# taz.de -- Sozialbetrug wird untersucht: Eigennütziger Familienverein | |
> Die Familie des Bremer Parlamentariers Patrick Öztürk soll gewerbsmäßigen | |
> Betrug in Bremerhaven organisiert haben. Der Untersuchungsausschuss | |
> beginnt. | |
Bild: Kassiert noch immer Bürgerschafts-Diäten: Patrick Öztürk | |
BREMEN taz | Nicht nur gegen den Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Patrick | |
Öztürk (SPD) und seinen Vater, sondern auch gegen Öztürks Bruder wird wegen | |
Sozialbetrugs in Bremerhaven ermittelt. Das bestätigte die | |
Staatsanwaltschaft Bremen der taz. Beim vierten Beschuldigten handelt es | |
sich um einen Dolmetscher. Wann das Verfahren wegen des Verdachts auf | |
Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug eröffnet wird, ist unklar. Am heutigen | |
Dienstag beginnt der parlamentarische Untersuchungsausschuss „zur | |
Aufarbeitung des organisierten Sozialleistungsbetruges in Bremerhaven“. | |
Die vier Beschuldigten sollen BulgarInnen und GriechInnen dabei unterstützt | |
haben, „betrügerisch Sozialleistungen zu erwirken“, wie Frank Passade, | |
Sprecher der Staatsanwaltschaft, sagte. Dazu, so der Vorwurf, haben sie | |
über zwei vermeintlich gemeinnützige Vereine die Betroffenen mit | |
Scheinarbeitsverträgen ausgestattet, sodass diese anschließend als | |
Arbeitslose staatliche Unterstützung beziehen konnten. Auch gegen sie wird | |
ermittelt. Es handelt sich laut Passade um 892 Personen. Das Bremerhavener | |
Jobcenter soll dabei um mehrere Hunderttausend Euro betrogen worden sein. | |
Im Ausschuss soll der organisierte Sozialleistungsbetrug politisch | |
aufgearbeitet werden. In der heutigen ersten Sitzung befragt der Ausschuss | |
der Bürgerschaft Klaus Rosche (SPD), den Bremerhavener Dezernenten für | |
Soziales, Jugend und Familie. | |
## Ein langer Fragenkatalog | |
Rosche kann sich auf bis zu 70 Fragen allein durch den | |
Ausschussvorsitzenden Nelson Janßen (Die Linke) einstellen. Im Fokus steht, | |
welche Rolle die Vereine der Öztürks beim mutmaßlichen Sozialbetrug | |
gespielt haben, ob es auch reale Arbeitsverhältnisse gegeben hat und wie | |
die Behörden versagt haben. | |
„Warum gab es keine politische Kontrollebene? Wo hat das System versagt | |
oder war lückenhaft? Zu welchen Bedingungen waren die Menschen eigentlich | |
untergebracht?“, fragte Janßen bereits im Dezember im taz-Interview. Ebenso | |
ist laut Janßen zu untersuchen, seit wann es Hinweise auf den mutmaßlichen | |
Betrug gegeben hat. | |
Der Untersuchungszeitraum reicht bis ins Jahr 2013 zurück. Seitdem ist die | |
EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft. „Vermutlich sind die betroffenen | |
Menschen aus Notlage in ein ausbeuterisches System gelangt“, sagt Janßen. | |
Viele der Betroffenen sollen in Bremerhaven in Schrottimmobilien gewohnt | |
haben, teilweise sollen bis zu 60 Personen an einer Adresse gemeldet | |
gewesen sein, so Janßen. Auch Patrick Öztürk soll eine solche Immobilie | |
vermietet haben. | |
Dieser ist nach langem Zögern aus der SPD-Fraktion ausgetreten, nimmt aber | |
weiterhin sein über die Liste der Partei errungenes Mandat wahr. Gegen ihn | |
läuft ein Parteiordnungsverfahren. | |
## Akten waren Verschlusssache | |
Zu Anträgen auf Sozialhilfe und deren Bewilligung befragt der | |
Untersuchungsausschuss am Freitag Friedrich-Wilhelm Gruhl, den | |
Geschäftsführer des Jobcenters Bremerhaven. | |
Bereits im Vorfeld des Untersuchungsausschuss ist es zu einem Konflikt | |
zwischen Bundesarbeitsagentur, Jobcenter und dem parlamentarischen | |
Kontrollgremium gekommen. Die Bundesagentur hatte betroffene | |
Jobcenter-Leistungsakten als Verschlusssache eingestuft und damit die | |
parlamentarische Aufklärungsarbeit deutlich erschwert. Der | |
Untersuchungsausschuss hatte sich über die Einstufung der Akten erfolgreich | |
öffentlich beschwert. | |
Nach Medienberichten und der Beschwerde durch den Ausschuss ist von Seiten | |
des Jobcenter inzwischen die Rede von einem „Missverständnis“. Die | |
Dokumente unterliegen nun den normalen Datenschutzvorgaben und können von | |
den ParlamentarierInnen und ihren MitarbeiterInnen regulär ausgewertet | |
werden. | |
Neben den behördlichen Anträgen soll ein weiterer Komplex des | |
Untersuchungsausschusses auch die humanitäre Situation der Betroffenen | |
behandeln. Dabei haben sich Berichte über eine katastrophale Lage der | |
Betroffenen – Unterernährung, Obdachlosigkeit, Zwangsprostitution – laut | |
Erkenntnissen und Nachforschungen von Sybille Böschen, der | |
stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Bremerhaven, nicht bestätigt. | |
17 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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