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# taz.de -- Prozess gegen Terrorverdächtigen Lau: Der Prediger schweigt
> Der Salafistenprediger Sven Lau steht vor Gericht. Er gilt als
> verlängerter Arm der IS-nahen Terrorgruppe Jamwa. Nun droht ihm Haft.
Bild: Salafistenprediger Sven Lau schweigt lieber vor Gericht
Düsseldorf taz | Als Sven Lau hinter die Panzerglasscheibe in Saal I des
Düsseldorfer Oberlandesgerichts geführt wird, stehen neun seiner Anhänger
rechts hinten in der Ecke des Zuschauerbereichs. Ein breiter Kerl in
schwarzer Pluderhose trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Property of
Allah“, Allahs Eigentum. Er winkt Lau zu. Die anderen tun es ihm nach.
Einige der Männer waren bei der Scharia-Polizei dabei, Laus größtem
Mediencoup. Vor zwei Jahren zogen sie in orangefarbenen Signalwesten durch
Wuppertal, forderten Muslime vor Kneipen und Spielhallen auf, sich von
Alkohol und Glücksspiel fernzuhalten.
Eine einfache Aktion, die landesweit tagelang für Empörung sorgte – bis in
die Bundesregierung hinein. Eine Aktion, wie sie Lau gefällt. Der
Salafistenprediger ist ein Provokateur, der jede Bühne maximal zu nutzen
weiß. Seine Facebookseite hat mehr als 54.000 Likes, 7.000 folgen seinem
YouTube-Kanal.
Jetzt sitzt Lau im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts, der
Zuschauerraum ist voller JournalistInnen. Es könnte eine große Bühne sein.
Doch Lau nutzt sie nicht. Sein Anwalt sagt: „Herr Lau will sich schweigend
verteidigen.“
## Ihm drohen 15 Jahre
Lau, 35, trägt den Bart kürzer als sonst. Als er seine Glaubensbrüder
sieht, lächelt er kurz und winkt. Dann wird sein Blick wieder ernst. Lau
war bislang als talentierter Missionar bekannt, der junge Leute mit
emotionaler Ansprache für den Salafismus gewann. Jetzt steht viel auf dem
Spiel.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihm in vier Fällen Unterstützung einer
ausländischen terroristischen Vereinigung vor – der Jamwa („Armee der
Auswanderer und Helfer“), einer Terrororganisation in Syrien. Ein Teil der
Gruppe hat sich inzwischen dem IS angeschlossen. Das Gericht erwägt gar
eine Verurteilung wegen IS-Mitgliedschaft. Das könnte Lau bis zu 15 Jahre
Gefängnis einbringen.
Doch auch für die Bundesanwaltschaft ist der Prozess, der vergangene Woche
begann, am Dienstag fortgesetzt wird und bis Januar terminiert ist, ein
außergewöhnlicher Fall. Kann sie dieses Mal einen der bedeutendsten
deutschen Salafistenprediger ins Gefängnis bringen? Oder scheitert sie wie
die Stuttgarter Staatsanwaltschaft? Diese hatte im Frühjahr 2014 versucht,
Lau Terror-Verstrickungen nachzuweisen. Drei Monate saß Lau in
Untersuchungshaft, dann ließ die Staatsanwaltschaft mangels Beweise die
Anklage fallen. Die Szene jubelte.
## Neue Zeugen
Die Bundesanwaltschaft hat nun neue Erkenntnisse, auch zwei neue
Zeugenaussagen. Einer der beiden Zeugen ist Ismail I., den Lau laut Anklage
zur Terrorgruppe Jamwa nach Syrien gelotst haben soll. I. hat gestanden und
Lau belastet, im März 2015 ist er in Stuttgart als Jamwa-Mitglied zu
viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Laus Verteidiger Mutlu Günal spricht von einem „juristischen Blindflug“ der
Bundesanwaltschaft. „Die Anklage wird wie ein Kartenhaus zusammenbrechen“,
sagt er schon vor Prozessbeginn. Der eine Belastungszeuge sei „ein
notorischer Lügner“, der andere „verrückt“.
Ismail I., der früher mit seinem Leben nicht klarkam und Drogen nahm,
könnte für die Bundesanwaltschaft ein nicht ganz einfacher Zeuge sein. Der
Psychiater, der I. während seines Stuttgarter Prozesses begutachtete,
sprach von einer „schwachen“ und „unfertigen“ Persönlichkeit. Von den
beiden Zeugenaussagen aber wird auch abhängen, ob das Gericht der Anklage
folgen wird.
