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# taz.de -- Die Geschichte von „Cumhuriyet“: Atatürks Wunschkind
> Lange galt die Zeitung als einseitig, zuletzt aber nahm der
> Meinungspluralismus zu. Über Kurdenkonflikt und Armeniergenozid
> berichtete sie sensibel.
Bild: Seine Wirkung verblasst: Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk
Berlin taz Der Name der überregionalen türkischen Zeitung, die so alt ist
wie die Republik selbst, bedeutet auf Deutsch: „Republik“. Als eine der
letzten oppositionellen Zeitungen hat die Cumhuriyet sich bis heute ihren
regierungskritischen Ton bewahrt – trotz massenhafter Schließungen
zahlreicher Medien des Landes, Verfolgung und Verhaftung von über hundert
Journalist*innen und direkter Zensur durch Internetsperren.
Selbst ein neues Gesetz, das die Anzeigeneinnahmen kritischer Medien
unterbinden soll, konnte das unter großem finanziellen Druck stehende Blatt
nicht zur Selbstzensur bewegen. Nun folgte der Haftbefehl gegen 16
Cumhuriyet-Mitarbeiter, darunter auch Chefredakteur Murat Sabuncu. Der
Vorwurf: Unterstützung terroristischer Vereinigungen.
Die linkskemalistisch ausgerichtete Tageszeitung, die derzeit eine Auflage
von 50.000 Exemplaren hat, wurde 1924 auf expliziten Wunsch des türkischen
Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk gegründet. Yunus Nadi, der erste
Cumhuriyet-Chefredakteur, wird gar als direkter Untergebener Atatürks
verstanden. Das heutige Redaktionsstatut beginnt mit einem Zitat aus Nadis
Artikel für die allererste Ausgabe: „Cumhuriyet ist eine unabhängige
Zeitung. […] Cumhuriyet wird gegen jede Kraft, die versucht, die Ideen und
Realitäten der Demokratie zu untergraben, Widerstand leisten. Cumhuriyet
wird stets den durch Atatürks Revolution erlangten Weg des Laizismus
verteidigen und sich bemühen, ihn in der Gesellschaft zu verankern.“
Mit diesem Bekenntnis steht Cumhuriyet politisch der linkskemalistischen
CHP nahe, die nach der AKP zweitstärkste Partei im türkischen Parlament –
und stand auch häufig in der Kritik der jungen Linken, die das Meinungsbild
von Cumhuriyet für einseitig und überkommen hielt. Mit dem Anfang 2015 neu
ernannten Chefredakteur Can Dündar und dem Neuzugang vieler Autor*innen
zeichnete sich zuletzt allerdings ein zunehmender Meinungspluralismus ab,
der bei sensiblen Themen wie dem Kurdenkonflikt oder dem Armeniergenozid
neue Töne zuließ. Die PKK etwa wurde nicht mehr als „terroristische
Vereinigung“ gelabelt, Solidaritätsbekundungen erschienen in Form
armenischer Schlagzeilen.
Empört war darüber nicht nur der traditionelle Cumhuriyet-Leser, sondern
vor allem auch die AKP-Regierung. Letztere verklagte Ex-Chefredakteur
Dündar (der inzwischen im Berliner Exil lebt) und Hauptstadtbüro-Leiter
Erdem Gül aufgrund eines Berichts über illegale Waffenlieferungen der
Regierung an syrische Islamisten. Zudem wurden im vergangenen Sommer die
Redakteur*innen Ceyda Karan und Hikmet Çetinkaya zu je zwei Jahren Haft
verurteilt, weil sie eine Mohammed-Karikatur von Charlie Hebdo abdruckten.
Die im September mit dem als „alternativer Nobelpreis“ bekannten Right
Livelihood Award ausgezeichnete Zeitung soll die kurdische Arbeiterpartei
PKK und die Gülen-Bewegung unterstützen – zwei Organisationen, die
unterschiedlicher nicht sein könnten. Bemerkenswert ist dabei vor allem,
dass Cumhuriyet seit über zehn Jahren kritisch zur Gülen-Bewegung und auch
zu deren Verstrickungen mit der AKP-Regierung berichtet.
31 Oct 2016
## AUTOREN
Fatma Aydemir
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Pressefreiheit in der Türkei
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