| # taz.de -- Ausschuss soll Sozialbetrug aufklären: Ahnungslos in Bremerhaven | |
| > Im Untersuchungsausschuss zum Sozialbetrug offenbart der Dezernent das | |
| > Ausmaß seiner Unkenntnis. Die Abgeordneten sind entsetzt. | |
| Bild: Bei der Staatsanwaltschaft Bremen läuft wegen mutmaßlicher „Beihilfe … | |
| Bremen taz | Keinerlei politische Konsequenzen hat Bremerhaven bislang aus | |
| dem Verdacht auf massenhaften gewerblichen Sozialleistungsbetrug gezogen. | |
| Das sagte der Sozialdezernent Klaus Rosche (SPD) in der ersten Sitzung des | |
| parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Er schob jegliche Verantwortung | |
| auf das Jobcenter Bremerhaven. Bei den Parlamentariern lösten Teile seiner | |
| Aussagen Entsetzen aus: „Der Magistrat fühlt sich anscheinend nicht | |
| zuständig, wenn massenhaft Sozialbetrug geschieht. Das ist schon krass“, | |
| sagte der Ausschussvorsitzende Nelson Janßen (Die Linke). Sein | |
| Stellvertreter Thomas von Bruch (CDU) sagte: „Ich bin entsetzt über das | |
| Ausmaß der Ahnungslosigkeit.“ | |
| Der Untersuchungsausschuss soll den massenhaften und mutmaßlich gewerblich | |
| organisierten Sozialbetrug in Bremerhaven aufklären. Die Staatsanwaltschaft | |
| Bremen ermittelt gegen den Bürgerschaftsabgeordneten Patrick Öztürk, dessen | |
| Vater und Bruder sowie einen Dolmetscher. Sie sollen über Vereine | |
| EU-BürgerInnen mit Scheinarbeitsverträgen ausgestattet, ihnen | |
| Schrottimmobilien vermietet und so ein Ausbeutungssystem geschaffen haben. | |
| Der mangelnde Aufklärungswille des Sozialdezernenten sei „unglaublich“, | |
| sagte von Bruch, „da wurden Hunderttausende an öffentlichen Geldern in den | |
| Sand gesetzt“. | |
| Rosche ist seit 2011 politisch verantwortlich für Soziales, Jugend und den | |
| kommunalen Arbeitsmarkt in Bremerhaven. Er war der einzige Befragte in der | |
| ersten öffentlichen Sitzung der Beweisaufnahme. In der Befragung wies | |
| Rosche jegliche Schuld von sich. Sein Mantra: „Ich bin dafür nicht | |
| zuständig. Wir haben uns an die Gesetze gehalten.“ | |
| ## Kein Anlass zum Handeln | |
| Dabei gibt es bereits seit spätestens 2013 Hinweise darauf, dass „unseriöse | |
| Berater beim Ausfüllen von Anträgen“ geholfen haben sollen. So steht es in | |
| einem Protokoll der Arbeitsgemeinschaft „neue EU-Bürgerinnen“, der Rosche | |
| als Sozialdezernent vorsaß und der auch Bundesarbeitsagentur, Zoll, die | |
| Arbeiterwohlfahrt und Jobcenter angehören. Auch von Scheinarbeitsverträgen | |
| war damals bereits die Rede. Ebenso bekam Rosche im Januar 2014 eine E-Mail | |
| vom Chef des Jobcenters, Friedrich-Wilhelm Gruhl, aus der bereits | |
| hervorging, dass die später beschuldigten Vereine Geld für | |
| Beratungsleistungen nehmen und fragwürdige Quittungen und Abrechnungen | |
| ausstellen. | |
| Anlass zum Handeln bestand aus Sicht des Sozialdezernenten trotzdem nicht. | |
| Schließlich habe es nichts Handfestes gegeben und „Gerüchte gab es schon | |
| länger“, so Rosche. Die E-Mail hatte er zwei Jahre vor der ersten | |
| Hausdurchsuchung bei den Beschuldigten bekommen. | |
| Der Ausschussvorsitzende Janßen kritisiert, dass nicht damals schon | |
| gehandelt wurde. Rosche erstattete erst im Juni 2015 Anzeige bei der | |
| Polizei, zwei Monate später erstattet auch Jobcenter-Chef Gruhl Anzeige. | |
| ## Beziehung zu Patrick Öztürk | |
| Weitere Fragen der Parlamentarier betrafen Rosches Verhältnis zu seinem | |
| Nochparteikollegen Öztürk. Wie gut er den Beschuldigten kenne, fragte von | |
| Bruch eingangs. Rosche sagte, dass er ihn persönlich nicht näher kenne und | |
| nur in der Sozialdeputation treffe. | |
| Im Laufe der Befragung räumte er jedoch weitere Treffen ein: Einmal wollte | |
| Rosche von Öztürk wissen, warum die „Beratung“ seines Vereins Geld kostet… | |
| obwohl die AWO eine unentgeltliche Beratung auf Bulgarisch anbiete. Er habe | |
| darauf gedrängt, die Kunden der AWO zu geben. Zuletzt habe er Öztürk im | |
| Juni 2016 gesehen, bei einem Treffen der Bremerhavener SPD, in dem es um | |
| den Umgang mit der Vorwürfen gegen Öztürk gegangen sei. | |
| Kurz darauf nahm die Staatsanwaltschaft offiziell Ermittlungen gegen | |
| Patrick Öztürk auf. Öztürk trat aus der SPD-Fraktion aus, sitzt aber noch | |
| in der Bürgerschaft. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn läuft derzeit. | |
| 17 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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