Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach dem Wahl-Erfolg in Berlin: Schau mir in die Augen, AfD
> In sieben Bezirken wird die AfD künftig Stadträte stellen können. Ihr
> Personal dafür steht noch nicht fest, Streit um den richtigen Umgang gibt
> es aber schon.
Bild: Spätestens seit Sonntag schaut die Stadt auf die AfD
Katerstimmung in Berlin. Seit Sonntag ist klar: Die AfD wird nicht nur mit
fast ebenso vielen Abgeordneten ins Parlament einziehen wie Linke und
Grüne, sie hat auch ein Anrecht auf Stadtratposten in sieben Bezirken. Wie
jetzt also umgehen damit, dass die AfD dort in Regierungsverantwortung
kommt?
Matthias Köhne ist SPD-Politiker und Noch-Bürgermeister in Pankow, wo die
AfD künftig einen Stadtrat stellen wird. Köhne plädiert für einen
sachlichen Umgang: Die Parteien sollten gemeinsam daran arbeiten, die AfD
im Parlament und in den Bezirksämtern zu entzaubern. „Die AfD hat bislang
nur geredet, jetzt steht sie in der Verantwortung und muss liefern.“
Bislang, so schätzt Köhne, seien rund 90 Prozent der Entscheidungen unter
den Stadträten einstimmig getroffen worden. „Wir werden sehen, ob das
weiterhin möglich ist. Grundsätzlich kann man mit vernünftigen Leuten auch
sachlich zusammenarbeiten, wenn man sich politisch nicht einig ist.“ Dies
hänge allerdings davon ab, wen die Rechtspopulisten auf die Stadtratsposten
schicken: „Rechtsradikalen werden wir nicht zu politischer Macht
verhelfen.“
## Kandidaten unklar
Genau hinschauen will auch Oliver Igel, SPD-Bürgermeister in
Treptow-Köpenick, wo die AfD mit mehr als 20 Prozent ihr zweitbestes
Bezirksparlamentsergebnis nach Marzahn-Hellersdorf einfuhr: „Die Leute
werden wir uns ganz genau angucken und uns überlegen, ob sie die Eignung
für ein Stadtratsamt mitbringen.“ Igel sieht in dem Einzug der AfD auch
eine Chance: „Jetzt können wir eine ganz konkrete Auseinandersetzung mit
der AfD führen. Sie sind nun in der Pflicht, müssen Sachthemen beackern und
wir werden sehen, wie sie mit den neuen Aufgaben umgehen.“ Der Spandauer
Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) schlägt vor, auf den Einzug der AfD mit
der schon lange diskutierten Abschaffung des Proporzsystems auf
Bezirksebene zu reagieren. Dann könnten dort künftig nur noch die stärksten
Parteien regieren. Davon hält Igel nichts: „Das würde die AfD in ihrer
Märtyrerrolle noch bestärken.“
Mit wem die AfD ihre Stadtratposten besetzen will, möchte die Partei am
Dienstag noch nicht bekannt geben. Rolf Wiedenhaupt, Sprecher der AfD
Reinickendorf, spricht von einer „ganzen Reihe von Möglichkeiten“. Als
aussichtsreichster Kandidat gilt er selbst, sein Bezirkskollege Dieter
Neuendorf bescheinigt ihm „alle nötigen Fähigkeiten und das vollste
Vertrauen des Verbands“. Wiedenhaupt, der zwischen 1985 und 1995 für die
CDU im Abgeordnetenhaus saß und 1998 wegen Steuerhinterziehung für mehrere
Jahre in den Knast musste, würde gern das Sozialressort bekommen – „soziale
Gerechtigkeit ist mein Thema“, sagt er.
Auch in den anderen AfD-Kreisverbänden hält man sich mit personellen
Festlegungen noch zurück. „Wir könnten eigentlich jedes Ressort übernehmen,
haben für alles kompetente Leute“, sagt Jeanette Auricht als Vorsitzende in
Marzahn-Hellersdorf. Karsten Woldeit, selbst ebenso wie Auricht künftig im
Abgeordnetenhaus und außerdem Vorstandsmitglied in Lichtenberg, kündigt an,
sein Kreisverband werde sich am Donnerstag auf einen von zwei bis drei
möglichen Kandidaten einigen. Gesundheit und Sport seien die Themen, die
die Partei dort gerne besetzen würde. Jörg Kapitän, Vorsitzender in
Neukölln, hat offenbar schon einen konkreten Kandidaten im Blick: „Das ist
jemand, der in der Verwaltung arbeitet, bisher einfaches Parteimitglied,
hat den Wahlkampf aber kräftig und feucht-fröhlich unterstützt“, sagt er.
