# taz.de -- Kommentar Deutsch-türkische Diplomatie: Mehr Mut wagen! | |
> Womöglich kann selbst die Bundeskanzlerin den Staatsumbau in der Türkei | |
> nicht ändern. Dennoch wäre ein kritisches Zeichen wichtig. | |
Bild: Merkel könnte verkünden, dass sie das Schicksal der türkischen Journal… | |
Wenn sich ein Präsident in Ankara vornimmt, seinen Staat für den eigenen | |
Machterhalt umzubauen, Gegner ruhigzustellen und Journalisten zu verhaften | |
– vielleicht kann dann auch eine Bundeskanzlerin nicht mehr viel machen. | |
Vielleicht würde ihn auch eine Brandrede aus Berlin nicht stoppen, | |
vielleicht würden ihn auch Strafen aus Brüssel nicht beeindrucken. | |
Vielleicht würden solche Maßnahmen nur das Gewissen der Europäer beruhigen, | |
an der Lage in der Türkei aber nichts ändern. Vielleicht bleibt also selbst | |
für Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr viel übrig – abgesehen von | |
einer ganz simplen, ganz großen Kleinigkeit. | |
Es müssen ja nicht gleich Wirtschaftssanktionen sein. Ein Embargo ist eines | |
der härtesten vorstellbaren Mittel, es würde die Beziehungen zur Türkei | |
vergiften und das Flüchtlingsabkommen zunichtemachen. Der Einsatz wäre | |
hoch, die Wirkung ungewiss. Es muss ja auch nicht gleich das Ende der | |
EU-Beitrittsverhandlungen sein. Am Argument der Bundesregierung ist | |
durchaus etwas dran: Zumindest in der Zukunft könnte Europa über die | |
Beitrittsgespräche noch Einfluss auf die Türkei nehmen. | |
Dieses Instrument sollte die EU nicht leichtfertig wegwerfen. Es muss auch | |
nicht gleich das Ende der Gespräche über die Visafreiheit sein. Dieser | |
Schritt würde die Falschen treffen: Auf Reisefreiheit hoffen gerade | |
Erdoğans Gegner, die sich an Europa orientieren. | |
Es muss ja noch nicht mal der öffentliche Appell an die türkische Regierung | |
sein, sich auf die Demokratie zu besinnen. Die Bundesregierung beteuert, | |
solche Mahnungen wirkten am besten jenseits der Kameras. Vielleicht liegt | |
sie damit richtig, obgleich die Nachrichten aus der Türkei der These eher | |
widersprechen. | |
Eines könnte die Bundesregierung aber heute noch wagen: Die Kanzlerin | |
persönlich könnte verkünden, dass sie das Schicksal der Journalisten in | |
türkischen Gefängnissen genau verfolgt. Sie könnte die Namen der 13 | |
verhafteten Cumhuriyet-Mitarbeiter vorlesen und dann, wenn sie etwas Zeit | |
mitbringt, auch noch die der mindestens 112 weiteren inhaftierten | |
Medienmacher. Ein Signal an Ankara: Was ihr macht, ist nicht in Ordnung. | |
Und ein Signal an die Gefangenen: Was ihr durchmacht, ist uns nicht egal. | |
Das Schicksal des Exiljournalisten Can Dündar hat Merkel im September schon | |
einmal explizit benannt. So schwer ist es also gar nicht. Nur Mut! | |
2 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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