# taz.de -- Kommentar Transsexualität in Dänemark: Von wegen krank | |
> Transsexuelle gelten in Dänemark nicht mehr als Kranke. Das ist weder | |
> mutig noch modern – es ist eine Selbstverständlichkeit. | |
Bild: Die LGBT-Gemeinschaft in Dänemark feierte die längst überfällige Ents… | |
Als erstes Land der Welt [1][stuft Dänemark Transsexuelle nicht mehr als | |
psychisch krank ein] – um der Stigmatisierung von Transsexuellen entgegen | |
zu treten. Denn, so unglaublich es klingt, Transsexualität gilt nach einer | |
Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Geschlechtsidentitäts- | |
und damit als Persönlichkeitsstörung. Fatal für die meisten Transsexuellen, | |
die sich dadurch psychopathologisiert fühlen. Mit einer absurden Folge: | |
Bevor Transsexuelle ihr empfundenes Geschlecht offiziell leben (dürfen), | |
gleiten viele in Depressionen ab, manche hegen Suizid-Gedanken. In solchen | |
Momenten ist unklar, was Folge und was Wirkung dieser geschlechtlichen | |
Zuschreibung ist. | |
Denn was tatsächlich krank macht, sind Ausgrenzung und Gewalt, wie sie fast | |
überall auf der Welt alltäglich sind, auch in Deutschland. Zum Beispiel: | |
Eine Transsexuelle wird in einem U-Bahnhof niedergeschlagen, getreten und | |
bestohlen. Eine Drag-Queen wird auf offener Straße beschimpft und bespuckt. | |
Eine andere Transsexuelle wacht eines Morgens im Krankenhaus auf – zuvor | |
wurde sie zusammengeschlagen und ihr das Nasenbein gebrochen. | |
Das ist die Realität von Menschen, die sich nicht hetero-normativ als Frau | |
oder Mann definieren, sondern als „Transgender People“ – als Menschen, die | |
sich falsch in ihrem Körper fühlen und einem anderen Geschlecht angehören | |
wollen. Selbst in einigermaßen offenen und toleranten Städten wie Berlin, | |
Hamburg oder Köln sind Transgender People nicht sicher. | |
Dass Dänemark dagegen vorgeht, könnte man mutig und modern nennen. Doch | |
eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit. Menschenrechte werden | |
umgesetzt, denn: Jeder Mensch hat das Recht, so zu leben, wie er will. In | |
welchem Körper auch immer, mit welcher Selbstdefinition auch immer. | |
Die Entscheidung Dänemarks ist auch in anderen Staaten überfällig. Das | |
würde die Prozeduren, die Transsexuelle vielerorts durchlaufen müssen, um | |
ihren selbst empfundenen Status offiziell anerkannt zu bekommen, | |
vereinfachen: kein aufwändiger Antrags- und Nachweismarathon mehr für eine | |
Personenstandänderung wie beispielsweise in Deutschland, Österreich und | |
Belgien. Absolutes Verbot von Zwangssterilisationen und -operationen, zu | |
dem Frankreich sich übrigens erst im Herbst 2016 bekannt hat. In Irland und | |
Litauen ist es bis heute nicht möglich, den Personenstand zu ändern. | |
In Deutschland wird die WHO-Definition von Transsexualität als Krankheit | |
gern herangezogen, um Hormonbehandlungen, (gewünschte) operative Eingriffe | |
und kosmetische Angleichungen zu rechtfertigen. Das ist eine positiv | |
gemeinte Argumentationskrücke: Eine „Krankheit“ kann man behandeln. Ohne | |
„Krankheitsdefinition“ würde das wegfallen. Auch an dieser Stelle hat | |
Dänemark vorgesorgt: An den Behandlungsmöglichkeiten für Transsexuelle | |
ändert sich nichts. | |
3 Jan 2017 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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