| # taz.de -- Prozess gegen Braunschweiger Rechten: Gegen Linke schlägt er zu | |
| > Der Rechte Pierre B. hat Schüler verprügelt und wollte Polizisten mit | |
| > Kopfnüssen verletzen. In Braunschweig begann nun der Prozess gegen ihn. | |
| Bild: Setzt auf Muskelkraft: der Braunschweiger Rechte Pierre B. | |
| BRAUNSCHWEIG taz | Die blau-graue Adidasjacke ist zu eng für die | |
| muskelbepackten Arme und die Glatze lässt sich unter den Stoppeln nur mehr | |
| erahnen. Als er den Gerichtssaal betritt, schaut Pierre B. auf den Boden. | |
| Nur kurz blickt er in die Runde, nachdem ihm Hand- und Fußfesseln | |
| abgenommen wurden und er seinen Platz einnehmen konnte. | |
| Er sieht ein überwiegend junges Publikum, mit „Kein Mensch ist | |
| Illegal“-Shirts und bunten Haaren. Hinter ihm sitzen viele Polizisten und | |
| Justizbeamte. Die 42 Plätze für die Öffentlichkeit sind nach einer halben | |
| Stunde vergeben und vor der Tür stehen noch viele Menschen. | |
| „Aus Sicherheitsgründen“ finde die Hauptverhandlung im Sitzungssaal 107 | |
| statt, teilte die Richterin im Vorfeld mit. Entsprechend liest sich die | |
| Anklage, die Staatsanwältin Meyer so schnell vorliest, dass sie fast außer | |
| Atem kommt: Der Angeklagte hat im Februar einen Mitarbeiter der | |
| Jugendorganisation „Die Falken“ zu Boden geworfen und geschlagen. Zwei | |
| Wochen später brach er einem Schüler der Neuen Oberschule den Kiefer und | |
| fügte einem zweiten Schüler eine Gehirnerschütterung zu. | |
| Im Juni hat er einer Polizeibeamtin Kopfstöße versetzen wollen und sie und | |
| ihre Kollegen beleidigt. Einen Monat später, nachdem die Deutsche | |
| Fußballnationalmannschaft aus der EM ausgeschieden war, hat er beim „Public | |
| Viewing“ einen Mann zu Boden geworfen, geschlagen und getreten. All das | |
| gibt er zu. | |
| Als die Vorwürfe verkündet werden, verzieht der 24-Jährige keine Miene. Nur | |
| beim Wort „Bullenschweine“ grinst er kurz. Hinterher wird er mehrmals | |
| sagen: „Es tut mir leid.“ Das Publikum lacht. | |
| Der Angriff auf einen Mitarbeiter der Falken wird schnell abgehandelt. Es | |
| gibt ein Video, das Pierre B. und seinen Freund Lasse R. zeigt, wie sie den | |
| Mann attackieren. Dieser habe ein Foto von den beiden machen wollen, | |
| nachdem diese zwei Aufkleber auf die Fenster geklebt hatten. Er wisse nicht | |
| mehr, welche Aufkleber es gewesen sind. „Irgendwas für Deutschland halt“, | |
| sagt Pierre B.. Fotografien der Aufkleber liegen dem Gericht vor: | |
| „Antirassismus ist Rassismus gegen Weiße“, steht auf einem. | |
| Der Vorfall an der Neuen Oberschule braucht mehr Zeit. Ein Freund des | |
| Angeklagten soll am Vortag von einer „linken Gruppe“ angegriffen worden | |
| sein. „Deswegen sind wir in die Schule, um die mal anzuschauen“, sagt er. | |
| Sein Freund habe Personen erkannt, die vor seiner Wohnung warteten. Um | |
| rechte Aufkleber oder Flyer sei es dabei nicht gegangen. Die beiden wurden | |
| jedoch von einem Lehrer des Grundstücks verwiesen. „Auf dem Heimweg wurden | |
| wir dann provoziert“, sagt B. | |
| Das Gedächtnis des Angeklagten ist zwar in vielen Punkten selektiv. Aber | |
| hier ist er sich ganz sicher: „Ich wurde angespuckt“, sagt er. Das und | |
| Sprüche wie „Scheißnazi, verpiss dich“ hätten ihn dazu gebracht, einen | |
| Schüler anzugreifen. Er sagt: „Ich fühlte mich in meiner Ehre verletzt.“ | |
| Nur: Daran kann sich kein Zeuge erinnern. Es sei weder gespuckt worden noch | |
| habe es politische Beleidigungen gegeben. | |
| Fünf bis 15 SchülerInnen – nach unterschiedlichen Zeugenaussagen – hätten | |
| dem Angeklagten und seinem Freund verdeutlicht, dass sie an der Schule | |
| unerwünscht sind. „Verpiss dich“ und Ähnliches sei dabei sicherlich gesagt | |
| worden. Irgendwann sei B. auf die Menge zugerast. „Nach dem ersten Schlag | |
| weiß ich nichts mehr“, sagt der Schüler, der auch Nebenkläger ist. Der | |
| zweite, zur Hilfe geeilte Schüler sagt: „Die pure Aggression des | |
| Angeklagten ist mir in Erinnerung geblieben.“ | |
| Die Nebenkläger legen Wert darauf, dass bei den Straftaten auch die | |
| politischen Ansichten des Angeklagten beachtet werden. Von „Deutschland | |
| verrecke“ werde er provoziert, sagt der Angeklagte. „Und sowas sagen Linke | |
| halt.“ | |
| Dazu sagt Richterin Antje Gille: „Die Verhandlung hätte nicht diesen | |
| Umfang, wenn die Gesinnung keine Rolle spielte.“ Und an den Angeklagten | |
| gewandt: „Sie haben einen gewissen Ruf erlangt.“ Ein zweiter | |
| Verhandlungstag ist für den 21. Dezember angesetzt. | |
| 7 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Thöle | |
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