Dieser könne dann „das Ressort Verwaltung“ übernehmen, sagt er, wobei
unklar bleibt, was er damit meint.
Wird sich die AfD selbst entzaubern, wenn man sie nur machen lässt, wie es
auch Neuköllns SPD-Bürgermeisterin Franziska Giffey bereits vorgeschlagen
hat? Mathias Wörsching von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus ist
da skeptisch: „Die Erfahrung mit anderen rechtspopulistischen Parteien in
Europa hat gezeigt, dass eine Entzauberungsstrategie langfristig nicht
erfolgreich ist.“ Zwar könne so mit Glück „die eine oder andere Lachnumme…
unter den AfD-PolitikerInnen ausgebootet werden. „Insgesamt trägt diese
Strategie aber eher dazu bei, dass solche Parteien sich langfristig im
politischen System etablieren und verankern können.“
## Öffentliches Signal
Bei den Wahlen für die Stadträte seinen Protest auszudrücken, durch eine –
begründete – Ablehnung oder zumindest Enthaltung, hält Wörsching hingegen
für richtig: „Auch wenn ein Stadtratposten für die AfD vielleicht nicht
verhindert werden kann, wird so ein wichtiges Signal gegen Rechtspopulismus
in die Öffentlichkeit gesendet.“ Überhaupt: Inhaltlich in die
Öffentlichkeit zu vermitteln, warum man die AfD ablehne, sei das
Wichtigste, sagt Wörsching – Geschäftsordnungstricks würden hingegen wenig
weiterhelfen, weil sie keine inhaltlichen Argumente vermitteln. „Es muss
darum gehen, den AfD-Politikern ganz genau auf die Finger zu schauen und
alles, was da problematisch ist, öffentlich zu thematisieren“, sagt er.
Ein bisschen Zeit, um sich eine Strategie zu überlegen, haben die Politiker
noch: Die nächsten Sitzungen der Bezirksparlamente, auf denen die Stadträte
gewählt werden, finden erst Ende Oktober statt.
20 Sep 2016
## AUTOREN
Malene Gürgen
Robert Pausch
## TAGS
Berliner Bezirke
Schwerpunkt AfD in Berlin
Berlinwahl 2016
Schwerpunkt AfD
Wochenkommentar
Schwerpunkt AfD in Berlin
Kulturkampf
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt AfD in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Wochenrückblick II: Kampf um den Kiez
Treptow-Köpenick meldet eine Zunahme rechter Gewalttaten. Erfreulich, dass
sich die lokale Zivilgesellschaft dem immer deutlicher entgegenstellt.
AfD in den Bezirken: Unbedarft und ungepflegt
Wer sind die Neuen von der AfD, und was bedeutet ihr Einzug in die
Bezirksparlamente und Rathäuser? Eine Spurensuche in Treptow-Köpenick
Debatten-Reihe „Warum AfD?“ – Teil 2: Neoliberale mit völkischem Einschl…
Viele Wähler der Partei sind gebildet und gutsituiert. Sie wähnen sich im
Kulturkampf gegen Muslime, Schwule und Feministinnen.
Grüne und AfD Mittelsachsen: Zu Besuch beim Stammtisch
Die Ex-Grüne Antje Hermenau war als Gastrednerin bei der AfD Mittelsachsen
eingeladen. Gerüchte über einen Eintritt in die Partei dementierte sie.
Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer: Rechter am rechten Rand
Der zukünftige Berliner AfD-Abgeordnete Kay Nerstheimer ist sogar manchen
Parteikollegen zu rechts. Parteiausschluss? Fehlanzeige!
Stimmung in Berlin nach der Wahl: „Die haben nüscht anzubieten“
Mietenexplosion, Touristenschwemme, wachsende Armut und Flüchtlinge – die
Themen des Wahlkampfs beschäftigen die Berliner weiter.
AfD-Abgeordnete in Berlin: Rechte Truppe mit biederem Anstrich
Berlins Landeschef Pazderski präsentiert sich gern als Kosmopolit. In der
künftigen Fraktion tummeln sich aber viele äußerst rechte Abgeordnete.
AfD nach der Wahl in Berlin: Vom Frust beflügelt
Die AfD glaubt an eine Fortsetzung ihres Erfolgs bei der Bundestagswahl
2017. Aber nur wenige Wähler haben sie aus Überzeugung gewählt.
Wahlergebnisse der AfD in Berlin: Rechtsradikaler holt Direktmandat
Die AfD schneidet besser ab, als die ersten Prognosen erwarten ließen. In
Lichtenberg holt ein Vertreter des äußersten rechten Flügels ein Mandat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.