# taz.de -- Neue Anwerbeversuche durch Salafisten: Radikalisierung in Neuauflage | |
> Das Verteilen deutscher Korane ist seit Kurzem verboten. Jetzt versuchen | |
> Salafisten, junge Leute mit einer Mohammed-Biografie zu ködern. | |
Bild: Der ultra-konservative Islam-Prediger Pierre Vogel wirbt Jugendliche für… | |
BERLIN taz | Mit dem Koran dürfen sie nicht mehr ködern. Jetzt muss die | |
Biografie Mohammeds herhalten. Vor einer Woche hatte das | |
Bundesinnenministerium die salafistische Organisation „Die wahre Religion“ | |
verboten und so dem Verteilen deutschsprachiger Koranexemplare durch sie | |
ein Ende gesetzt. Mit der Biografie Mohammeds will unter anderem | |
Salafistenprediger Pierre Vogel das Verbot umgehen. Unter dem Motto „We | |
Love Muhammad“ sollen Tausende Biografien des islamischen Propheten | |
deutsche Innenstädte erobern. | |
Seit 2011 hatte die nun verbotene Vereinigung mit der Kampagne „Lies!“ | |
Übersetzungen des Korans in Innenstädten verteilt – laut Verfassungsschutz | |
3,5 Millionen Exemplare bis zum Sommer 2016. Grund für das Verbot war die | |
Radikalisierung insbesondere von Jugendlichen, die sich in der Folge dem | |
Islamischen Staat anschlossen. | |
Schon kurz vor dem Verbot haben die ersten Aktionen zum Verteilen der | |
Biografie in der Frankfurter Innenstadt begonnen. Das hessische | |
Innenministerium prüft bereits, ob es sich um eine Nachfolge- | |
beziehungsweise Ersatzorganisation der Gruppe „Die wahre Religion“ handelt. | |
Wenn dies zutrifft, würde sich das Verbot auch auf die neue Aktion | |
beziehen. | |
Michael Kiefer, Islam- und Politikwissenschaftler der Universität | |
Osnabrück, spricht sich dafür aus, „We Love Muhammad“ zu verbieten: „Das | |
ist die Fortsetzung von „Lies!“, nur unter einem anderen Motto.“ Zwar sei | |
formal eine andere Organisation verantwortlich, doch die Methode bleibe | |
dieselbe: Stände in Innenstädten und vor Bahnhöfen, Gratisbücher und der | |
Versuch, für den Islam zu werben. „Der Koran war nur Mittel zum Zweck, um | |
mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, sie zu weiteren Treffen zu | |
mobilisieren und in die Szene einzubinden“, erklärt Kiefer. | |
Auf YouTube wirbt der bekannte deutsche Salafistenprediger Pierre Vogel in | |
einem fünfminütigen Video für die neue Initiative. Der Drehort scheint ein | |
Hohn: Selbstbewusst positioniert sich Vogel vor dem nächtlichen Kölner Dom. | |
Während die Kamera um ihn herumschwenkt, erklärt der Prediger eindringlich | |
die neue Strategie: „Wer den Propheten liebt, der möchte den Propheten | |
verteidigen. Die beste Methode, den Propheten zu verteidigen, ist, Wissen | |
über den Propheten zu verbreiten.“ | |
## Leichte Kost | |
Die Biografie soll für Jugendliche leichter zugänglich sein als der Koran. | |
„Es ist leichter zu verstehen als der Koran in deutscher Sprache.“ | |
Gratisexemplare der Biografie und eine App für das Smartphone sollen den | |
Weg in den Islam ebnen. MitstreiterInnen ruft Vogel auf, sich per | |
Skype-Interview zu bewerben, um sicherzustellen, „dass keine Leute das Buch | |
verteilen, die für ihren eigenen Schrott Propaganda machen können“. | |
In dem Video lobt Vogel die „Lies!“-Kampagne. Er hatte zwar mit der nun | |
verbotenen Vereinigung zusammengearbeitet, sich aber zwischenzeitlich | |
distanziert. Neben Vogel ist Bilal Gümüs maßgeblich an der neuen Initiative | |
beteiligt. Gümüs hatte lange die „Lies!“-Stände organisiert, sich jedoch | |
Anfang des Jahres mit dem Gründer Abou Nagies überworfen. | |
Für Islamwissenschaftler Kiefer ist die Neugründung keine Überraschung: | |
„Die Szene ist sehr mobil. Das zielt darauf ab, die Leerstelle, die „Lies!�… | |
hinterlässt, umgehend zu besetzen.“ | |
Auch Pierre Vogel komme die Aufmerksamkeit für seine Person sicher gelegen: | |
„Es ist etwas ruhiger geworden um ihn. Seine spektakulären Predigeraufrufe | |
liegen etwas zurück. Das dient nun dazu, dass er wieder Boden gutmachen | |
kann.“ Immerhin so lange, bis es möglicherweise zu einem weiteren Verbot | |
kommt. | |
21 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Astrid Ehrenhauser | |
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