| # taz.de -- Kolumne Minority Report: Er tat nur seine Pflicht | |
| > Günther Oettinger faselt von der „Pflichthomoehe“. Wäre es nicht voll | |
| > progressiv, wenn Heteros sich mit Homos verheiraten müssten? | |
| Bild: Es gibt wohl nichts Deutscheres, als sich eine Stulle zu schmieren | |
| Früher in der Schule haben wir immer dieses Spiel gespielt. Es hieß: Was | |
| ist das hässlichste deutsche Wort? | |
| Die Pol*innen fanden „Flugzeug“ schrecklich, generell wegen des Ausdrucks | |
| „Zeug“, glaube ich. | |
| Russ*innen mussten bei „Butterbrot“ kotzen, das als Germanismus in die | |
| russische Sprache eingegangen ist, weil es wohl nichts Deutscheres gibt, | |
| als sich eine Stulle zu schmieren. | |
| Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, was meine häufigste Antwort auf | |
| die Frage war. Aber würde man mich heute fragen, würde ich sagen: | |
| „Pflicht“. | |
| Erstens aus rein ästhetischen Gründen, weil ich glaube, dass kein Wort der | |
| Welt mit drei aufeinanderfolgenden Konsonanten beginnen sollte. (Sorry, | |
| Hrvatska!) Aber auch weil die Beibehaltung von Wörtern dieser Abart ganz | |
| klar die Integration hemmt. | |
| ## Logopädenpflicht | |
| Sie wollen nicht wissen, wie viele türkische Kinder zum Logopäden geschickt | |
| werden, um „Strumpf“ und „Straße“ aussprechen zu lernen. Mit Ihren | |
| Steuergeldern! Nehmen wir mal an, die syrischen Kids können das auch nicht | |
| auf Anhieb, rechnen Sie das mal hoch. | |
| Und dann sind da noch die Kompositionsbildungen, die erst den wahren | |
| Pflichtenfaschismus offenbaren: Pflichtenheft, Pflichtfelder, Wehrpflicht, | |
| Haftpflichtversicherung, Schweinefleischpflicht. Und: Wahrheit oder | |
| Pflicht! | |
| Wer bitte schön sind diese Menschen, die lieber hirnlose Klingelstreiche | |
| machen, als von ihren intimsten Sehnsüchten zu erzählen? Not my friends. | |
| Nun gibt es seit dem Wochenende eine neue Wortzusammensetzung, die meinen | |
| gesamten Pflichtenhass für einen Moment infrage stellte: In seiner | |
| Hamburger Rede am Wochenende sprach Günther Oettinger nämlich von der | |
| Einführung der „Pflichthomoehe“. | |
| Pflichthomoehe! Voll progressiv, dachte ich, und habe direkt Blumen und | |
| einen Cockring besorgt, um meinem Lieblingshomo einen Antrag zu machen. Der | |
| meinte aber, nee, kein Bock, und außerdem hieße das nicht, dass Heteros mit | |
| Homos, sondern dass Pflichthomos einander heiraten sollen. | |
| ## Pflüchtling | |
| Ich bin verwirrt. Also die, die ihrer Pflicht nachgehen, patriarchale | |
| Familienstrukturen aufzubrechen, sollen in die Pflicht genommen werden? | |
| Oder sollen sich die Homos, die von großen Unternehmen und Parteien | |
| eingestellt werden, weil diese sich der Diversität verpflichten, vom | |
| Darkroom-Lotterleben verabschieden? | |
| Beides langweilig. Zumal ich glaube, es könnte viel dienlicher sein, jeden | |
| Pflüchtling, entschuldigen Sie, Flüchtling mit einem deutschen Homo zu | |
| verheiraten. Zwecks Aufenthalt, also schöner wohnen, aber auch wegen | |
| Integration und so. Weil bei denen zu Hause wurden Lesben und Schwulen ja | |
| bekanntlich… Sie wissen schon. | |
| Jedenfalls musste ich Oettinger erst mal googeln, um zu erfahren, dass er | |
| gar kein Pennerbier braut, sondern 2005 zum „Sprachsünder“ des Jahres | |
| gewählt wurde. Und dass er in der oben genannten Hamburger Rede auch | |
| Chinesen als „Schlitzaugen“ bezeichnete. | |
| Das wirft jetzt ein ganz anderes Licht auf die ganze Sache. Und auch auf | |
| die Annahme, dass es nichts Deutscheres gibt als das Butterbrot. Denn da | |
| ist noch Oettis Pflichtbewusstsein. Und der Satz: „Ich tat nur meine | |
| Pflicht.“ | |
| 30 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Fatma Aydemir | |
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