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# taz.de -- Kolumne Minority Report: Der Elefant ist kein Rassist!
> Fühle ich mich angegriffen oder argumentativ in die Ecke gedrängt, packe
> ich die Rassismuskeule aus. Aber jetzt ist Schluss damit.
Bild: All die Jahre war dieser Elefant im Raum, und ich nannte ihn aus einer La…
Hallo. Mein Name ist Fatma Aydemir und ich habe ein Geheimnis: Ich werfe
Menschen Rassismus vor. Wahllos und willkürlich. Dabei mache ich weder Halt
vor Kolleg*innen, die mich morgens nett lächelnd grüßen, noch vor
Freund*innen, auf deren Sofas ich seit Jahren chillen darf. Ich habe kein
Erbarmen. Ich tue es einfach.
An der Rewe-Kasse, auf dem Bürgeramt. Fühle ich mich angegriffen oder
argumentativ in die Ecke gedrängt, zack, packe ich sie aus, die
Rassismuskeule, und schon ist die Welt eine bessere. Denn: Ich. Bin. Im.
Recht.
Okay. Mir ist schon klar, dass es kein Geheimnis mehr ist, wenn ich es in
eine überregionale Tageszeitung schreibe. Aber ich habe den leisen
Verdacht, dass es sich nie wirklich um ein Geheimnis gehandelt hat. Also
für alle, außer mir.
Mal ehrlich, haben Sie eben, als Sie meinen Namen gelesen haben, nicht
gedacht: „So so, wieder eine dieser taz-Autor*innen, die alle Vorzüge des
deutschen Rechtsstaats genossen haben, nur um uns alle hinterher als Nazis
zu beschimpfen“? Eben. Das war mein erster Kolumnenentwurf: „Alles Nazis“.
Dabei kann ich froh sein, dass ich nicht schon mit 13 an einen anatolischen
Hirten verkauft wurde. Danke, Grundgesetz.
Im Ernst: All die Jahre war dieser Elefant im Raum, und ich spürte ihn,
körperlich, und entschied einfach aus einer Laune heraus den Elefanten
Rassismus zu nennen. Doch wie mir gerade klar wird, ist der Elefant gar
kein Rassist. Der Elefant bin ich! Es gibt keinen Rassismus. Mir war
einfach nur langweilig.
Dabei hätte ich es ja ahnen können, ablesen an all den Reaktionen, die ich
bekam, wenn ich jemanden mit meinem völlig aus der Luft gegriffenen
Verdacht konfrontierte: Augenrollen. Entnervtes Seufzen. Aufzählen aller
Antirassimusprojekte und Namen von Kanaken, die man kennt, und die einen
gar nicht für einen Rassisten halten.
## Eine demokratisch legitimierte Partei
Ali vom Friseursalon. Die Frau, die abends das Büro putzt. Man unterhält
sich doch voll oft mit ihr, und man liest doch seit zwanzig Jahren Adorno.
Nein nein, Fatma. Ein echter Rassist würde das niemals tun. Ich übertreibe.
Hitler ist tot.
Sogar Winfried Kretschmann meint, dass wir es mit der Political Correctness
nicht übertreiben dürfen. Die „Tagesschau“ hat zudem beschlossen, den
Zusatz „rechtspopulistisch“ nicht mehr zu nennen, wenn von der AfD die Rede
ist. Man müsse lernen, die AfD als eine „demokratisch legitimierte Partei
zu behandeln“. Das ist gut. Ich fange gleich jetzt damit an.
Die AfD ist eine demokratisch legitimierte Partei, folglich keine
rechtspopulistische. Es gibt Menschen, die mit mir befreundet sein oder mit
mir arbeiten oder sprechen wollen. Folglich erfahre ich keinen Rassismus.
Geht doch. War gar nicht so schwer.
Aber ich weiß, das reicht nicht. Ich habe ein ernstes Rassismusproblem.
Daran muss ich arbeiten. Ich muss lernen, dass es nichts mit Rassismus zu
tun hat, dass ich jedes Mal, wenn ich meine Meinung äußere, gesagt bekomme,
ich sei aggressiv. Oder unsachlich. Oder schlecht informiert.
Ich war halt wirklich schlecht informiert. Ich dachte, es gäbe Rassismus.
Aber das stimmt nicht. Und überhaupt, wenn hier einer Rassist ist, dann bin
das wohl ich.
21 Nov 2016
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Minority Report
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