# taz.de -- Fußballfans sind verdächtig: Freund und Spanner | |
> Die Polizei hat jahrelang heimlich Daten über Fußballfans gesammelt. Das | |
> Oberverwaltungsgericht Lüneburg findet das völlig okay | |
Bild: Wer zum Fußball geht, gehört aufgeschrieben, findet das OVG Lüneburg | |
BREMEN taz | Das Urteil gibt Wiebke K. nur in Teilen recht. Sie hat keinen | |
grundsätzlichen Anspruch auf die Löschung ihrer Daten. Die Polizei darf sie | |
auch weiterhin in ihrer „Arbeitsdatei Szenekundige Beamte“ speichern. Für | |
die Polizei Hannover gehört Wiebke K. zu der Problemfanszene. Obwohl die | |
Hannover-96-Anhängerin niemals strafrechtlich verurteilt wurde. | |
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat damit einem Urteil des | |
Verwaltungsgerichts Hannover recht gegeben. Die Polizei musste zwar | |
insgesamt vier von neun Eintragungen zu Wiebke K. löschen, aber | |
grundsätzlich sei eine Speicherung zwecks Gefahrenabwehr und Prognose von | |
Straftaten zulässig. Eine detaillierte Begründung zu dem Urteil liegt noch | |
nicht vor. Aber, so viel ist klar, Wiebke K. will gegen das Urteil eine | |
Nicht-Zulassungs-Beschwerde einlegen. Der Fall könnte damit vor dem | |
Bundesverwaltungsgericht landen. | |
Es geht um die sogenannten „SKB-Daten“, also Informationen, die | |
„szenekundige Beamte“ zehn Jahre lang heimlich über Fußballfans gesammelt | |
haben, ohne dass diese davon wussten oder benachrichtigt wurden. Erst | |
kürzlich ist herausgekommen, dass es diese Datensammlung überhaupt gibt. | |
Nur ein Teil der dort erfassten Fans ist in Vergangenheit strafrechtlich in | |
Erscheinung getreten, ein großer Teil aber nicht. Um erfasst zu werden, | |
reichte es, Mitglied einer Ultra-Gruppierung zu sein oder mit einem Ultra | |
zusammen ins Stadion zu gehen. In Hannover, Braunschweig und Wolfsburg sind | |
nach Polizeiangaben derzeit rund 1.200 Menschen aufgelistet. | |
Andreas Hüttl, der Anwalt von Wiebke K., ist von der Entscheidung | |
konsterniert: „Meine Mandantin ist Rechtsanwalts-Fachangestellte, sie wurde | |
niemals verurteilt und hat keine Straftaten begangen – von ihr geht keine | |
Gefahr aus.“ Durch die Speicherung ihrer Daten und die anderer Fans, die | |
nicht straffällig geworden sind, werde sie mit Gewalttätern gleichgesetzt – | |
mit erheblichen Folgen für das normale Leben. Wiebke K. hatte wegen des | |
Eintrags schon mehrfach Probleme, etwa bei einer Reise nach Kopenhagen. | |
Nach dem Urteil will Niedersachsen noch mehr Daten über Fußballfans sammeln | |
als bisher. Bei der Polizei Hannover ist man erfreut, dass „die SKB-Datei | |
als rechtmäßig anerkannt wurde“. Und laut Innenministerium wollen sich noch | |
im Dezember Vertreter des Landeskriminalamtes und „beteiligter | |
Fachdienststellen“ treffen, um sich über Einzelheiten einer landesweiten | |
„Datensammlung Sport“ zu verständigen. | |
Daran soll sich laut Innenministerium auch die Landesbeauftragte für den | |
Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel, beteiligen. Thiel schätzt die | |
bisher erhobenen SKB-Daten ohnehin als zulässig ein. Die Daten dienten | |
schließlich der Gefahrenabwehr, seien somit vom Recht gedeckt. | |
Diese Aussage ist umso erstaunlicher, weil ihr Kollege aus Hamburg, der | |
Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, nach Bekanntwerden des Umfanges der | |
SKB-Speicherungen in Hamburg die Löschung von rund 900 Datensätzen | |
veranlasste. Er sprach von „rechtswidrig erhobenen Daten“. | |
Generell gilt: Wenn die Polizei Daten sammeln will, muss sie gute Gründe | |
haben. Sie muss sagen, welche Personengruppen warum gespeichert werden | |
sollen und was das überhaupt bringen soll. In der Regel muss diese Vorlage | |
auch von DatenschützerInnen geprüft werden. | |
Tatsächlich hat die Polizei in Niedersachsen, Hamburg und | |
Schleswig-Holstein das jahrelang ignoriert. Es betrifft auch 246 Menschen | |
in Schleswig-Holstein und 2.170 Fans in Hamburg. Dort und in weiteren | |
Bundesländern hat die Polizei Daten von Fußballfans gesammelt, ohne dass | |
DatenschützerInnen oder Fans davon wussten. | |
Dass Datenschützer die Vorgehensweise der Polizei jetzt überprüft und wie | |
in Niedersachsen sogar als zulässig eingestuft haben, ändert für Hüttl | |
nichts daran, „dass zehn Jahre lang ohne Grundlage rechtswidrig Daten | |
erhoben wurden“. | |
22 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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