| # taz.de -- Kriegsopferrente für NS-Täter: Sie kassieren weiter | |
| > Seit 18 Jahren ist es möglich, Nazi-Tätern die Bezüge zu entziehen. Doch | |
| > das geschieht kaum. Seit 2008 ist kein neuer Fall hinzugekommen. | |
| Bild: Auch die Witwe von Reinhard Heydrich (vorne links) erhielt eine Kriegsopf… | |
| Berlin taz | Weitgehend wirkungslos ist ein 18 Jahre altes Bundesgesetz | |
| geblieben, nach dem NS-Tätern ihre Kriegsopferrenten entzogen werden | |
| sollten. Obwohl von mehreren Zehntausend Betroffenen ausgegangen worden | |
| war, sind bis heute nur in 99 Fällen solche Renten von den Behörden | |
| kassiert worden. Seit 2008 ist kein einziger neuer Fall hinzugekommen. Das | |
| geht aus dem [1][Schlussbericht des Bundesarbeitsministeriums hervor], der | |
| jetzt bekannt geworden ist. | |
| Efraim Zuroff vom Jerusalemer Simon Wiesenthal Center nannte das Ergebnis | |
| gegenüber der taz „ausgesprochen deprimierend“. Christoph Heubner, | |
| Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, bezeichnete den | |
| Vorgang als ein „abscheuliches und jammervolles Kapitel des Versagens“. | |
| Statt mit Strafen seien die mutmaßlichen Nazi-Täter „gut mit Rentengeld | |
| versorgt worden“, sagte Heubner der taz. | |
| Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums nannte die absolute Zahl der | |
| tatsächlichen Entziehungen „gering“. Gleichwohl sei eine Änderung des | |
| Gesetzes „nicht geplant“, sagte sie. | |
| Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) will sich damit nicht | |
| zufrieden geben. „Wer in KZs an der Ermordung von Juden mitgewirkt hat, hat | |
| keine Kriegsopferrente verdient“, sagte Beck der taz. Es sei „höchste Zeit, | |
| dass in den Ländern mehr fachliche und sachliche Kompetenz aufgewendet | |
| wird, um diese Fälle zu verfolgen“. | |
| ## Zehntausende beziehen die Zusatzrente | |
| Der Bundestag hatte 1997 eine Neufassung des Paragrafen 1a des | |
| Bundesversorgungsgesetzes beschlossen, nach dem Personen, die gegen die | |
| Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in der Zeit des | |
| Nationalsozialismus verstoßen hatten, die Kriegsopferrente entzogen werden | |
| konnte. Diese Zusatzrente bezogen damals noch rund eine Millionen | |
| Kriegsteilnehmer oder deren Witwen. | |
| Erwartet worden war damals, so der schon Mitte November veröffentlichte | |
| Schlussbericht aus dem Arbeitsministerium, dass das Gesetz rund 50.000 | |
| potenzielle NS-Täter betreffen würde. Eine der Bundesrepublik zugegangene | |
| Liste des Simon Wiesenthal Centers führte damals sogar die Namen von 76.000 | |
| Personen auf, die gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen hätten. | |
| Schon in den 1950er Jahren waren die Kriegsopferrenten, die als | |
| Zusatzleistungen für kriegsbedingte Schäden bezahlt werden, Anlass zu | |
| heftigen Kontroversen. Entsprechende Renten erhielten etwa die Witwen des | |
| 1942 getöteten Chefs des SS-Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich | |
| und des als „Blutrichter“ berüchtigten Vorsitzenden des Volksgerichtshofs | |
| Roland Freisler, der 1945 bei einem Bombenangriff in Berlin gestorben war. | |
| ## Es fehlt so viel | |
| Die nun erfolgte Evaluierung des Gesetzes in Kooperation mit dem Simon | |
| Wiesenthal Center kommt zu dem Ergebnis, dass mehrere Gründe dazu geführt | |
| hätten, dass nur in 99 Fällen die Kriegsopferrenten entzogen worden sind. | |
| Dazu zählt die fehlende Digitalisierung der Namenskartei bei der Zentralen | |
| Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, fehlende Vornamen | |
| und Geburtsangaben bei Ämtern sowie zu geringe materielle und personelle | |
| Ressourcen. | |
| Zudem verweist der Bericht auf die „unterschiedliche Auslegung“ des neuen | |
| Gesetzes, die zu konträren Entscheidungen der Versorgungsverwaltungen | |
| führten. Weiterhin wurden mehrere Entscheidungen von deutschen Gerichten | |
| wieder kassiert. | |
| Unter den 99 Personen, denen die Kriegsopferrenten entzogen worden ist, | |
| befinden sich 14 ehemalige SS-Angehörige, die in Konzentrationslagern | |
| eingesetzt worden waren, sechs Angehörige von Polizeibataillonen und ein in | |
| die „Euthanasie“-Morde Verwickelter. Ihre Opferrente behalten durften | |
| dagegen etwa ein SS-Unterscharführer, der in den KZs Ravensbrück und | |
| Sachsenhausen Dienst getan hatte, ein Posten- und Blockführer in Auschwitz | |
| oder die Witwe eines SS-Unterscharführers aus dem KZ Mauthausen. | |
| Angesichts der Zahlen lautet das Fazit von Christoph Heubner vom | |
| Internationalen Auschwitz-Komitee: „Wenn man daran denkt, mit welcher Kälte | |
| und herrischen Distanz vielen NS-Opfern anfangs Renten verweigert wurden, | |
| ist das alles nur erbärmlich zu nennen.“ | |
| 4 Dec 2016 | |
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| [1] http://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/Forschungsberichte/fb472… | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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