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# taz.de -- Kommentar Referendum in Italien: Calmatevi!
> Das Votum der Italiener ist kein Sieg der Populisten und keine Absage an
> die Demokratie. Wer vor Europas Untergang warnt, macht Panik.
Bild: Jetzt bleibt erst einmal alles wie gehabt – so wollten es die Italiener
Erst der Brexit, dann Donald Trumps Triumph und nun das Referendum in
Italien – wer will, kann es sich einfach machen und mit dem
[1][italienischen Votum vom Sonntag] erneut die Populisten auf dem
Vormarsch sehen. Jene Wähler, die gegen die Globalisierung und die offene
Gesellschaft wüten, die es deshalb „dem Establishment“ zeigen wollen.
Doch so einfach liegen die Dinge diesmal nicht. Das beginnt schon damit,
dass die Voten in Großbritannien und in den USA von dem Wunsch getragen
wurden, radikale Änderungen herbeizuführen, während die italienischen
Nein-Wähler dafür stimmten, dass alles so bleibt wie es ist, dass an ihre
seit fast 70 Jahren gültige Verfassung nicht Hand angelegt wird.
Auch der Blick auf die Wählerschaft zeigt markante Unterschiede. Von einer
Trennung zwischen Stadt und Land, zwischen einer weltoffenen jungen
Generation und den eher auf Abschottung setzenden Älteren, findet sich in
Italien keine Spur. Im Gegenteil: Matteo Renzi konnte nur bei den Rentnern
punkten, während die Jungwähler zuhauf mit Nein stimmten.
Überraschend ist das nicht, denn die Bürger votierten ja keineswegs über
einen Italexit, über ein Ja oder Nein zur EU oder zum Euro, über Öffnung
oder Abschottung. Den einen missfiel die Verfassungsreform, den anderen ihr
Regierungschef, doch in der Referendumskampagne drehten sich die Debatten
kaum um Europa.
Insofern sind alle jene Szenarien fehl am Platz, die davon ausgehen, jetzt
komme großes Unheil auf die EU zu und womöglich seien in Rom bald – nach
den früher oder später anstehenden Neuwahlen – die euro-skeptischen „Fünf
Sterne“ unter Beppe Grillo am Ruder.
Ihr schneller Durchmarsch wird durch den Ausgang des Referendums nicht
begünstigt, sondern verhindert. Denn Renzis Reform hätte alle Macht dem
Abgeordnetenhaus gegeben und den Senat entmachtet. Mehr noch: Mit der
parallel von Renzis Regierungskoalition verabschiedeten Wahlrechtsreform
hätte die stärkste Partei automatisch die absolute Mehrheit der Sitze im
Abgeordnetenhaus erhalten, auch wenn sie im ersten Wahlgang nur 25 Prozent
der Stimmen der Bürger auf sich vereinigt hätte.
Dieses Modell ist jetzt vom Tisch – und damit auch das realistische
Szenario einer Regierung Grillo. Wer in Brüssel oder Berlin Angst vor
politischen Abenteuern in Rom hatte, kann heute also gelassener sein als
bei einem Sieg des Ja. Renzis Reform hätte den Sprung ins Ungewisse
bedeutet, jetzt dagegen bleibt erst einmal alles wie gehabt. Ein
Weltuntergang ist das nicht.
5 Dec 2016
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## AUTOREN
Michael Braun
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