# taz.de -- Werder Bremen wählt neuen Aufsichtsrat: Die alten Männer und das … | |
> Willi Lemkes bitterer Abschied: Werder Bremens Mitgliederversammlung hat | |
> einen neuen Aufsichtsrat gewählt. Der soll den Verein aus der Krise | |
> führen. | |
Bild: Willi wird's missen: Ex-Aufsichtsrat darf in Bremen nur noch zuschauen | |
BREMEN taz | Willi Lemke ist wehmütig. Ansehen kann man ihm das kaum: Sein | |
Anzug sitzt perfekt, im Gesicht trägt er die Andeutung eines Lächelns. Beim | |
Betreten der Mitgliederversammlung in der Turnhalle Hemelinger Straße sieht | |
er wie jemand aus, der weiß, was er tut. Been there, done that. Aber dann | |
sagt er: „Es ist bitter, Werder in so einer Scheiß-Situation zu verlassen.“ | |
Er meint die Krise, in der Werder Bremen seit spätestens 2010 steckt. Auf | |
elf gute Jahre mit Meisterschaft, Pokalsiegen und sechs | |
Champions-League-Teilnahmen folgten sechs schlechte. Seither gab es | |
Fehleinkäufe, Abstiegskampf, 38 Millionen Miese, Wechsel von Trainern und | |
Geschäftsführung. Robin Dutt, Viktor Skripnik und Thomas Eichin heißen die | |
Verschlissenen. | |
Und nun soll auch Willi Lemke gehen. Er wäre gern länger Aufsichtsrat | |
geblieben: „Ich hätte weiter gemacht. Aber das wollte man nicht.“ Er und | |
die langjährigen Aufsichtsratsmitglieder Werner Brinker sowie Hans Schulz | |
wurden nicht mehr zur Wahl vorgeschlagen – an Willis letztem Tag sollen | |
drei neue Räte gewählt werden. | |
Lemke war sein halbes Leben für Werder tätig. Er spricht über diese Zeit in | |
Metaphern aus der Seefahrt. Er sagt: „Ich geh von Deck und beobachte das | |
Schiff nun von Land.“ Der Verein befinde sich derzeit in „unruhigen | |
Gewässern“. Bremen steht mit sieben Punkten auf dem 16. Tabellenplatz. Erst | |
Sonntagabend hat Bremen gegen Eintracht Frankfurt verloren. Das | |
entscheidende Gegentor zum 1:2 fiel in der 90. Minute. | |
## Geschäftsführer Filbry präsentiert endlich „schwarze Zahlen“ | |
Am Montagabend tat es immer noch weh. Präsident Hubertus Hess-Grunewald | |
sprach von einem „Schmerz in der Magengrube“. 362 anwesenden Mitgliedern | |
geht es ähnlich. Sie sitzen an Bierbänken mit Tischtüchern und auf | |
gepolsterten Stühlen. Die meisten sind ältere Männer mit weißen oder grauen | |
Haaren. Sie trinken Pils aus der Flasche oder Weizen, Frauen sind nur | |
wenige da. Wie immer in Sporthallen duftet es nach Würstchenkocher. Ein | |
Geruch, der die Aufbruchstimmung konterkariert, die Werders Verantwortliche | |
beschwören. | |
Doch der Eindruck trügt: Tatsächlich besteht die Mitgliederversammlung 2016 | |
nicht nur aus Sitzen, Abstimmen und Biertrinken: Hess-Grunewald sagt, er | |
wolle eine neue, „offene Diskussionskultur“ forcieren. In der Vergangenheit | |
gab es nur wenige Wortmeldungen, das ist heute deutlich anders: Die | |
Mitglieder kritisieren ausgiebig Werders Zielsetzungen sowie das | |
Wahlverfahren zum Aufsichtsrat. So lange, bis die Versammlung mit sechs | |
Stunden die längste der Vereinsgeschichte ist. Die neuen Aufsichtsräte | |
wählen sie dennoch mit nur elf Gegenstimmen und 19 Enthaltungen. Sie heißen | |
Thomas Krohne, Andreas Hoetzel und Kurt Zech (siehe Kasten). | |
Noch ein Novum: Erstmals seit fünf Jahren präsentiert der Vorsitzende der | |
Geschäftsführung, Klaus Filbry, „mit Stolz“ schwarze Zahlen. Gewinn nach | |
Steuern: 2,8 Millionen Euro – bei einem Konzernumsatz von 108,1 Millionen. | |
Auch er flechtet in seinen Vortrag über Werders wirtschaftliche Situation | |
Schiffsmetaphern ein. Filbry sagt Sätze wie: „Wir sind ein Leuchtturm“ und | |
„Wir wollen hart am Wind segeln“. Er zitiert sogar das „hanseatische | |
Wirtschaften“, das bekanntlich Lemkes Kernkompetenz ist. Die Mitglieder | |
klatschen. | |
## Frank Bauman gesteht Fehler | |
Erstaunlich an diesem Abend ist auch die Offenheit von Frank Baumann, dem | |
Geschäftsführer Sport. Er sagt: „Ich habe einige Fehler gemacht und | |
übernehme die Verantwortung für den schlechten Saisonstart.“ Es sei falsch | |
gewesen, Viktor Skripnik im Traineramt zu lassen. Allerdings seien die | |
Startbedingungen nach Eichin nicht leicht gewesen: „Es gab keine Scouts, | |
keine Innenverteidiger und viel zu viele Mittelfeldspieler.“ Die Kadergröße | |
will Baumann im Winter angehen: „Wir haben leider einige Profis mit gut | |
dotierten Verträgen, die sich in Bremen sehr wohl fühlen.“ | |
Willi Lemke sagt den ganzen Abend lang fast nichts. Lediglich kurz steht er | |
im Mittelpunkt: Der Präsident überreicht ihm einen Blumenstrauß und ein | |
Ehrentrikot. Und für einen kurzen Moment sieht Willi Lemke tatsächlich auch | |
wehmütig aus. | |
22 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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