# taz.de -- Rohstoffe fördern Aufrüstung: Blutgold vom Zahnarzt | |
> Die EU will den Handel mit Mineralien und Metallen aus Konfliktregionen | |
> eindämmen. Aber es bleiben noch Schlupflöcher. | |
Bild: Gold aus dem Kongo wird künftig kontrolliert | |
Berlin taz | Gold, Wolfram, Tantal, Zinn: Bewaffnete Gruppen im Kongo, in | |
Myanmar oder in Kolumbien machen damit viel Geld, das sie zur Aufrüstung | |
nutzen. Die Rohstoffe tauchen dann wieder in Europa und Nordamerika auf, | |
eingebaut in Mobiltelefone, Autos und Schmuck – oder als Zahnfüllung. | |
Die EU ringt seit rund zwei Jahren um eine Rechtsverordnung, die den Handel | |
mit sogenannten Konfliktmineralien eindämmen soll. Die Verhandlungen sind | |
fast abgeschlossen, aber Kritiker sind besorgt, dass Schlupflöcher bleiben. | |
„Es droht, dass die gesamte Verordnung an einem entscheidenden Punkt | |
ausgehöhlt wird“, fürchtet Michael Reckordt vom Menschenrechtsverein | |
PowerShift. Denn die Schwellenwerte seien zu hoch, ab wann die | |
Rohstoffimporteure eine Berichts- und Kontrollpflicht trifft. So sieht der | |
EU-Ministerrat in einem neuen Papier vor, dass Goldimporte bis 100 | |
Kilogramm von den Selbstkontrollen auszunehmen seien. | |
Die EU will kleine Betriebe wie etwa Zahntechniker vor der Bürokratie | |
schützen. Das Papier des Ministerrats rechnet vor, dass 97,7 Prozent der | |
Goldimporte in die EU abgedeckt wären, wenn die 100-Kilogramm-Grenze gilt. | |
Wenn Unternehmen mehr einführen, müssen sie eine Risikoanalyse erstellen | |
und klären, ob durch den Import ein bewaffneter Konflikt mitfinanziert wird | |
Kritiker sind nicht überzeugt, dass der Schwellenwert von 100 Kilo | |
unproblematisch ist: „Gerade die kleinen Mengen sind mit einem besonders | |
hohen Risiko belastet, aus einer Konfliktregion zu stammen“, sagt Nele | |
Meyer, Fachreferentin bei Amnesty International. Auch weil sich Gold gut | |
schmuggeln ließe. „Die Schwellenwerte sind an dieser Stelle konfliktblind“, | |
sagt Reckordt von PowerShift. | |
## „Unklare Definition von Konflikt- und Hochrisikiogebieten“ | |
Die Kritiker rechnen vor, dass in Deutschland nur 20 von 250 betroffenen | |
Unternehmen berichten müssten. Die übrigen könnten jeweils Gold im Wert von | |
rund 3.5 Millionen Euro importieren – völlig unkontrolliert. Davon ließen | |
sich rund 3.500 Sturmgewehre kaufen, so Reckordt. | |
Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange | |
(SPD), sieht Nachbesserungsbedarf bei den Schwellenwerten. „Diese sind | |
natürlich ein zentraler Bestandteil der geplanten Verordnung. Es wäre | |
schade, wenn unser Schiff so kurz vor dem Hafen kentern würde.“ | |
Es ist dem Druck des EU-Parlaments zu verdanken, dass es verbindliche | |
Schwellenwerte gibt. Zunächst sollte die Verordnung nur eine freiwillige | |
Selbstverpflichtung enthalten. „Wir hätten uns eine noch strengere | |
Regelungen gewünscht, aber sind hochzufrieden damit, dass wir eine | |
verbindliche Regelung durchsetzen konnten“, sagt Helmut Scholz, der für die | |
Linksfraktion im EU-Handelsausschuss mit verhandelt hat. Ende November | |
wollen Parlament, Rat und Kommission die neue Verordnung beschließen. | |
Der Rohstoffexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Martin | |
Schröder, sieht weitere Unsicherheiten auf die Unternehmen zukommen: | |
„Kritisch ist nach wie vor die unklare Definition von Konflikt- und | |
Hochrisikogebieten. Die Folge wäre eine Flut an unterschiedlichen | |
Einstufungen von Konfliktregionen, mit der niemandem geholfen ist.“ | |
31 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Markus Sehl | |
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