# taz.de -- Polizei geht gegen Salafisten vor: Razzien im Morgengrauen | |
> Mit über einem Dutzend Durchsuchungen hat die Polizei radikale Islamisten | |
> im Norden unter Druck gesetzt. Die Koranverteilaktion „Lies!“ wurde | |
> verboten | |
Bild: Ab sofort ist das Koranverteilen der Salafisten verboten | |
HANNOVER taz | In Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat | |
die Polizei wie in sechs weiteren westdeutschen Bundesländern versucht, die | |
salafistische Szene mit einer Großrazzia zu verunsichern. In Hamburg | |
durchsuchten am Montagmorgen mehr als 20 Beamte die Al-Taqwa-Moschee in | |
Harburg, nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zuvor den | |
Verein „Die wahre Religion“ (DWR) verboten hatte. | |
Die Gruppe ist besonders mit ihrer Koranverteilaktion „Lies!“ in den | |
Fußgängerzonen vieler Städte bekannt geworden. Verunsicherte junge Menschen | |
sollten damit offenbar für eine extremistische Auslegung des Islam gewonnen | |
und radikalisiert werden. Nach Angaben de Maizières sind rund 140 in | |
Deutschland lebende Personen nach Syrien und in den Irak ausgereist, | |
nachdem sie Kontakt zu „Lies!“-Aktionen hatten. Dort hätten sie sich | |
„terroristischen Organisationen“ wie dem sogenannten „Islamischen Staat“ | |
angeschlossen. | |
In Hamburg wurden außerdem drei Wohnungen in den Stadtteilen Eidelstedt und | |
Dulsberg durchsucht. In Bremerhaven gab es eine Durchsuchung von | |
Geschäftsräumen. Insgesamt vier Personen seien „Verbotsverfügungen | |
überreicht“ worden, sagte die Sprecherin von SPD-Innensenator Ulrich | |
Mäurer, Rose Gerdts-Schiffler, der taz – ihnen wird darin mitgeteilt, dass | |
die DWR-Vereinigung ab sofort ebenso verboten ist wie die | |
„Lies!“-Koranverteilaktion strafbar. | |
In Schleswig-Holstein ging die Polizei an insgesamt fünf Objekten in | |
Lübeck, Neumünster, Pinneberg und Wahlstedt (Kreis Segeberg) gegen die | |
radikalislamistische Salafistenszene (siehe Kasten) vor. In Niedersachsen | |
gab es Durchsuchungen in Hannover, dem angrenzenden Langenhagen, Cuxhaven, | |
Nordhorn an der niederländischen Grenze ebenso wie in Löningen bei | |
Cloppenburg. Festgenommen wurde bei den Aktionen zumindest im Norden aber | |
niemand. Dies sei „nicht das vorrangige Ziel der Aktion“ gewesen, erklärte | |
die Sprecherin des niedersächsischen Landeskriminalamts, Stephanie Weiß: | |
„Vor allem ging es darum, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen.“ | |
## Lob für die Aktion gab es aus den Innenressorts | |
Den Kopf der DWR-Vereinigung, den radikalen Prediger Ibrahim Abou Nagie, | |
der DemokratInnen als zu verfolgende Ungläubige („Kuffar“) schmäht, konnt… | |
die Behörden ohnehin nicht fassen: Verfassungsschützer vermuten, er habe | |
sich nach Malaysia abgesetzt. Allerdings dürften Abou Nagie auch | |
finanzielle Einbußen schmerzen: Über das Konto des jahrelang arbeitslos | |
gemeldeten Vaters dreier Kinder sollen zur Finanzierung | |
radikalislamistischer Propaganda Hunderttausende Euro geflossen sein. | |
Die von der SPD gestellten Innenressortchefs im Norden lobten die | |
Polizeiaktion entsprechend: Hamburgs Innensenator Andy Grote sprach von | |
einem „wirkungsvollen Schlag gegen die dschihadistische Szene“. | |
Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt sagte, der Staat müsse gegen | |
den Salafismus „mit aller Strenge, mit aller Härte zugreifen und zupacken“. | |
Sein niedersächsischer Amtskollege Boris Pistorius erklärte, die | |
Sicherheitsbehörden ließen nicht zu, dass „Extremisten den friedlichen | |
Glauben des Islam missbrauchen, um Gewalt und Hass zu schüren“. | |
Zuvor hatte auch Bundesinnenminister de Maizière betont, die | |
Religionsfreiheit gelte „für alle“: Das DWR-Verbot ziele „nicht auf die | |
Werbung für den islamischen Glauben generell“. Muslimisches Leben habe | |
„einen festen und gesicherten Platz in Deutschland“. Für die Grünen beton… | |
der niedersächsische Landtagsabgeordnete Belit Onay, bei dem Verbot stehe | |
nicht der Koran, sondern die „Strukturen hinter den Verteilaktionen sowie | |
die Ansprache und Rekrutierung junger Menschen im Vordergrund“. Das | |
Vorgehen der Behörden sei „richtig und notwendig“. | |
15 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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