# taz.de -- Pläne gegen Feinstaub: Durchatmen dank Harnstoff | |
> Umweltschützer fordern flächendeckende Überprüfungen der Bremer | |
> Verkehrsemissionen. Außerdem gibt es eine Idee für den Lieferverkehr in | |
> der Stadt | |
Bild: Sind gut, reichen aber nicht: Umweltzonen. | |
BREMEN taz | In Bremen werden die von der EU festgelegten Grenzwerte der | |
Stickstoffoxidemissionen nach wie vor deutlich überschritten. Das sagt der | |
Verkehrsreferent des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Bremen, Georg | |
Wietschorke, und fordert eine „flächendeckende lufthygienische | |
Untersuchung“, wie es sie vor zehn Jahren schon einmal gegeben hat. Derzeit | |
werde die Luftqualität nur punktuell an einigen ausgewählten Standorten | |
gemessen, darunter die vielbefahrene Nordstraße und der Dobben. | |
Wichtig sei aber, auch andere stark frequentierte Bereiche zu überprüfen. | |
Dafür müssten keine zusätzlichen Messstationen errichtet werden, es reiche | |
eine Verkehrszählung, auf deren Basis man dann die Luftverschmutzung in dem | |
betreffenden Gebiet berechnen könne, sagte Wietschorke der taz. | |
Jens Tittmann, Sprecher des Umweltsenators Joachim Lohse (Grüne), sieht das | |
anders: „Wir haben in Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven insgesamt neun | |
Messstandorte, das ist gut und vernünftig über das bremische Gebiet | |
verteilt.“ Zudem würden nach Bedarf Sondermessprogramme durchgeführt, so | |
zum Beispiel an der Deponie Grauer Wall in Bremerhaven: Nach massiven | |
Anwohnerbeschwerden wird dort im Rahmen einer Sondermessung die | |
Feinstaubbelastung erhoben. | |
Im Übrigen sei die Fokussierung ausschließlich auf verkehrsbezogene | |
Standorte falsch, so der Sprecher des Senators. Vielmehr müsse die | |
gebietsbezogene Belastung überprüft werden, da nicht alle schädlichen | |
Emissionen nur vom Straßenverkehr ausgingen. | |
## Ausweitung der Umweltzone | |
Eine weitere Forderung des BUND ist die Ausweitung der Umweltzone: „Wir | |
haben in Bremen die kleinste Umweltzone im Vergleich zu ähnlich großen | |
Städten,“ sagt Georg Wietschorke. In Bremen umfasse sie etwa sieben | |
Quadratkilometer, in Hannover seien es hingegen 50 Quadratkilometer. „Die | |
Umweltzone hat in Bremen schon sehr viel erreicht – aber sie auszuweiten | |
ist aus unserer Sicht nicht sinnstiftend“, sagt dagegen Jens Tittmann. | |
Eher solle man sie verschärfen: „Deswegen hat Joachim Lohse ja auch so für | |
die blaue Plakette gekämpft.“ Die ist aber seit der letzten | |
Verkehrsministerkonferenz erstmal vom Tisch. „Wir zählen in dieser Frage | |
auf die massive Unterstützung des BUND und sollten uns gemeinsam an einen | |
Tisch setzen“, so Tittmann zur taz. | |
Und wie steht es mit einem Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren | |
bis 2030, wie jüngst von den Ländern im Bundesrat vorgeschlagen? „Das wäre | |
zwar wünschenswert, ist aber nicht realistisch“, sagt Gregor Wietschorke. | |
In erster Linie müssten die Hersteller dafür sorgen, dass die Autos | |
wirklich sauberer werden. | |
## Harnstoff tanken | |
Eine Möglichkeit bei Dieselfahrzeugen ist die „AdBlue“-Technik: Hier wird | |
neben Diesel Harnstoff getankt, der dazu führt, dass ein Dieselfahrzeug bis | |
zu 90 Prozent weniger Stickoxid ausstößt. „Das funktioniert auch, das weiß | |
man“, sagt Gregor Wietschorke. Allerdings sei diese Technik auch mit etwas | |
mehr Aufwand für den Verbraucher verbunden, der daran denken müsse, dass | |
auch immer genug Harnstoff im Tank ist. | |
Das Feinstaubproblem beim Diesel indes ließ sich durch den Einbau von | |
Partikelfiltern beheben. War bislang also immer der Diesel der Böse, rücken | |
dafür nun auch die Benziner in den Fokus: „Die ultrafeinen Stäube, die | |
durch die Benzindirekteinspritzer freigesetzt werden, halte ich für ein | |
sehr unterschätztes Problem“, erklärt Wietschorke. | |
Die Partikel, die lediglich in Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen werden, | |
dringen tief in den Lungentrakt ein. Bis es also so weit ist, dass in | |
Deutschland ganz auf Verbrennungsmotoren verzichtet werden kann, empfiehlt | |
Wietschorke einen Benzinhybridmotor oder einen Diesel, der die Euro-6-Norm | |
erfüllt. „Dennoch wird man auch um Fahrverbote nicht herumkommen“, sagt | |
Wietschorke, „wenn man dauerhaft die Grenzwerte einhalten will.“ | |
## Öffis fahren Diesel | |
Das könnte auch im öffentlichen Nahverkehr zu Problemen führen, denn auch | |
die Busse der BSAG fahren mit Diesel. Bei einem allgemeinen Fahrverbot | |
fielen die ebenfalls aus. „Die BSAG will ihre Flotte aber langfristig | |
umstellen, und sie tut auch etwas dafür“, sagt Wietschorke. | |
Ein wesentlicher Verursacher von Luftverschmutzung bleibt der | |
innerstädtische Lieferverkehr. Der Bremer BUND fordert eine Umstellung der | |
Belieferung der Innenstadt auf emissionsfreie Fahrzeuge. Bislang fahren die | |
großen 40-Tonner bis zum Güterverkehrszentrum, von wo die Waren auf | |
kleinere LKW verteilt zum Bestimmungsort gebracht werden. Hier, so eine | |
Idee des BUND, könnte man entweder auf Elektro-LKW umsatteln oder sogar | |
noch besser: Das Verkehrszentrum endlich an das Straßenbahnnetz | |
anschließen. | |
Tatsächlich beginnen in wenigen Wochen Gespräche zu der Frage, wie auch in | |
Bremen öffentlicher Nahverkehr zur Warenauslieferung eingesetzt werden | |
kann. „Wir schauen uns das sehr intensiv an“, sagt Jens Tittmann. | |
Ein Modellprojekt in Dresden macht es vor: Dort transportiert eine von | |
Volkswagen finanzierte Straßenbahn die benötigten Teile für die Produktion | |
vom Bahnhof bis zum Werk. Warum nicht auch bei Mercedes? Dort äußerte man | |
sich bis Redaktionsschluss noch nicht. Aber wenn das Bremer Werk demnächst | |
das erste Elektro-Auto mit Stern produziert, wäre die emissionsfreie | |
Anlieferung der Teile ein wichtiger Schritt. | |
16 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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