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# taz.de -- Kritik an Trennung vom Muttertier: Abschiedsschmerz auch bei Kühen
> Tierschützer protestieren gegen die frühe Trennung von Mutter und Kalb.
> Alternative Aufzuchtformen existieren – und sind gar nicht so aufwendig.
Bild: Bye bye, Babykuh?
Eltern schmerzt der Abschied von ihren Kindern – bei Menschen wie bei
Kühen. Doch wie das Leiden lindern? Dazu haben die Tierrechtler von Peta
nun eine Kampagne gestartet. Im [1][„Goodbye Milch“-Spot] sieht man, wie
eine tieftraurige Mutter ihren Sohn am Bahnhof verabschiedet. In der
nächsten Szene wird auf eine Kuh, die ihr Junges ableckt, geschwenkt. Kurz
danach nähert sich eine dunkle Gestalt und entreißt der Mutterkuh ihr Kalb.
Das sei für „Millionen Kühe in der Milchindustrie brutale Realität“.
In der Tat haben Muttertier und Kalb bei Milchkühen nicht viel voneinander:
Schon nach wenigen Stunden oder am Tag nach der Geburt werden sie
üblicherweise voneinander getrennt. Weshalb Peta nun zum Verzicht auf
Kuhmilch aufruft, inklusive „Gewinnchance auf No-Milk-Startersets der
kooperierenden Firma Oatly sowie die Möglichkeit, an einer
21-Tage-[2][#GoodbyeMilch]-Challenge teilzunehmen“. Stattdessen setzen sich
die Tierrechtler für den Konsum von pflanzlichen Alternativen wie Soja-
oder Hafermilch ein.
„Natürlich ist das ein Stück weit wider die Natur“, gesteht Hans
Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Doch
eine relativ schnelle Trennung nach der Geburt verursache weniger Schmerzen
als eine zu lange Gewöhnungsphase, sagt Foldenauer. Kerstin Barth, die am
bundeseigenen Thünen-Institut für Ökologischen Landbau zu Kälberaufzucht
forscht, bestätigt das: „Je länger Kalb und Kuh zusammen sind, desto
stärker die Bindung und desto größer wird auch der Trennungsstress.“
Dennoch plädiert Barth für eine spätere Trennung, wie sie zum Beispiel bei
der alternativen muttergebundenen Kälberaufzucht praktiziert wird.
Mutterkuh und Kalb bleiben dabei mehrere Wochen oder sogar Monate zusammen.
Das bedeute nicht nur mehr Zuwendung und Fürsorge für das Junge, sondern
auch eine bessere Entwicklung des Sozialverhaltens. „Die Vorteile für das
Tierwohl überwiegen“, sagt Barth. Wichtig sei nur, dass die Trennung nach
der längeren Gewöhnungszeit möglichst schonend abläuft.
Auch viele VerbraucherInnen befürworten eine spätere Trennung. So sprachen
sich in einer repräsentativen Umfrage der Universität Göttingen und der
University of British Columbia 39 Prozent dafür aus, für eine frühe
Trennung hingegen nur 18 Prozent.
## Der Liter kostet 26 Cent mehr
Doch nur wenige Höfe praktizieren eine alternative Aufzuchtsform. Auch für
Bio-Milchbauern ist diese nicht verpflichtend. Bundesweit 43 Höfe hat die
Welttierschutzgesellschaft aufgelistet, die muttergebundene Aufzucht
betreiben oder mit Ammenkühen arbeiten, die die Kälber aufziehen.
Ein Grund dafür ist laut Barth, dass die Ställe normalerweise nicht für das
Zusammensein von Kalb und Kuh gestaltet sind. Die Ställe umzubauen sei mit
entsprechenden Kosten verbunden. Wenn das Kalb länger bei der Mutter
bleibt, trinkt es zudem mehr Milch, die dann nicht mehr verkauft werden
kann. Die alternative Milch müsste also im Verkauf wesentlich teurer sein.
„Alle wollen die Haltung, aber nicht den Preis dafür bezahlen“, sagt jedoch
Martina Bressel, die mit ihrer Familie im brandenburgischen Chorin den
Demeter-Hof Schwalbennest betreibt. Die Kälber bleiben hier bis zu acht
Monate bei der Mutter. 1,35 Euro kostet der Liter Vollmilch bei Bressels,
ein Liter konventionelle Bio-Vollmilch kostet derzeit etwa ab 1,09 Euro.
Verkauft wird die Milch direkt vom Hof als Rohmilch, ähnlich wie bei
anderen Höfen, die auf eine der alternativen Aufzuchtsformen setzen. Manche
liefern auch an Molkereien. Doch diese erfassen die „alternative“ Milch
nicht separat. Die VerbraucherInnen wissen also nicht, ob sie mit ihrem
Milchkauf das längere Zusammensein von Kuh und Kalb unterstützen.
Wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, warum sich das
tierfreundlichere Aufzuchtkonzept nicht durchsetzt: „Die Vermarktungsfrage
ist wichtig, die Milch muss als solche gekennzeichnet sein“, sagt
Thünen-Forscherin Barth.
5 Feb 2018
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=fq9Fn1NhAK4
[2] https://twitter.com/search?q=%23GoodbyeMilch&src=typd
## AUTOREN
Alexander Wenzel
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