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# taz.de -- Bedrohte Häuser in Berlin-Kreuzberg: „Ihr kriegt uns hier nicht …
> In einem zum Verkauf stehenden Häuserkomplex ballen sich linke
> Institutionen. Die Ressourcen zum Widerstand gegen die Verdrängung sind
> groß.
Bild: Spontan zum Protestfoto: BewonerInnen und Nutzerinnen der Lausitzerstraß…
Berlin taz | Im Kreuzberger [1][Häuserkampf] bahnt sich der nächste Akt an,
womöglich ein entscheidender für die weitere Entwicklung des Bezirks. Die
Akteure der Aufführung stehen bereit: eine Immobilienfirma, die zwei Häuser
abstoßen will – mit einem Preisaufschlag von 600 Prozent; Makler und
Investoren, die durch die Höfe schleichen und sich gedanklich die geplanten
Luxuslofts ausmalen; die Bewohner- und Nutzerschaft, von denen viele in
links-alternativen Strukturen verwurzelt und zum Widerstand bereit sind.
Das Konfliktpotential zeichnet sich schon in der Toreinfahrt des
Gewerbegebäudes in der Lausitzer Straße 10 ab. Der Gang ist von
Protestplakaten und Stickern übersät, ein Sammelsurium aus Schildern
verweist auf die Mieter, darunter das [2][Antifaschistische Pressearchiv
und Bildungszentrum (apabiz)] oder die linke Dokumentarfilmproduktion
Autofocus Videowerkstatt. Hinzu kommen das Aktivistennetzwerk
[3][Peng-Kollektiv], die Videofilmer von [4][Leftvision], sowie
Medienmacher, Künstler, Politaktivisten in großen Bürogemeinschaften. Das
widerständige Kreuzberg – hier hat es noch ein Zuhause.
Doch das Biotop, das sich über fünf Hinterhöfe erstreckt, zwei davon hinter
dem ebenfalls betroffenen Wohnhaus in der Nummer 11, könnte bald Geschichte
sein. Die Mietverträge nahezu aller Initiativen laufen in diesem Jahr aus
oder sind kurzfristig kündbar. Für die dänische Besitzerfirma Taekker ein
gutes Verkaufsargument.
Vor zehn Jahren erwarb sie die einst bezirkseigenen Häuser für etwa drei
Millionen Euro vom landeseigenen Liegenschaftsfonds. Laut einem der taz
vorliegenden Exposé des Maklerbüros Engel & Völkers wird für die ehemalige
Glasfabrik nun ein Preis von 18 Millionen Euro veranschlagt, noch einmal
fast anderthalb Millionen für das unsanierte Mietshaus mit sechs Wohnungen.
## Spontaner Protest
Zwei Stunden vorm großen Haus-Plenum am Dienstagabend wird es laut im
Hofdurchgang. „Lause bleibt“ schallt es auf die Straße hinaus. Zum
spontanen Fototermin sind mehr als 40 Leute mit Plakaten gegen
Zwangsräumungen und dem passenden Transparent gekommen. Auf einem Schild
steht auf türkisch: „Fass' mich nicht an“.
Einer der lautesten ist Hermann vom „[5][Umbruch Bildarchiv]“. Der Mann mit
den markanten grauen Locken ist zuversichtlich: „Wir können einen Punkt für
Kreuzberg setzen, anderen bedrohten Projekten Mut machen.“ Wie viele hier,
versteht er sich als Aktivist und will seinen Nachnamen nicht nennen.
Stattdessen erzählt er gern davon, mit welchen Strategien die Autonomen in
den 1980er Jahren erfolgreich waren. Bei ihrem Treffen am Abend beschließen
die Betroffenen die Gründung von AGs für Presse, Kampagne oder
Politikkontakte. Auch zum Verein wollen sie sich zusammenschließen.
Durch ein zufällig belauschtes Gespräch eines Maklers mit einem
Interessenten hatten die Nutzer Anfang Dezember von den Verkaufsabsichten
erfahren. Dabei sei es um die „Sexiness“ Kreuzbergs und realisierbare
Quadratmeterpreise von 7.500 Euro gegangen, wie Malte erzählt. Der
Videograf treibt die Kampagne mit voran. Zusammen mit anderen Aktivisten
sitzt er in der vierten Etage von Aufgang B, im Büro von Autofocus, hinter
ihm ein wandfüllendes Regal mit Videokassetten.
## Nicht einer, sondern 150
Der Weg nach oben (der Fahrstuhl ist seit Langem defekt) ist mit Bildern
einer Zwangsräumung aus der Lausitzer Straße 8 geschmückt – eine Ansage an
den Eigentümer. Vor vier Jahren brauchte es 800 Polizisten, um [6][Ali
Gülbol aus seiner Wohnung zu räumen]. Diesmal sind etwa 150 Personen
betroffen. Als Vertreter von Taekker dem apabiz einen Besuch abstatteten,
machten sie „große Augen“, wie Malte sagt. Auch Kaufinteressenten sei
offensiv begegnet worden. „Ihr kriegt uns hier nicht raus“, zischte es
durch die Flure, der Rauchhaussong schallte über den Hof: „Das ist unser
Haus.“
Den Fokus legen die Nutzer und Mieter auf die Verhinderung des Verkaufs;
ein Kauf durch sie selbst scheint angesichts des Spekulationspreises
unrealistisch. Die Umwidmung der Gewerbe- in Wohneinheiten musste vom
Bezirk genehmigt werden und soll bereits 2013 im Grundbuch vollzogen worden
sein.
Florian Schmidt, neuer grüner Baustadtrat des Bezirks, kündigt der taz
dennoch an, alle Instrumente, die die [7][Milieuschutzsatzung] bietet, zu
prüfen und das Gespräch mit Taekker zu suchen. „Das Ziel ist es den
Standort zu sichern. Wir wollen die Kreuzberger Mischung erhalten“, so
Schmidt, der sich an diesem Freitag mit den Hausaktivisten trifft.
Von Taekker ist derweil zu hören, wie viel Arbeit das denkmalgeschützte
Haus mit seiner uralten Dampfheizung mache. Geschäftsleiterin Lene
Mortensen will keine offensiven Verkaufsabsichten bestätigen, sagt jedoch:
„Wir müssen überlegen, wie kommen wir mit diesem Gebäude weiter.“ Das
Unternehmen hat bereits Dutzende Häuser in Kreuzberg verkauft bzw. Miet- in
Eigentumswohnungen umgewandelt. Mortensen sagt aber auch: „Es gibt Mieter,
die politisch wertvolle Arbeit leisten.“ Dieser Unterschied zwischen
Kommunikation und Handeln, regt die Aktivisten besonders auf. Malte ist
sich sicher: „Die Lause ist ein Investitionsgrab.“
12 Jan 2017
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## AUTOREN
Erik Peter
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