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# taz.de -- Italien zwischen Renzi und Grillo: Zwei sind einer zu viel
> Matteo Renzi und Beppe Grillo hatten mal dasselbe Ziel: die Übernahme der
> gemäßigt linken Partito Democratico. Nun lauern beide auf eine Neuwahl.
Bild: Auch nur ein Polit-Clown? Matteo Renzi gab sich, wie Beppe Grillo, gern v…
Rom taz | Lieber jetzt als gleich: Wenigstens in diesem einen Punkt sind
sich Matteo Renzi, Italiens [1][scheidender Ministerpräsident], und Beppe
Grillo, Chef der [2][5-Sterne-Bewegung], einig. Nachdem das
Verfassungsreferendum gescheitert ist, wäre es beiden am liebsten, wenn das
Land schon morgen an die Urnen schritte. Und für beide dürfte die Wahl
[3][ein Showdown] über die Frage sein, wer von ihnen eigentlich
beanspruchen darf, der Retter des Vaterlands zu sein.
Diesen unbescheidenen Anspruch nämlich haben sie gemein, auch wenn sonst
Welten zwischen ihnen liegen. Der eine, der 68-jährige Grillo, von Beruf
auch heute noch Comedian, hätte sich bis vor wenigen Jahren wohl nie
träumen lassen, in die Politik zu gehen. Der andere dagegen, der 41-jährige
Renzi, konnte es gar nicht abwarten. Sohn eines christdemokratischen
Lokalpolitikers aus der Toskana, hatte er es schon mit 29 Jahren zum
Provinz-Präsidenten gebracht.
Grillo hatte mit seinen meist ausverkauften Bühnenshows, in denen es
zunehmend um die ökologischen Sünden des herrschenden Systems ging, eine
mehr als auskömmliche Existenz, Renzi hätte seinen Aufstieg in der im Jahr
2007 gegründeten Partito Democratico (PD) gemütlich fortsetzen können –
doch beide hatten mehr vor.
Italien in den nuller-Jahren – das war der Höhepunkt der Ära Berlusconi,
unterbrochen nur von der kurzlebigen Mitte-links-Regierung Romano Prodis,
der zwischen 2006 und 2008 18 Monate amtierte. Die übermächtige Rechte, die
unfähige und demoralisierte Linke: Pessimistische Beobachter warnten davor,
dass Italien auf ein „Regime“ zusteuere. Nanni Moretti, der berühmte
Regisseur, hatte schon 2001 der Linken verzweifelt die Leviten gelesen, mit
dem Ausruf: „Mit dieser Führungsmannschaft gewinnen wir nie!“
## Linke mit schlechter Führung
Zwei potenzielle Retter des Landes standen schon 2007 bereit, ursprünglich
mit dem gleichen Projekt: der feindlichen Übernahme der gemäßigt linken PD.
Grillo stürzte sich 2007 in die aktive Politik. Im September jenes Jahres
rief er zum „Vaffanculo-Day“ auf, höflich übersetzt: zum
„Scher-dich-zum-Teufel-Tag“, und quer durchs Land kamen Hunderttausende.
Die alte, korrupte politische Klasse, angeführt vom „Psycho-Zwerg“ (so
Grillo über Berlusconi), sollte einpacken und Platz machen für ehrliche
Volksvertreter. Als 2009 die PD Grillo sowohl das Parteibuch als auch eine
Kandidatur zum Parteichef verweigerte, hob er sein Movimento5Stelle (M5S –
5-Sterne-Bewegung) aus der Taufe. Bei der Parlamentswahl 2013 erhielt das
M5S aus dem Stand 25 Prozent der Stimmen, in den gegenwärtigen
Meinungsumfragen liegt es bei 30 Prozent.
