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# taz.de -- Auswirkungen von Renzis Rücktritt: Die Finanzwelt bleibt entspannt
> Italiens Regierungschef geht – trotzdem gibt es keine Panik.
> Vorausgesagte Bankenpleiten schrecken offenbar auch nicht. Wieso?
Bild: In Italien ist einiges in Schieflage, aber die Banken sind entspannt
Berlin taz | Bei den Finanzanlegern blieb die Panik aus. Dabei hatte es
reichlich Horrorszenarien für den Fall eines gescheiterten Referendums
gegeben: Italien würde aus dem Euro fliegen, die italienischen Banken
könnten in die Pleite rutschen – und die Finanzmärkte weltweit ins Chaos
stürzen. Doch es blieb ruhig. Der deutsche Aktienindex DAX stieg sogar
leicht.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reagierte ebenfalls gelassen: „Ich
glaube, es gibt keinen Grund, von einer Eurokrise zu reden“, sagte er am
Montag bei einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Ein erster
Grund für die entspannte Reaktion der Spekulanten und Anleger: Der Ausgang
des Referendums kam nicht überraschend und war längst „eingepreist“.
Zudem hatte die Europäische Zentralbank (EZB) bereits vergangene Woche
signalisiert, dass sie einschreiten würde, falls eine Panik auf den
Finanzmärkten ausbricht. Übersetzt: Die EZB hätte so lange italienische
Staatsanleihen aufgekauft, bis sich die Anleger wieder beruhigen. Doch nun
muss die Notenbank gar nicht eingreifen, weil reine Psychologie schon
ausgereicht hat: Da die Investoren wussten, dass die EZB bereitsteht, sind
sie gar nicht erst panisch geworden.
## Immer verlässlich bedient
Italien wird von den Investoren stets kritisch beäugt, weil es nach
Griechenland die zweitgrößte Staatsverschuldung der Eurozone hat: Der
Kreditberg entspricht etwa 133 Prozent der Wirtschaftsleistung. Aber anders
als bei Griechenland sind diese Schulden nicht neu, sondern werden seit
mehr als 25 Jahren mitgeschleppt – und die Kredite wurden auch immer
verlässlich bedient. Zudem sind die Italiener vor allem bei sich selbst
verschuldet und nicht etwa im Ausland.
Italien ist also kein „Pleitekandidat“, steckt aber in einer Dauerkrise.
Seit der Finanzkrise 2008 hat das Land etwa 7 Prozent seiner
Wirtschaftsleistung verloren. Die Arbeitslosigkeit beträgt 11,6 Prozent der
Erwerbsfähigen, und bei den unter 25-Jährigen haben mehr als 36 Prozent
keine Stelle. Diese Rezession schlägt unmittelbar auf die Banken zurück,
weil viele Kunden ihre Darlehen nicht mehr bedienen können. Wie
EZB-Statistiken zeigen, sind inzwischen mehr als 16 Prozent aller
italienischen Bankkredite „notleidend“. Allein bei den 14 größten
Instituten sind Darlehen von über 271 Milliarden Euro gefährdet. Besonders
dramatisch ist die Lage bei der ältesten Bank Italiens, bei der Monte dei
Paschi di Siena. Dort sind rund ein Drittel aller Kredite faul.
Trotzdem trauen die Italiener ihren Banken noch und haben ihr Geld nicht
ins Ausland geschafft, wie EZB-Statistiken zeigen. Bisher war sogar das
Gegenteil von einer Kapitalflucht zu beobachten: Die Einlagen von Kunden
und anderen Finanzinstituten stiegen bei den italienischen Banken leicht
an.
Die Stimmung kann jederzeit kippen, denn auch in diesem Jahr wird die
Wirtschaft kaum wachsen. Italien zeigt, dass „Strukturreformen“ allein
nicht reichen. Der italienische Arbeitsmarkt wurde stark flexibilisiert,
wie selbst die Organisation der einflussreichsten Industriestaaten, OECD,
lobend anerkennt. Aber die Arbeitslosigkeit blieb trotzdem hoch.
5 Dec 2016
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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