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# taz.de -- Italien hat neuen Regierungschef: Gentiloni vor enormen Aufgaben
> Italiens Staatspräsident weiß um die prekäre Lage des Landes. Seine
> Lösung heißt Paolo Gentiloni. Der als besonnen Geltende soll es jetzt
> richten.
Bild: Kein Spezialist – aber verlässlich. So wird Paolo Gentiloni (l.) gehan…
Rom dpa | Italien hat schon kürzere Regierungskrisen erlebt. Aber auch
längere. Staatspräsident Sergio Mattarella hat viel daran gesetzt, das
Polit-Chaos nicht noch größer werden zu lassen. Zu prekär ist die
wirtschaftliche Lage des hoch verschuldeten Landes, zu angespannt die
internationale. Nur wenige Tage nach der herben Schlappe von
Ministerpräsident Matteo Renzi beim Referendum und dessen Rücktritt
präsentiert Mattarella am Sonntag eine Lösung: Der bisherige Außenminister
Paolo Gentiloni soll eine neue Regierung bilden und die Zügel bis zu den
nächsten Wahlen in der Hand halten.
Es ist keine leichte Aufgabe: Das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land
steht auf der Schwelle zu einer größeren Bankenkrise. Italien braucht ein
neues Wahlgesetz. Im Zentrum des Landes stehen die Menschen noch immer vor
den Trümmern ihrer Existenzen und warten auf den Wiederaufbau nach den
verheerenden Erdbeben im Sommer und im Herbst. Auch der Druck der
Flüchtlingsbewegungen lastet weiter auf dem Land.
Eines der Ziele im Quirinalspalast dürfte gewesen sein, einen Nachfolger
Renzis noch vor der Öffnung der Börsen am Montag zu präsentieren. Ein Hauch
politischer Stabilität im Land könnte die Märkte besänftigen und den
Krisenkandidaten Nummer eins des italienischen Bankensektors zumindest
etwas stabilisieren.
Die Aktie des ältesten Geldhauses der Welt, Monte dei Paschi di Siena
(MPS), hatte am Freitag eine Talfahrt an der Börse hingelegt. Die Bank muss
innerhalb weniger Wochen einen Rettungsplan erfüllen. Sie braucht dringend
frisches Geld. Scheitert die Kapitalaufnahme, könnte die Bank um direkte
Staatshilfe bitten. Und kaum einer der italienischen Kommentatoren rechnet
noch mit einer privaten Lösung.
## Bankenrettung als erste Amtshandlung
Die staatliche Bankenrettung könnte die erste Aufgabe sein, die auf
Gentiloni zukommt, sprechen die beiden Parlamentskammern ihm ihr Vertrauen
aus, was als gesetzt gilt. Der Politikwissenschaftler – bekannt für seine
ab und an schief sitzende Brille und sein buschiges graues Haar – kann zwar
keine Expertise in Wirtschaftsfragen ausweisen. Aber seine Unerfahrenheit
in auswärtigen Angelegenheiten hinderte ihn auch nicht daran, im Kabinett
Renzi den kompetenten Außenminister zu geben. „Er ist ruhig, aber er ist
kein Schwächling, er ist nicht penetrant, sondern solide“, beschrieb ihn
2014 Freund und Parteikollege Ermete Realacci.
Mit dem 62-Jährigen folgt auf Renzi ein enger Verbündeter und
Parteikollege, was am Ende den Ausschlag dafür gegeben haben könnte, dass
die Wahl nicht auf den parteilosen Ökonomen und bisherigen Finanzminister
Pier Carlo Padoan gefallen ist.
In Europa dürfte die Entscheidung Mattarellas mit Wohlwollen gesehen
werden. Gentiloni – der neben Englisch und Französisch laut
Außenministerium auch Deutsch spricht – ist Pro-Europäer wie Renzi und auf
dem internationalen Parkett kein Unbekannter mehr. Es wird erwartet, dass
er den politischen Kurs seines Vorgängers fortsetzen, gleichzeitig aber
einen anderen Führungsstil an den Tag legen wird: Gentiloni tritt weitaus
besonnener und ruhiger auf als der Ex-Premier. Der polterte immer wieder
gegen Brüssel und ließ die internationalen Partner auch mal auflaufen.
Als „Kopie“ und „Avatar“ Renzis wird Gentiloni dagegen von den
Oppositionsparteien – der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der
ausländerfeindlichen Lega Nord – beschimpft. Einigen ist er schlicht zu
blass. Aber womöglich gelingt es nur einem ruhigen, selbstbeherrschten
Politiker wie Gentiloni, die sozialdemokratische Partei PD, die
zerstrittenen politischen Lager und das gespaltene Land nach dem Referendum
ein Stück weit zu versöhnen.
## Nur ein kurzer Auftritt
Von langer Dauer wird die neue Regierung ohnehin nicht sein. Fast alle
Parteien fordern rasche Neuwahlen. Die größte Hürde dafür ist noch das
Wahlgesetz. Gentiloni müsste es mit seinem Kabinett so verändern, dass es
sowohl für Abgeordnetenhaus als Senat gültig ist. Dann könnte es bereits
vor dem Ende der Legislaturperiode 2018 im kommenden Frühjahr oder Sommer
Wahlen geben.
Am Ende einer turbulenten Woche nach dem Referendum räumt Renzi nun sein
Büro. Er ist überzeugt, das Richtige getan zu haben. „Ich bin
zurückgetreten. Ernsthaft. (…) Ich habe es gesagt und getan“, schreibt der
Ex-Regierungschef auf Facebook.
11 Dec 2016
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