# taz.de -- „Merkel muss weg“-Demo in Berlin: Krisenstimmung bei den Neonaz… | |
> Am Samstag wollen erneut hunderte Rechte durch die Innenstadt ziehen. | |
> Nicht schön, trotzdem gilt: Insgesamt haben Berliner Neonazis ein | |
> Problem. | |
Bild: Die NPD wirkt in Berlin ziemlich führerlos | |
Berlin taz | Nein, das ist keine gute Nachricht: Am Samstag werden | |
voraussichtlich Hunderte Rechtsextreme durch die Innenstadt ziehen. Für die | |
vierte Auflage der „Merkel-muss-weg“-Demonstration sind 500 Teilnehmer | |
angemeldet, nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus | |
(MBR) könnten es aber auch doppelt so viele werden. Dieses Mal wollen die | |
Neonazis außerdem nicht nur durchs Regierungsviertel ziehen, sondern sich | |
auch in Mittes Wohn- und Shoppingkieze wagen. | |
Initiiert von dem Marzahner Rechtsextremen Enrico Stubbe, Mitglied im | |
Bundesvorstand von Pro Deutschland, sind diese Demonstrationen ein Versuch, | |
rechte Aufmärsche in Berlin langfristig zu verankern: Bis September 2017 | |
sind bereits Termine angemeldet. | |
Über das Motto versuchen die Veranstalter explizit auch Menschen außerhalb | |
rechtsextremer Kreise zur Teilnahme zu bewegen, was vor allem bei der | |
ersten Demonstration im März mit rund 2.500 TeilnehmerInnen auch gelang. | |
Seitdem sind die Teilnehmerzahlen rückläufig; die letzte Demonstration im | |
Juli war mit rund 1.400 TeilnehmerInnen kleiner, dafür allerdings auch | |
aggressiver als ihre Vorgänger. | |
Gleichzeitig schwächelte der Gegenprotest: Nachdem es im Mai gelungen war, | |
rund 7.000 GegendemonstrantInnen auf die Straße zu bringen, stellten sich | |
im Juli nur rund 1.000 Menschen den Rechtsextremen entgegen – wie schon im | |
März waren die AntifaschistInnen in der Unterzahl. | |
Das soll dieses Mal anders werden: „Beim letzten Mal gab es | |
organisatorische Probleme, dieses Mal rechnen wir aber auf jeden Fall | |
damit, dass wir mehr Menschen werden als die Gegenseite“, sagt Nina | |
Baumgärtner, Sprecherin des Berliner Bündnisses gegen Rechts, das zu einer | |
Gegenkundgebung am Auftaktort der Rechtsextremen aufruft. | |
## Bärgida? War da was? | |
Alles andere wäre eine Blamage für die Zivilgesellschaft. Doch so oder so | |
steckt in der schlechten Nachricht auch eine gute. Denn die | |
Merkel-muss-weg-Demonstrationen sind das einzige relevante Ereignis auf der | |
Straße, das die rechte Szene in Berlin momentan noch vorzuweisen hat. | |
Das sah vor Kurzem noch anders aus: Im Winter 2014 gab es zum Teil mehrere | |
rechtsextreme Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime pro Woche, bei denen | |
es den Neonazis gelang, auch außerhalb ihrer Zirkel zu mobilisieren. Ein | |
Jahr später begannen mit den Bärgida-Demonstrationen ebenfalls wöchentliche | |
rechte Aufmärsche mit mehreren hundert TeilnehmerInnen. Neonazis waren | |
plötzlich wieder präsent auf den Straßen Berlins, und das nicht nur in den | |
Randbezirken. | |
Heute gibt es die Bärgida-Demonstrationen immer noch, und auch gegen | |
Flüchtlingsheime wird vereinzelt noch protestiert. Doch die Teilnehmer sind | |
auf einen harten Kern zwischen 20 und 50 Leuten zusammengeschrumpft. Dazu | |
kommt eine Krise der Berliner Neonazistrukturen: „Die Berliner NPD macht | |
zurzeit einen äußerst chaotischen Eindruck“, sagt Frank Metzger von | |
Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz). Mit einem | |
desaströsen Ergebnis von nur 0,6 Prozent der Zweitstimmen setzte die NPD | |
ihren bereits aus anderen Bundesländern bekannten Abwärtstrend auch bei den | |
Berliner Wahlen fort, zudem verlor sie sämtliche Sitze in den | |
Bezirksparlamenten. | |
Im Oktober wurde dann der bisherige Landeschef Sebastian Schmidtke | |
abgewählt und dafür sein Vorgänger Uwe Meenen wieder auf den Posten | |
gehoben, der damals mit einer wenig erfolgreichen Bilanz abgetreten war. Am | |
ersten Lackmustest unter neuer Führung scheiterte die Partei dann gleich | |
krachend: Bei einer Kundgebung zum Todestag des Neonazis Jürgen Rieger am | |
letzten Samstag in Neukölln erschienen neben Meenen gerade mal 3 andere | |
NPDler. | |
## Zivilgesellschaftliche Gegenwehr | |
Hinter dem Führungswechsel könnte ein Machtkampf in der Bundes-NPD stecken: | |
Meenen ist ein Vertrauter des ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, | |
der zurzeit für die NPD im Europaparlament sitzt, möglicherweise aber | |
wieder mehr Einfluss in der Partei gewinnen will – mit Meenen hätte er | |
dafür einen wichtigen Verbündeten in Berlin. | |
„Das wäre zumindest ein plausibler Erklärungsansatz für den ansonsten | |
schwer nachvollziehbaren Führungswechsel“, sagt Matthias Müller von der | |
MBR. Über ein Verbot der Partei will das Bundesverfasungsgericht im Januar | |
entscheiden, wie am Donnerstag bekannt wurde. | |
Obwohl es bei der zivilgesellschaftlichen Gegenwehr zuletzt deutlich | |
knirschte, sieht es also weder auf der Straße noch in den Parlamenten | |
zurzeit besonders gut aus für die rechte Szene – auch wenn diese | |
Einschätzung natürlich mit zwei großen Einschränkungen versehen werden | |
muss, wie auch Müller betont: Zum einen zeigen Ereignisse wie zuletzt der | |
Brandanschlag auf das Auto der Geschäftsführerin des Neuköllner | |
Anton-Schmaus-Hauses, dass weniger rechtsextreme Präsenz nicht weniger | |
Gewalt bedeuten muss. Zum anderen ist die Wahlniederlage der NPD und | |
anderer rechtsextremer Parteien nicht ohne den Aufstieg der AfD zu erklären | |
– und wie die Stadt mit diesen Rechten umgehen wird, ist im Gegensatz zu | |
den im Großen und Ganzen gut sitzenden Anti-Nazi-Strategien weiterhin eine | |
offene Frage. | |
3 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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