dekan Dick spricht von einem | |
Dilemma. Grünen-Politikerin Lüddemann verteidigt hingegen den Protest: | |
„Deutschland hat einmal erlebt, dass eine Demokratie auch mit | |
demokratischen Mitteln abgeschafft werden kann. Das werden wir kein zweites | |
Mal zulassen!“ | |
2 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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