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# taz.de -- Lesung des „Tumult“-Magazins: In der rechten Blase
> Bei einer Lesung des Magazins „Tumult“ kommentiert ein Historiker den
> Anschlag von Hanau nur indirekt. Den Mord an Lübcke rechtfertigt er
> sogar.
Bild: Nicht mal postum ließ man dem 2019 ermordeten Walter Lübcke bei der Ver…
Die Lesungseinführung von Tumult-Verleger Frank Böckelmann im Dresdner
Dormero-Hotel ließ aufhorchen. „Erkenne die Lage“ sei das Motto seiner
„Vierteljahresschrift für Konsensstörung“. Bei der Veranstaltung des
Magazins, in dem regelmäßig Autoren der Neuen Rechten veröffentlichen,
bliebt die [1][Lage in Hanau] und in der Bundesrepublik dagegen auffällig
unkommentiert: zumindest direkt wurden die Ereignisse nicht angesprochen.
Dafür indirekt. Der Hauptgast des Abends, der 70-jährige Althistoriker Egon
Flaig, kommentierte die „Lage“ auf seine eigene makabre Weise. In seinem
neuen Buch „Was nottut. Plädoyer für einen aufgeklärten Konservatismus“
greift er die seiner Meinung nach „fatalen Worte“ des ermordeten Kasseler
Regierungspräsidenten bei einer Flüchtlingsdebatte nochmals auf: „Und wer
diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn
er will“, hatte dieser 2015 geäußert.
Lübcke zog sich daraufhin den Hass der gesamten Neuen Rechten zu.
Geschichtsprofessor Flaig gibt dem Ermordeten damit indirekt eine Mitschuld
an seinem Schicksal. „Wer in der Öffentlichkeit das Wort ergreift, muss für
seine Worte einstehen – lebenslang“, zitierte er aus seinem Buch.
Im krassen Widerspruch zu seiner Lübcke-Verantwortlichkeitsthese verstieg
sich Flaig dann zu der Behauptung, ein Sprecher sei „nicht verantwortlich
für die Art und Weise, wie seine Worte aufgenommen werden“. Die Wendung
„Worte töten“ sei „Schwachsinn“. Zynischer konnte man seine
Teilnahmslosigkeit gegenüber den Hanauer Morden einen Abend danach nicht
ausdrücken. Mit dieser Argumentation kann man alle Brandstifter und
Volksverhetzer exkulpieren.
## Apologie von Grenzen und Mauern
Flaig macht sich einerseits zum Anwalt der Aufklärung, verneint eine
Gleichsetzung von Konservatismus und Gegenaufklärung. Die mit ihr
verbundene Subjektwerdung des Menschen, die individuelle Befreiung von
Klischees und Dogmen mittels einer universellen Vernunft aber stellt er
hinter ein amorphes Gemeinwohl zurück. „Wenn die Verfassung die Rechte des
Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, wird sich die Gesellschaft auflösen“,
behauptet der Historiker allen Ernstes. „Du bist nichts, dein Volk ist
alles“, hört man es im Hintergrund geradezu dröhnen. Ganz abgesehen davon,
dass ein Flaig-Satz wie „Vernunft begrenzt sich durch Tradition und
Orientierung am Bewährten“ nun gar nichts mehr mit Aufklärung zu tun hat.
Ausführlich ergeht sich Flaig in einer Apologie von Grenzen und Mauern,
ohne die keine staatsbürgerliche Gesellschaft funktioniere. Ein radikaler
globaler Neoliberalismus und ein universeller Humanismus lösten diese
Grenzen auf.
Die Widersprüche und Antagonismen des Abends aber schienen die knapp 50
Hörer in Dresden nicht zu bemerken, die ausschließlich affirmative Fragen
stellten. Unter ihnen die frühere Grüne Antje Hermenau, die ehemalige
PDS-Aktivistin Barbara Lässig oder Frauke Petrys ehemaliger Sprecher Thomas
Hartung von der AfD. Am Ende dieser Auftaktlesung darf man sich fragen,
warum es um die geplante Lesereihe im Vorfeld solches Aufsehen gab. Solche
sektenähnlichen Zusammenkünfte, die freilich mit verhängnisvollem
Gedankengut spielen, kann eine freiheitliche Gesellschaft aushalten – wenn
es eine wache Öffentlichkeit gibt, die den Unsinn beim Namen nennt.
21 Feb 2020
## LINKS
[1] /Anschlag-in-Hanau/!5665253
## AUTOREN
Michael Bartsch
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Neue Rechte
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