Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Herbstzeitlos: Geht doch zurück ins Psycho-Stahlbad
> Die AfD will alle Fortschritte beim Schutz homosexueller Jugendlicher
> wieder kassieren. Damit nimmt sie unglückliche Kinder billigend in Kauf.
Bild: Junge küsst Junge und Mädchen knutscht Mädchen? Nix für die AfD
Homosexuelle Normalbiografie geht traditionell so: Jungem Menschen schwant,
dass er irgendwie anders ist als die Anderen. Er versucht krampfhaft, so
wie die Anderen zu sein, was in der Regel nicht gelingt. Nach Quälerei von
außen (oft merken die Anderen das mit dem Anderssein ja viel schneller) und
von innen (Schuld und Scham) kommt das „Coming-out“ oder die Selbsttötung
(die Suizidalität homosexueller Jugendlicher ist fünfmal so hoch wie die
anderer Jugendlicher). Überlebt der Homosexuelle dieses Psycho-Stahlbad, so
ist er – rundum durchtraumatisiert – frei, den Rest seines Lebens zu
genießen.
So war das früher und ist es oft heute noch – und so soll es auch bleiben,
wenn es nach der AfD geht. Oder wieder werden, schließlich hat es ja seit
1968 durchaus Fortschritte gegeben. In den letzten zehn Jahren auch die
verstärkte Bestrebung, Kinder und Jugendliche in der Schule darüber
aufzuklären, dass es neben Heterosexualität auch andere Spielarten gibt.
Mit dem ausdrücklichen Ziel, die Selbsttötungsrate homosexueller
Jugendlicher zu senken.
Die AfD hat da anderes im Sinn. In einem „präventiv“ gemeinten
„Positionspapier“ zum Sexualkundeunterricht soll nun „die Ehe zwischen Ma…
und Frau als primäres Lebensziel“ vermittelt werden – als wäre das je
anders gewesen in den Schulzimmern Deutschlands und der Welt. Nun heißt es
in der sogenannten Magdeburger Erklärung zu Frühsexualisierung wie folgt:
„Wir wenden uns dagegen, dass unsere Kinder in Schule und Kita mit scham-
und persönlichkeitsverletzenden Inhalten in Wort, Bild und Ton konfrontiert
werden.“ Da ist es wieder, das Horrorszenario der neuen Rechten:
Unschuldige Kinder sollen mithilfe von Dildos und Propagandavideos in die
Homosexualität gezwungen werden.
Es ist eine wirklich perfide Verdrehung des Anliegens, Kinder schützen zu
wollen. Der Versuch, auch der queeren Minderheit der Kinder – pro Klasse
sind es vielleicht zwei oder drei – ein gelungenes Leben zu ermöglichen,
ihnen schreckliche Verletzungen zu ersparen, wird umgedeutet in den Versuch
dieser Minderheit, der Mehrheit einen Schaden zuzufügen beziehungsweise
diese „umzuerziehen“.
Meine eigenen Sexualerziehung, es begab sich in den Siebzigern in einer
ländlich-katholischen Gegend, bestand darin, dass mir eine Schulfreundin
unter dem Föhn im Schwimmbad zuschrie, dass der Mann der Frau sein Ding
unten reinsteckt. Ähnlich aufklärend waren die Informationen, die man mir
über Homosexualität zukommen ließ, und ich kann insgesamt nur sagen, dass
dieser Weg, den ich gehen musste, von einer Steinigkeit war, die ich, hätte
ich Kinder, diesen unbedingt würde ersparen wollen.
Ich habe es überlebt, aber ich kann allen Eltern nur raten, sich im
Interesse ihrer Kinder gegen diese Politik zu stellen. Die AfD kämpft
dafür, dass Ihr Kind unglücklich wird, wenn es eine andere sexuelle
Orientierung oder Geschlechtsidentität hat. Dafür, dass Kinder, die anders
sind, es weiterhin besonders schwer haben. Und das von früh bis spät –
während Sie vielleicht noch gar nicht wissen, wie es um das Begehren Ihres
Kindes bestellt ist.
24 Nov 2016
## AUTOREN
Martin Reichert
## TAGS
Herbstzeitlos
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Aleppo
Homophobie
Rollt bei mir
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Rollt bei mir
Kolumne Habibitus
Lügenleser
Minority Report
Populismus
Schwerpunkt AfD
Critical Whiteness
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Herbstzeitlos: Die Discokugel steht still
Wenn Feiern nicht mehr hilft. Ein Jetzt-erst-recht-Besuch auf dem
Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz.
Kolumne Herbstzeitlos: An einem Vormittag in Tanger
Die Regierungstruppen haben Aleppo eingenommen. In Marokko geht alles
seinen gewohnten Gang. Ungerechtigkeit inklusive.
Straftaten gestiegen: Immer mehr Homophobie
Die Zahl der Straftaten gegen Schwule und Lesben steigt deutlich an.
Opposition und Verbände fordern mehr Engagement der Bundesregierung.
Kolumne Rollt bei mir: 50 Shades of Bodenbelag
Flirten? Vergiss es! Rollstuhlfahren macht einsam. Der Blick bleibt nämlich
immer auf den tückischen Untergrund fixiert.
Manipulationsvorwürfe bei AfD in NRW: Tricky Landesliste
Die AfD zeigt sich bei ihrer Landeswahlversammlung tief gespalten. Trotz
Vorwürfen wählt die rechtspopulistische Partei ihre Liste weiter.
Kommentar AfD-Anfragen: Mehr Hirn, weniger Häme!
Die AfD macht sich mit absurden Anfragen zum Obst – so jedenfalls möchten
das viele sehen. Dabei steckt dahinter eine kluge Taktik.
Kolumne Rollt bei mir: Zeigt her eure Barrierefreiheit!
Gibt's hier Cocktails mit Melonenscheibe? Ist ein Föhn im Bad? Egal.
RollstuhlfahrerInnen interessieren bei der Hotelbuchung ganz andere Dinge.
Kolumne Habibitus: Freche Almans & The City
Warum werden Durchschnittsdeutsche beim Anstehen eigentlich immer zu
solchen Haywans? Da helfen nur noch Kopfhörer.
Kolumne Lügenleser: Deutschland, du Kaninchen!
Genervt von Angela Merkels erneuter Kandidatur? Keine Sorge, es bleibt
spannend. Bald übernehmen die Maschinen das Diskutieren.
Kolumne Minority Report: Der Elefant ist kein Rassist!
Fühle ich mich angegriffen oder argumentativ in die Ecke gedrängt, packe
ich die Rassismuskeule aus. Aber jetzt ist Schluss damit.
Kolumne Mittelalter: Einmal eine neue Gegenwart, bitte!
Wer darf warum nicht wählen? Was machen wir mit all diesen tausend
Identitäten? Und ist heiß duschen etwa schon Populismus?
Rechtspopulisten gegen sexuelle Vielfalt: Vater, Mutter, Kind und AfD
In einem neuen Positionspapier lässt die AfD nur die Ehe zwischen Mann und
Frau gelten. Der Lesben- und Schwulenverband warnt vor Diffamierung.
Kolumne Herbstzeitlos: Die Puppe aus der Bauchtanzgruppe
Kulturelle Aneignung? Nein, es ist nicht schlimm, wenn sich
bewegungseingeschränkte deutsche Frauen orientalischen Tanztechniken
zuwenden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.