Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Minority Report: Penis Power Talk
> Warum Björn Höcke kein Bastard und kein Hurensohn ist und was wir von den
> Women Marches in den USA lernen können.
Bild: „Ich hatte Gänsehaut, als ich mir am Wochenende die Videos der Women M…
Ich hatte diesen Geschichtslehrer, ab der sechsten oder so. Bei jedem
Elternsprechtag erzählte er, ich würde mich „respektlos“ verhalten. Dieser
Typ war im Unterricht der größte Nazi. Er ließ keine Chance aus,
Migrantenkinder zu beleidigen, vor allem Mädchen vor der Klasse
bloßzustellen und subjektive Noten zu verteilen. Aber sobald
Elternsprechtag war, wusste er genau, wie er mit türkischen Eltern zu
sprechen hatte. Er wusste von der Wirkmacht des „Respekt“-Dings, ein
besseres Wort gab es einfach nicht, um mir zu Hause auch noch die Hölle
heiß zu machen.
Björn Höcke ist auch Geschichtslehrer. Und seit der Dresdner Rede von
letzter Woche habe ich den Impuls, Björn Höcke einen Hurensohn zu nennen.
Ich weiß, das geht natürlich nicht, es ist falsch. Ich fühle mich so
hilflos. Denn dass das stärkste Schimpfwort, dass ich einem Nazi
entgegenkeifen möchte, eines ist, das Frauen und insbesondere
Sexarbeiter*innen abwertet, sagt viel über unsere Welt aus.
Eine Welt, in der der ekelhafteste, gruseligste, einfältigste Mann, der
herumläuft, ins Präsidentenamt der USA eingeführt wird. Ich schwöre, ich
hatte Gänsehaut, als ich mir am Wochenende die Videos von den
Straßenprotesten und Women Marches in den USA und überall auf der Welt
reingezogen habe. Gleichzeitig aber ist es schon verblüffend, dass erst zur
Amtseinführung von Trump, erst als die Sache schon längst verloren und
official ist, ein Ruck durch die Bevölkerung geht.
Wahrscheinlich hat es keiner geglaubt, auch nach den Wahlen nicht, dass
dieser keifende, gewalttätige, frauenverachtende, rassistische Typ, dessen
inhaltliche Argumente gegen kritische Journalistinnen lauten, sie hätten
ihre Tage, und gegen Hillary Clinton, sie sei eine sexuell unerfolgreiche
ergo politisch unerfolgreiche Frau, ins Weiße Haus zieht. Aber es ist
passiert. Und es ist gut, dass wir uns nicht damit abfinden wollen – selbst
wenn es ein paar Monate zu spät ist.
## Ein folgenreicher Schwanzvergleich
Am selben Wochenende gab es neben der „Open your heart to patriotism“-Rede
von Trump übrigens noch einen anderen Katastrophenauftritt. In Istanbul
wurde die Verlängerung der Metrolinie M4 eröffnet, vom Präsidenten himself.
Und was macht Mann als Besucher einer Metrolinien-Eröffnung? Genau: Mann
fordert lauthals die Einführung der Todesstrafe. Erdoğan nickt ab, der
Wille des Volkes stehe schließlich über dem, was „Hans“ und „George“
forderten.
Was ist bloß los mit diesen Männern? Glorifizierung des Dritten Reichs,
Beschwörung des Militärs, Rückkehr eines mittelalterlichen Justizsystems?
Das Weltgeschehen ist nicht mehr als ein lächerlicher, infantiler
Schwanzvergleich. Leider aber auch ein folgenreicher. Deshalb bringt es
wenig, die AfD wegzuignorieren oder wegzudissen, bis die Realität uns bei
den Bundestagswahlen schneller einholt, als Trump seine
Schönheitsköniginnen begrapschen kann.
Machen wir unsere Hausaufgaben also jetzt, bevor es zu spät ist, und
stimmen wir nicht in diesen Penis Power Talk mit ein. Also noch mal: Björn
Höcke ist weder ein Hurensohn noch ein Bastard. Aber nur weil wir diese
Worte nicht mehr benutzen sollten.
23 Jan 2017
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Frauen
Feminismus
Protest
Björn Höcke
Recep Tayyip Erdoğan
Donald Trump
Penis
Pressefreiheit in der Türkei
Literatur
Schwerpunkt AfD
Alt-Right-Bewegung
Schwerpunkt AfD
taz.gazete
Schwerpunkt USA unter Trump
Björn Höcke
Björn Höcke
Minority Report
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Minority Report: Das schönste Wort der Welt
Kurz vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei schreit die halbe Welt
„hayır“ (nein). Wie lautete die Frage nochmal?
Kolumne Minority Report: Herr Auster, was sagt Ihre Schwester?
Ich habe gerade ein Buch geschrieben. Meine Eltern sind zwar keine
Literaturkritiker. Und trotzdem wollen alle ihre Meinung wissen.
Kommentar Rechtsextreme AfD-Mitglieder: Alternative für Diabolisches
Björn Höcke sollte unbedingt Mitglied der AfD bleiben. Er verhindert, dass
sie sich als rechtskonservative, bürgerliche Partei positionieren kann.
Nach Angriff auf Alt-Right-Führer Spencer: „… Nazis auf die Fresse hauen“
Das Gesicht der Alt-Right-Bewegung wurde von einem Demonstranten
geschlagen. Richard Spencer mobilisiert nun zur Selbstverteidigung.
Umgang der AfD mit Björn Höcke: Als Buße nur „Ordnungsmaßnahmen“
Co-Parteichefin Petry konnte sich offensichtlich nicht durchsetzen. Björn
Höcke darf AfD-Mitglied bleiben. Das beschloss der Parteivorstand in einer
Telefonkonferenz.
Ausnahmezustand im Kurdengebiet: Am Abgrund sitzen
Lehrer suspendiert, Frauenorganisationen dicht gemacht, Kommunen
zwangsverwaltet: Wie der türkische Staat die Kurden unterdrückt.
Kolumne Macht: An der Seite Donald Trumps
Machtwechsel in den USA: Wer auf der Seite der Demokratie bleiben will,
muss jetzt an Donald Trumps Seite stehen.
Björn Höcke und das Holocaust-Mahnmal: Geschichtsrevisionisten der Mitte
Rudolf Augstein kritisierte das Mahnmal schon 1998 – in Worten, die denen
Höckes ähneln. Schon damals fanden viele das Erinnern unbequem.
Kolumne Mittelalter: Das Höcke-Holm-Gefühl
Stolz sein auf Deutschland, stolz sein auf Berlin? Sich auf Dinge etwas
einzubilden, zu denen man nichts beigetragen hat, geht nie gut aus.
Kolumne Minority Report: Der Elefant ist kein Rassist!
Fühle ich mich angegriffen oder argumentativ in die Ecke gedrängt, packe
ich die Rassismuskeule aus. Aber jetzt ist Schluss damit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.