# taz.de -- EU-Reaktionen auf Abstimmungen: Österreich hui, Italien pfui | |
> Lob und Euphorie gibt es für Alexander Van der Bellens Wahlsieg. Matteo | |
> Renzis Niederlage fällt hingegen den meisten EU-Vertretern lästig. | |
Bild: Fleißbienchen für gute Europäer: Die Österreicher wurden von EU-Vertr… | |
BRÜSSEL taz | Immer das Positive sehen. Nach diesem Motto hat die EU auf | |
die beiden Wahlkrimis in Österreich und Italien reagiert. In Österreich | |
habe Europa einen großen Erfolg eingefahren, sagte der Chefsprecher von | |
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Montag in Brüssel. In | |
Italien hingegen sei es gar nicht um Europa gegangen – sondern nur um eine | |
Verfassungsänderung. | |
Österreichs neuer Staatschef Alexander Van der Bellen soll nun so schnell | |
wie möglich nach Brüssel kommen, Juncker hat ihn schon eingeladen. Italiens | |
Wahlverlierer Matteo Renzi hingegen wird so behandelt, als sei er schon | |
Vergangenheit. Man vertraue auf die Stabilität der Wirtschaft und der | |
Institutionen in Italien, sagte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. | |
Im Klartext: Brüssel hofft, dass Rom auch diese Regierungskrise ohne | |
größere Turbulenzen übersteht – und danach weiter macht, wie zuvor. Von | |
europäischen Nachbeben, gar von einer neuen Eurokrise, wollen die | |
EU-Politiker nichts wissen. Schließlich haben sie schon am Brexit, dem | |
EU-Austritt Großbritanniens, genug zu knabbern. Italien soll da nicht auch | |
noch stören. | |
## Alternative Lesart bei der Linken | |
Im Europaparlament gab es jedoch auch andere, nachdenklichere Töne. Am | |
deutlichsten wich die Linke von der offiziellen Lesart ab. „Italien hat | |
Basta gesagt“, kommentierte Wirtschaftsexperte Fabio de Masi das | |
gescheiterte Referendum. Renzi sei „als Erneuerer und Verschrotter | |
angetreten und als Clown, der den Leuten Angst machen will, geendet.“ | |
Die EU müsse ihre Wirtschaftspolitik ändern, wenn Italien nicht aus dem | |
Euro fallen solle, warnt De Masi. Für einen Kurswechsel spricht sich auch | |
Udo Bullmann von den Sozialdemokraten aus. „Das Votum ist ein letzter | |
Weckruf dafür, dass wir in Europa endlich Antworten auf die drängendsten | |
sozialen Fragen geben müssen“, so der Vorsitzende der Europa-SPD. | |
Geteilter Meinung ist man bei den Grünen. Während einige grüne Politiker | |
auch EU-Fehler sehen wollen, hält Finanzexperte Sven Giegold dagegen: „Die | |
Niederlage Renzis ist kein Sieg der Europakritiker“, so Giegold. | |
Schließlich seien auch überzeugte Europäer gegen die Verfassungsänderung | |
gewesen. Das Referendum habe sich nicht um die EU gedreht, aber die Folgen | |
würden auch Europa treffen. | |
## Das zweite große EU-Land, das in die Krise rutscht | |
In der Tat: Denn Italien ist nach Großbritannien schon das zweite große | |
EU-Land, das in die Krise rutscht. Italien ist zudem – nach Deutschland und | |
Frankreich – das drittgrößte Land der Eurozone. Wenn es in Rom zu Neuwahlen | |
kommen würde und EU- oder Eurogegnern siegen sollten, dann würde dies die | |
gesamte Währungsunion erschüttern. Aber daran wollte am Montag in Brüssel | |
noch niemand denken. | |
Umso ausgiebiger wurde der Wahlsieg des Pro-Europäers Van der Bellen | |
gefeiert. „Nach dem Trump-Sieg und dem Brexit-Votum haben die | |
österreichischen Wähler gezeigt, dass Vernunft, Toleranz und Menschlichkeit | |
keine Fremdwörter bei Wahlen in der Europäischen Union sind“, freute sich | |
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. | |
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach sogar von einer „schweren | |
Niederlage des Nationalismus und antieuropäischen Populismus“. Allerdings | |
hatte der unterlegene Rechts-Kandidat Norbert Hofer 46 Prozent der Stimmen | |
eingefahren – so stark waren die Nationalisten noch nie in Österreich. Aber | |
am Tag danach wollte die EU das Positive sehen, wenigstens einmal. | |
5 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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