## Vom Feuerwehrmann zum Islamisten
Lau stammt aus einer katholischen Familie in Mönchengladbach, ist
ausgebildeter Feuerwehrmann und Vater von fünf Kindern. Mit 19 konvertierte
er, mit 24 pilgerte er erstmals nach Mekka, kurz darauf lernte er den
Salafistenprediger Pierre Vogel kennen, ein Konvertit wie er. Seit 2008 ist
Lau unter dem Namen Abu Adam als Prediger aktiv.
Mit Reden, in denen er auf lebensnahe Fragen junger Leute eingeht, wurde
Lau schnell bekannt. Dominik Schmitz, früher ein enger Vertrauter Laus, der
inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist, hat Laus Predigten gefilmt und
bei YouTube hochgeladen. Das hat ihre Moschee in Mönchengladbach zu einem
bundesweiten Hotspot für Salafisten gemacht. „Lau hat es auf Aufmerksamkeit
angelegt“, sagt Schmitz.
Lau wollte die Moschee zu einem Missionszentrum ausbauen, doch das
scheiterte an den Anwohnern. Frustriert zog er nach Ägypten, um – wie er
sagte – sein religiöses Wissen zu vertiefen. 2013 ließ das Land ihn nach
einem Deutschlandbesuch nicht mehr einreisen.
Lau, so führt Staatsanwalt Malte Merz am ersten Prozesstag aus, verstehe
den Dschihad als religiöse Pflicht. In Reden und Videobotschaften, die eine
hohe suggestive Wirkung hätten, legitimiere er die Teilnahme am bewaffneten
Kampf. In seiner Heimatstadt Mönchengladbach habe er junge Männer
radikalisiert, einer von ihnen sei später Führer einer Jamwa-Untergruppe in
Syrien geworden. Da habe Lau die Chance gesehen, ein Netzwerk zur
Vermittlung von Kämpfern aus Deutschland aufzubauen.
Spätestens seit 2013 sei Lau „der verlängerte Arm der Jamwa“ in Deutschla…
gewesen, „Ansprechpartner für Kampf- und Ausreisewillige“, insbesondere aus
dem Großraum Düsseldorf. Von ihm organisierte Pilgerreisen nach Mekka habe
er zur Rekrutierung genutzt. 2013 soll Lau zwei Männer nach Syrien
vermittelt haben. Ismail I. und Zoubeir L. Weil L. sich nicht in die Gruppe
einfügte, soll Lau ihn wieder abgeholt haben. Lau soll auch Bargeld und
Nachtsichtgeräte, die er in Deutschland besorgt hatte, der Jamwa überbracht
haben.
Ein Foto, das die Ermittler sichergestellt haben, zeigt ihn auf einem
Panzer, ein weiteres mit einer Kalaschnikow. Dass Lau in Syrien war, ist
unstrittig, er will dort aber humanitäre Hilfe geleistet haben.
## Unterstützung im Gerichtssaal
In der linken Ecke des Gerichtssaals, weit von Laus Freunden von der
Scharia-Polizei, sitzen vier weitere Anhänger. Einer davon: Bernhard Falk,
der Salafist, der früher ein Linksterrorist war, heute mit al-Qaida
sympathisiert und „muslimische politische Gefangene“ unterstützt. Im
Internet hat er dazu aufgerufen, „aktiv solidarisch mit Bruder Abu Adam zu
sein“.
Draußen auf dem Gang hat der bullige Mann mit dem islamischen
Glaubensbekenntnis auf der olivgrünen Jacke schon vor Prozessbeginn
verkündet, dass dies „die klarste Form des politischen Prozesses“ sei: „…
Anklage ist konstruiert, um einen unserer bekanntesten Prediger zu
diskreditieren.“ Lau habe in Syrien nur helfen wollen.
Anders als Falk bleibt Laus alter Freund Pierre Vogel dem Prozess fern. In
einem Video bezweifelte Vogel, ob das Aufmarschieren im Gerichtssaal für
Lau förderlich sei. Leute, die vorbestraft seien oder ihren Pass abgeben
mussten, könnten bei Gericht einen schlechten Eindruck machen. Anders als
Lau hat sich Vogel klar vom IS distanziert, dem „idiotischen Staat“, wie er
es nennt. Für den IS ist Vogel ein Abtrünniger, den es zu töten gilt. Auch
in der Szene hierzulande wird er angefeindet, Lau nicht.
Als der erste Prozesstag nach weniger als einer Stunde beendet ist, sucht
der Prediger Blickkontakt mit seinen Anhängern. Dann hebt er den rechten
Daumen und grinst.
12 Sep 2016
## AUTOREN
Sabine am Orde
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