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# taz.de -- Neuwahl und Wahlgesetz in Italien: Wählen nach deutschem Vorbild
> Im Herbst wollen alle Parteien des Landes sich an der Urne messen lassen.
> Dazu haben sie in seltener Einmütigkeit ein Wahlgesetz beschlossen.
Bild: Alt: Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Neu: die Fünfprozenthürde
Rom taz | Ein neues „deutsches“ Wahlrecht noch vor der Sommerpause, und
spätestens im Oktober dann Neuwahlen: Unter Italiens größeren Parteien ist
eine noch vor wenigen Wochen unvorstellbare Harmonie über den politischen
Fahrplan des Landes ausgebrochen.
Matteo Renzis Partito Democratico (PD), Silvio Berlusconis Forza Italia,
Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S), aber auch die fremdenfeindliche Lega
Nord unter Matteo Salvini einigten sich in den letzten Tagen auf die
Wahlrechtsreform. Diese sieht ein System vor, das an das deutsche Wahlrecht
angelehnt ist. Die Hälfte der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat soll
in den Wahlkreisen, die andere Hälfte über Listen der Parteien vergeben
werden. Außerdem soll auch die Fünfprozenthürde gelten, um der
Zersplitterung des Parteiensystems Einhalt zu gebieten.
Es gibt allerdings auch klare Unterschiede zum deutschen Modell. So ist die
Unterscheidung in Erst- und Zweitstimme nicht vorgesehen. Wer zum Beispiel
in Rom-Ost den Wahlkreiskandidaten der Fünf Sterne wählt, hat damit auch
automatisch für die M5S-Liste votiert. Und so kann keine Regelung zu
Überhang- und Ausgleichsmandaten eingeführt werden. In Italien steht in der
Verfassung, dass die beiden Häuser des Parlaments aus 630 Abgeordneten und
315 Senatoren bestehen.
Für eine – zur Schaffung von Ausgleichsmandaten nötige –
Verfassungsänderung fehlt die Zeit, da alle größeren Parteien so schnell
wie möglich an die Urnen wollen. Eilig hat es vorneweg Exministerpräsident
Matteo Renzi, der in Urwahlen als Chef der gemäßigt linken PD bestätigt
wurde. Renzi hatte 2016 zurücktreten müssen, weil seine Verfassungsreform
von 60 Prozent der Wähler verworfen worden war. Seitdem strebte er ein
schnelles Comeback an. Nicht zuletzt ist seine Sorge, dass der im Herbst
zur Verabschiedung anstehende Staatshaushalt 2018 mit seinen vielen
sozialen Härten die Wahlchancen der PD trüben könnte. Gegenwärtig liegt die
PD in den Meinungsumfragen bei 27 bis 30 Prozent.
## Berlusconi is back
In vielen Umfragen gleichauf, in manchen dagegen auch vor der PD finden
sich Beppe Grillos Fünf Sterne. Angesichts ihrer Stärke drängten sie schon
seit Dezember auf Neuwahlen. Skeptisch war dagegen bisher Berlusconi,
dessen FI nur noch für 12 bis 13 Prozent gut ist. Doch das sich jetzt
abzeichnende Proporzsystem kommt ihm entgegen: Berlusconi träumt von einer
Koalition an der Seite Renzis, und ausgerechnet jener Mann, der noch im
Jahr 2014 als erledigt galt, wegen seiner Skandale und seiner Vorstrafe,
wäre dann wieder ein zentraler Spieler in der italienischen Politik.
Erst recht gefällt das „deutsche“ System der Lega Nord, die in den Umfragen
ebenfalls mit 12 bis 13 Prozent abschneidet. Die Lega hat regionale
Hochburgen im Norden, im Veneto oder in der Lombardei, und darf dort auch
auf zahlreiche Direktmandate hoffen. Chancen auf einen Einzug ins Parlament
könnte sich auch eine radikal linke Liste erhoffen, wenn die Sinistra
Italiana (SI) und die aus den Reihen der PD ausgescherten Vertreter des
Movimento Democratico e Progressista (MDP – Demokratisch-progressive
Bewegung) sich vereinen. Völlig unklar ist hingegen, wie in Italien nach
den nächsten Wahlen eine regierungsfähige Mehrheit aussehen könnte.
1 Jun 2017
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Wahlrecht
Neuwahl
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Matteo Renzi
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Regierung Renzi
Italien
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