# taz.de -- Grüne und AfD Mittelsachsen: Zu Besuch beim Stammtisch | |
> Die Ex-Grüne Antje Hermenau war als Gastrednerin bei der AfD | |
> Mittelsachsen eingeladen. Gerüchte über einen Eintritt in die Partei | |
> dementierte sie. | |
Bild: Las auch aus ihrem Buch vor: Antje Hermenau | |
DÖBELN taz | René Kaiser, Kreisverbandschef der AfD Mittelsachsen, sorgte | |
sich vorab schon, dass die zahlreich anreisenden Journalisten Döbelner | |
Bürgern die Sitzplätze streitig machen könnten. 50 Einwohner fanden dann | |
aber doch problemlos Platz im Saal eines Hotels unweit des Döbelner | |
Rathauses. Eine ungewöhnlich hohe Zahl für einen „Thematischen Stammtisch“ | |
der Kreis-AfD, für die eine ungewöhnliche Referentin sorgte. Wo sonst eher | |
Rechtsintellektuelle wie Felix Menzel vom Magazin Blaue Narzisse zu Gast | |
sind, referierte und diskutierte am Mittwochabend die ehemalige grüne | |
Frontfrau Antje Hermenau. | |
Im Vorfeld kursierten deshalb im Internet schon Gerüchte über einen | |
bevorstehenden Parteieintritt Hermenaus. Seit sich die langjährige | |
Fraktionsvorsitzende und Landtags-Spitzenkandidatin 2014 wegen | |
schwarz-grüner Präferenzen mit ihren Bündnisgrünen überwarf, traut man ihr | |
offenbar alles zu. Den pressefreundlichen AfD-Kreischef Kaiser aber | |
verwundert schon eine entsprechende Nachfrage. „Den Gefallen werde ich | |
niemandem tun“, erklärt Antje Hermenau später auf taz-Nachfrage. „Ich bin | |
immer noch eine Tiefgrüne“, hatte sie in gewohnt forscher Weise in der | |
Diskussion behauptet. „Die ökologische Frage vorweg!“ | |
Zugleich äußert sie aber im Gespräch erneut Verständnis für alle, die „a… | |
Verzweiflung“ zu Pegida oder der AfD gehen. „Wir sind jetzt alle | |
heimatlos“, sagt Hermenau und meint damit nicht nur [1][ihren | |
Grünen-Parteiaustritt vor zwei Jahren]. Es gebe deshalb keine Alternative | |
zur Diskussion. „Wenn mich die Linken einladen würden, käme ich auch“, | |
bekräftigt sie ihre vorbehaltlose Offenheit. „Ich will keine gespaltene | |
Bevölkerung!“. Eingeladen wird die ehemalige Finanzexpertin allerdings | |
vorwiegend von der Wirtschaft und etablierten Kreisen. In Döbeln las sie | |
zunächst aus ihrem Buch „Die Zukunft wird anders“. | |
Ihre Trauer über das Scheitern des schwarz-grünen Projektes und | |
CDU-Empathien kann sie noch immer nicht verbergen. „Die Konservativen waren | |
zu schwach, dem Land eine neue Richtung zu geben“, erklärt sie und erhält | |
Beifall. Ansonsten erwies sie sich einmal mehr als beinahe schon | |
fatalistische Realistin, die historische Linien und globale Perspektiven | |
verarbeitet. | |
Wenn Antje Hermenau dann für ein unverzichtbares Arrangement mit den | |
arabischen Nachbarn, für Zuwanderung in Deutschland plädiert und vor | |
„harten Wohlstandsverlusten“ warnt, schauen manche der Deutschalternativen | |
düpiert drein. Erst recht, als sie das traditionalistische Familienbild der | |
AfD attackiert und sich gegen Beleidigungen einer Libanesin verwahrt. | |
Freundlicher ist die Reaktion, wenn sie Euro-Skepsis äußert, deutsche | |
Identitätskomplexe anspricht und sich „entspannte Deutsche in Europa | |
wünscht“. | |
Als Hermenau gerade nach der Berlin-Wahl Linke und AfD in einen Topf wirft | |
– „beide wollen bestimmte Dinge aus der DDR wiederhaben“ – geht es hoch | |
her. Doch wie zur Bestätigung steht ein älterer Herr vom gleichfalls am Ort | |
bestehenden Linken-Stammtisch auf und begrüßt die AfD als „belebendes | |
Element in der verkrusteten Parteienlandschaft der BRD“. Er regt einen | |
gemeinsamen Stammtisch an. Wenn Hermenau Gesprächsbereitschaft als ihre | |
„einzige Mission“ hinstellte, hat sie an diesem erstaunlich niveauvollen | |
und zivilisierten Abend ihr Ziel erreicht. Der Beobachter konnte zugleich | |
einiges über die AfD-Basis lernen. | |
22 Sep 2016 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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