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# taz.de -- Nach Silvester in Köln: Ein Kessel Behauptungen
> Haben junge Männer nordafrikanischer Herkunft an Silvester in Köln eine
> „Machtprobe“ mit dem Staat gesucht? Dafür gibt es keinerlei Belege​.
Bild: Der Bahnhofsvorplatz in Köln glich kurze Zeit später einer Hochsicherhe…
Die Publizistin Alice Schwarzer behauptet, „dieselbe Sorte Mann wie vor
einem Jahr“ hätte in Köln auch in dieser Silvesternacht wieder „gezielt
provozieren“ und den Staat herausfordern wollen. Und der
CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster meinte im ZDF, dabei habe es sich
um eine „Machtprobe“ gehandelt. Für beide Behauptungen gibt es bislang
keinerlei Belege.
Wie viele potenzielle Straftäter nordafrikanischer Herkunft sind an
Silvester überhaupt nach Köln gereist – und warum? Das weiß bislang weder
die Bundespolizei noch die Polizei Köln. Laut Bundespolizei sollen im Laufe
der Silvesternacht mehrere Gruppen von jungen Männern, viele davon
nordafrikanischer Herkunft im Alter zwischen 18 und Mitte 30, aus
verschiedenen Städten im Ruhrgebiet mit Zügen in Richtung Köln und
Düsseldorf gereist sein.
„Bei den Männern wurden eine zunehmende Alkoholisierung und das Mitführen
von Pyrotechnik festgestellt“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei der
taz. Sie hatte sie in dieser Nacht besonders im Auge. Denn ein Jahr zuvor
war es in Köln zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen und zu
massenhaften Diebstählen gekommen. Die damals Verdächtigen und die wenigen
Verurteilten waren überwiegend nordafrikanischer Herkunft, manche davon der
Polizei bereits zuvor als Intensivtäter bekannt.
Laut Bundespolizei zeigte sich im Kölner Hauptbahnhof, dass eine Vielzahl
der jungen Männer „offensichtlich kein Interesse daran hatte, an den
Feierlichkeiten in der Stadt oder auf der Domplatte teilzunehmen“. Dort
herrschte im Unterschied zum vergangenen Jahr ein Böllerverbot, und die
Stadt hatte eine Lichtinstallation sowie Auftritte zweier Chöre
organisiert.
## Platzverweise und Kontrollen
Gegenüber rund 900 Personen sprach die Bundespolizei einen Platzverweis
aus. Welcher Nationalität diese Leute waren, bleibt unklar. Die meisten
verließen den Bahnhof daraufhin in Richtung Innenstadt.
Auf dem Bahnhofsvorplatz erwartete sie die Landespolizei, um sie noch
einmal ausgiebig zu kontrollieren. Dabei wurden laut Augenzeugenberichten
zeitweise mehr als Tausend Leute aufgrund ihrer Haut- und Haarfarbe
festgehalten; daher rührt der Vorwurf des Racial Profilings. 650 davon
wurden überprüft, 48 erhielten einen Platzverweis – nicht nur Männer
nordafrikanischer Herkunft, sondern vieler Nationalitäten. Nach bisherigen
Polizeiangaben waren keine Intensivtäter darunter.
Am Bahnhof in Köln-Deutz auf der anderen Rheinseite wurden rund 300 junge
Männer aufgefordert, die Züge zu verlassen, bevor der Zug in den
Hauptbahnhof einfuhr, weil sie alkoholisiert oder „aggressiv“ gewesen sein
sollen. „Diese Männergruppen wurden von der Bundespolizei keiner
umfassenden Identitätsfeststellung oder sonst weitergehender Überprüfungen
unterzogen“, heißt es dazu.
Ob das Einkesseln und die Kontrolle von Hunderten von Menschen vor dem
Hauptbahnhof durch die Kölner Polizei angemessen und notwendig war, ist
eine andere Frage. Denn der Bahnhofsvorplatz glich zwei Stunden vor
Mitternacht, als die umstrittene Maßnahme begann, einer
Hochsicherheitszone. Hunderte Polizisten waren im Einsatz, mit gelben
Jacken oder Neonwesten, unterstützt von privaten Ordnern. Hubschrauber
schwirrten am Himmel. Mehrere hundert Meter Zaun umschlossen den Dom, dort
gab es Einlasskontrollen.
5 Jan 2017
## AUTOREN
Daniel Bax
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Silvester
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