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# taz.de -- „Wir haben es satt“-Kongress in Berlin: Wie sich die Bewegung v…
> Die Bewegung für eine neue Agrarpolitik braucht konkrete Forderungen,
> sagt Demo-Organisator Jochen Fritz. Und weniger Panikmache.
Bild: „Wir brauchen einen langen Atem“, sagt Jochen Fritz. „Aber die Ener…
taz: Herr Fritz, am Wochenende diskutiert die Bewegung für eine Agrarwende
auf dem [1][„Wir haben es satt“-Kongress] in Berlin über ihre Strategie.
Warum brauchen wir eine neue Landwirtschaftspolitik?
Jochen Fritz: In den letzten zehn Jahren haben über 100.000 Höfe
aufgegeben. Und die Politik reagiert nicht. Jetzt fusionieren Bayer und
Monsanto. Da sehen wir die Rechte der Bauern in Gefahr. Hier geht es um die
Frage: Wer hat die Macht übers Saatgut?
Warum brauchen Umwelt und Tiere eine neue Agrarpolitik?
Legehennen werden routinemäßig die Schnäbel, Schweinen die Schwänze
gekürzt. Immer mehr Pflanzen- und Tierarten sterben aus. Unsere Ernährung
trägt massiv zum Klimawandel bei.
Was hat die Bewegung bisher erreicht?
Viele Ställe sind nicht gebaut worden. Es ist eine Riesenbewegung gegen
Massentierhaltung entstanden. Das Baugesetzbuch wurde so geändert, dass es
für gewerbliche Betriebe nicht mehr leicht ist, außerhalb von geschlossenen
Ortschaften zu bauen. Die bienenschädliche Pestizidgruppe Neonicotinoide
ist vorübergehend nicht mehr zugelassen. Auf jeden Fall haben wir ein
Umdenken in der Gesellschaft angestoßen.
Was meinen Sie damit?
Vielen Leuten ist wieder wichtig, wo ihr Essen herkommt. Und es gibt eine
Mehrheit für strengere Umwelt- und Tierschutzregeln in der Landwirtschaft.
Auch das Höfesterben ist den Menschen nicht egal.
Die Politik hat sich doch kaum verändert. Die Tierschutzvorschriften etwa
sind so lax wie eh und je.
Ja, die Politik bewegt sich erschreckend langsam. Aber die Energiewende hat
ja auch 40 Jahre gebraucht. Wir brauchen einen langen Atem.
Was muss die Bewegung anders machen, um mehr politische Veränderungen zu
bewirken?
Daran wollen wir während des Kongresses arbeiten. Ich persönlich glaube:
Wir müssen vom Satthaben zum Einmischen kommen. Wir müssen genauer in
unseren Forderungen werden. Im Wahljahr 2017 sollten wir konkretere
Gesetzesänderungen einfordern.
Zum Beispiel?
Dass man Pestizide und die Antibiotika in der Tierhaltung um mindestens 50
Prozent reduziert. Man müsste die Zahl der Tiere pro Hektar in besonders
belasteten Regionen senken.
Sollte die Agrarbewegung mehr Allianzen jenseits des eigenen Dunstkreises
schließen?
Absolut. Das haben wir zu manchen Themen, zum Beispiel zum Pestizidthema
mit Wasserwerkern, zu Antibiotika mit Humanmedizinern. Doch das Bündnis
müsste generell wachsen. Da sind auch die Gewerkschaften eingeladen. Wir
sind schon in Kontakt.
Muss die Bewegung auf falsche Behauptungen und Übertreibungen verzichten,
um weitere Unterstützerkreise zu erschließen?
Die inhaltliche Auseinandersetzung hat sich in den letzten Jahren
verändert, und wir arbeiten daran weiter. Aber man kann sich nicht davon
verabschieden, Dinge einfach darzustellen. Sonst erreichen wir die Menschen
nicht. Und es ist nicht so simpel wie „Atomkraft nein danke“. „Agrarwende
jetzt“ ist viel komplexer.
Von welchen Argumenten sollte sich die Bewegung verabschieden?
Es geht um Bilder, wie das Chlorhühnchen beim geplanten Freihandelsabkommen
TTIP zwischen EU und USA. Für mich ist das Chlorhühnchen ein Symbol für die
industrialisierte Landwirtschaft, bei der man am Ende mit Chlor behandeln
muss, weil das ganze System zu viele Keime erzeugt. Aber: Es wird niemand
umfallen, wenn man ein Chlorhühnchen isst. Das sind Bilder, die man
produziert hat, um ein Thema zu vermitteln. Da haben wir gelernt, dass wir
sprachlich etwas verändern müssen. Und das haben wir in dem Punkt auch
getan.
Viele Agraraktivisten behaupten auch, dass der EU-Handelsvertrag mit Kanada
(Ceta) der deutschen Landwirtschaft schade. Stimmt das?
Ceta schadet erst mal den kanadischen Milchbauern. Die haben nämlich einen
Milchpreis, von dem sie existieren können. Wenn jetzt Europa mehr Käse
dahin liefern kann, dann wird da drüben ein Preisdruck entstehen.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Ceta den europäischen Milchbauern
nützt, weil sie neue Exportkontingente bekommen, oder?
Wir müssen von dieser Exportorientierung runter. Was haben wir gewonnen,
wenn dafür Berufskollegen in Kanada aufgeben müssen?
30 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.wir-haben-es-satt.de/start/kongress/startseite/
## AUTOREN
Jost Maurin
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