| # taz.de -- Kolumne Mittelalter: Das Höcke-Holm-Gefühl | |
| > Stolz sein auf Deutschland, stolz sein auf Berlin? Sich auf Dinge etwas | |
| > einzubilden, zu denen man nichts beigetragen hat, geht nie gut aus. | |
| Bild: Björn Höcke ist mal wieder stolz | |
| Als im vergangenen September in Berlin eine rot-rot-grüne Mehrheit an die | |
| Macht gewählt wurde, da hatte ich meinen Björn-Höcke-Moment. Ich war wie | |
| der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzender auf etwas stolz, zu dem ich nichts | |
| beigetragen hatte, stolz wie Bolle auf mein ‚liebes Berlin‘ so wie Höcke in | |
| seiner [1][Dresdner Schande-Rede] sich schwitzig-stolz auf sein „liebes | |
| Deutschland“ zeigte, mitsamt seinen „großartigen Leistungen der | |
| Altvorderen“. | |
| Ob mein Stolz-ohne-eigene-Leistung als die Todsünde Superbia (Hochmut, | |
| Eitelkeit, Übermut) oder als Acedia (Faulheit, Feigheit, Ignoranz) gewertet | |
| werden soll, muss ich nicht entscheiden. Die Sünde ging jedenfalls so weit, | |
| dass ich sogar einen Post auf Facebook absetzte, um insbesondere meinen | |
| italienischen Freunden mitzuteilen, dass ‚meine‘ Stadt eine andere, eine | |
| positive und mutigere Antwort auf die Herausforderung unserer Zeit gegeben | |
| hatte als die Heulsusen und verbalen Totschläger Höcke’scher Provenienz. | |
| Wenn ich noch so katholisch wäre, wie ich eigentlich bin, müsste ich jetzt | |
| sagen: Der Rücktritt des Berliner Stadtentwicklungsstaatssekretärs Andrej | |
| Holm geht auf mein Sündenkonto. Und ich bin dem Regierenden Bürgermeister | |
| von Berlin und allen anderen Beteiligten – insbesondere Holm selbst und | |
| noch insbesonderer der Partei Die Linke – sehr dankbar, dass sie meine | |
| Verfehlung zügig bestraft haben. | |
| ## Senat gleich Hausverwaltung | |
| Mit Holms Ausscheiden hat sich mein Stolz erledigt, und der Senat ist jetzt | |
| einfach wieder eine [2][mehr] oder [3][weniger] korrupte Instanz, gegenüber | |
| der ich keine wärmeren Gefühle haben muss als gegenüber meiner | |
| Hausverwaltung. | |
| Ich brauche ja keine Regierung, um einen zusätzlichen Zebrastreifen auf der | |
| Wilhelmstraße oder eine bessere finanzielle Ausstattung der Kita meiner | |
| Kinder durchzusetzen. Dafür fühle ich mich ganz neoliberal durchaus selbst | |
| zuständig und grundsätzlich auch dazu in der Lage – soweit dem | |
| zeitraubenden Engagement nicht irgendeine neue Netflix-Serie in die Quere | |
| kommt. | |
| Nein, was mich an Rot-Rot-Grün so in Versuchung gebracht hat, war die | |
| Hoffnung, in Berlin würde in den nächsten fünf Jahren Artikel 14 Absatz 2 | |
| GG – mein Gott, jetzt natürlich nicht irgendwie stalinistisch durchgezogen, | |
| aber halt schon wenigstens zart regulierend zum Einsatz kommen (für | |
| SPD-Mitglieder: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem | |
| Wohle der Allgemeinheit dienen.“). | |
| Ich persönlich brauche keine Zügelung der Betongold-Fraktion, ich bin sehr | |
| zufrieden mit meiner Hausverwaltung (sorry für vorhin!!!); und ich sorge | |
| mich auch nicht 24/7 um die Mieterstadt Berlin oder die ranzige | |
| Rigaer-Straßen-Szene. | |
| Ich möchte halt nur nicht in einer AfD-regierten Stadt leben. | |
| Und um das zu verhindern, werden ein paar Fahrradstreifen und Unisex-WCs, | |
| so nice sie sind, nicht reichen. Wenn Berlin liberal bleiben will, muss es | |
| linker werden – dazu muss die auch bei den [4][Wahlen 2016] katastrophal | |
| [5][niedrige Beteiligung der Armen] angehoben werden. Und die sind arm, | |
| aber nicht blöd – jedenfalls nicht so blöd wie Höcke oder ich. | |
| 19 Jan 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=vd-66MVkMis | |
| [2] http://www.tagesspiegel.de/berlin/wahlkampfspenden-der-spd-opposition-greif… | |
| [3] /!5332804/ | |
| [4] /!5342345/ | |
| [5] https://democracy.blog.wzb.eu/2016/09/27/ost-versus-west-arm-versus-reich-h… | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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