Grillos Versuch einer feindlichen Übernahme war schnöde abgeschmettert
worden, doch der nächste Aspirant stand schon bereit: Matteo Renzi. Durch
die Fusion seiner Mitte-Partei Margherita mit den postkommunistischen
Linksdemokraten war er seit 2007 Mitglied der PD, in der – so schien es –
auf immer die früheren Kommunisten den Ton angeben würden.
## Renzi wollte politische Klasse verschrotten
Ausgerechnet im roten Florenz forderte Renzi die Exkommunisten heraus,
wurde gegen die Favoriten des Parteiapparats erst zum Kandidaten, 2009 dann
zum Bürgermeister gewählt. Und kaum im Amt ließ er seine nationalen
Ambitionen durchblicken. Er forderte die „Verschrottung ohne Abwrackprämie“
für Italiens politische Klasse, die Altvorderen seiner PD eingeschlossen.
Renzi etablierte sich als Enfant terrible seiner eigenen Partei, platzierte
sich – neben Grillo – als weiteren Volkstribun, der die „Kaste der alten
Politiker“ entthronen will.
Zunächst war Grillo für Renzi ein Glücksfall. Der Komiker nämlich trug mit
seinem Erfolg bei der Parlamentswahl 2013 zum schlechten PD-Ergebnis bei,
in dessen Folge Renzi an die Spitze der Partei stürmte und die alte
Parteiführung verschrottete. Im Februar 2014 kippte er dann auch noch den
Ministerpräsidenten aus den eigenen Reihen, Enrico Letta, um selbst das Amt
des Regierungschefs zu übernehmen.
Sich als Feind der traditionellen Politik geben, in der Sprache der Bürger
reden, immer ein Bonmot auf den Lippen, die Wähler quer durchs ideologische
Spektrum von links bis rechts ansprechen, ohne große ideologische
Vorbehalte: Renzi kann das allemal genauso gut wie Grillo. Zwei machen da
auf ihre Weise den gleichen Job. Der eine – zumindest bisher – als
Volkstribun an der Regierung, der andere als Volkstribun in der Opposition.
Von den zweien ist einer zu viel. Geklärt schien das Problem mit der
Europawahl 2014. Unter dem frisch gekürten Parteichef und
Ministerpräsidenten Renzi gelang der PD mit 40,8 Prozent ein doppelt so
gutes Ergebnis wie M55.
Dumm nur, dass es Renzi seither oblag, das Land zu regieren. Er tat das mit
seinem Optimismus, der ihn so schnell nach oben getragen hatte, „Italien
startet durch“, „Jeden Monat eine Reform“ und wie seine Slogans in
Tweet-Form alle hießen. Auch eine volksnahe E-Mail-Adresse legte er sich
zu, per Du gleichermaßen, [email protected]. Doch Italiens Misere bleib
bestehen, das Wirtschaftswachstum schwach, die Arbeitslosigkeit hoch, die
Steuerlast drückend.
## Slogans im Tweet-Format
Grillo konterte deshalb mit volksnahem Pessimismus – und mit der Auskunft,
auch Matteo gehöre zur „Kaste“ der Politiker. Ihr einziges persönliches
Gespräch hatten die beiden im Februar 2014, als Renzi vor seiner
Regierungsbildung die Konsultationen mit allen Parteien führte. Grillo sagt
da ganz trocken, „du bist ein braver Kerl, der die verfaulten Mächte
repräsentiert“.
Renzis 40 Prozent beim Verfassungsreferendum am vergangenen Sonntag waren
eine desaströse Niederlage. Dennoch: Bisher waren beide einigermaßen
erfolgreich, führen Parteien an, die je für 30 Prozent oder mehr der Wähler
gut sind. Der alte Grillo räumt vor allem bei den Jungwählern ab, der junge
Renzi kann sich vor allem auf Italiens Rentner verlassen. Jetzt aber ist
die Stunde der Entscheidung gekommen, und jeder der zwei sucht sie im
sicheren Bewusstsein, dass von beiden einer zu viel ist.
12 Dec 2016
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## AUTOREN
Michael Braun
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