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# taz.de -- Gewalt gegen Flüchtlinge in Sachsen: „Das wirkte organisiert“
> Neonazis jagten Flüchtlinge durch Bautzen. Laut Polizei griffen die
> Geflüchteten zuerst an – doch der rechte Auflauf schien verabredet.
Bild: Ein Flüchtling aus Bautzen zeigt die Schnittwunde, die er von der Ausein…
Dresden taz | Alexander Ahrens hat eine Dienstreise abgebrochen, am
Donnerstag eilte er zurück nach Bautzen. „Ich bin wütend und entsetzt“,
sagt der parteilose Bürgermeister. Gewalt, egal von wem, verurteile er
„aufs Schärfste“.
Am Mittwochabend hatte Ahrens’ Stadt für Negativschlagzeilen gesorgt. Laut
Polizei lieferten sich 80 Deutsche „aus dem rechten Spektrum“ mit 20
Asylbewerbern auf dem Kornmarkt eine „Auseinandersetzung“. Die Rechten
hätten Parolen skandiert, Bautzen und der Kornmarkt gehöre den Deutschen.
Die Tätlichkeiten seien von den Flüchtlingen ausgegangen, nachdem es
beiderseitig zu Verbalattacken gekommen war.
Laut Polizeibericht wurden Polizisten mit Gegenständen beworfen, als die
Beamten beide Gruppen trennen wollten. Diese setzten daraufhin Schlagstöcke
und Pfefferspray ein. Die Rechten wiederum verfolgten die Ausländer, die in
eine Asylbewerberunterkunft flüchteten. Unter ihnen sollen zwei Araber mit
Schnittverletzungen sein. Die Polizei, die mit etwa 100 Beamten im Einsatz
war, schützte die 32 jungen Bewohner, bis die Verfolger abrückten.
Eine Augenzeugin schildert es der taz gegenüber anders. Bis zu 150 Rechte
hätten sich am Abend versammelt, sagt die Bautzener Flüchtlingshelferin
Annalena Schmidt, die zufällig vor Ort war. Die Autos seien aus umliegenden
Städten gekommen, aus Kamenz oder Weißwasser. „Das wirkte organisiert und
wurde immer bedrohlicher.“ Als die Polizei eintraf und den Flüchtlingen
befahl, ins Heim „abzuhauen“, hätten diese Stöcke auf die Beamten geworfe…
Diesen Moment hätten die Rechten genutzt und seien auf Asylbewerber
zugestürmt. „Wir konnten nur noch rennen“, so Schmidt.
## Neonazis feiern im Internet
Auf Videos sieht man diese Szene. Eine Personengruppe läuft dort über die
Straße, skandiert „Wir sind das Volk“. Laut Polizei attackierte die Gruppe
später noch einen Krankenwagen, der unterwegs zu einem verletzten
18-jährigen Flüchtling war, und zwang die Ärzte zum Umkehren.
Damit eskalieren die seit Längerem schwelenden Spannungen am Kornmarkt in
Bautzen. Die 40.000-Einwohner-Stadt gilt auch als Hauptstadt der sorbischen
Minderheit und verfügt eigentlich über bikulturelle Erfahrung. Im Februar
war allerdings ein als Asylbewerberheim vorgesehenes ehemaliges Hotel
angezündet worden. Schaulustige klatschten. Nach Auskünften von Einwohnern
hat sich seither bei der Flüchtlingsarbeit in der Stadt wenig getan. Die
Asylbewerber würden regelmäßig beleidigt, sagt auch Schmidt. Im Internet
feierten lokale Neonazis die Ausschreitungen: „Danke Bautzen.
#Pogromstimmung.“
Der Kornmarkt am Rande der Innenstadt gilt als Problemzone. Obdachlose
halten sich hier auf. Flüchtlinge kommen ebenfalls gern, weil das nahe
Kornmarkt-Center kostenfreies WLAN anbietet. Junge Deutsche treffen sich
ebenfalls am Platz. Alkohol fließt reichlich.
Schon am Freitag liefen eine Kundgebung von Rechten und eine Gegendemo aus
dem Ruder, an der sich auch Flüchtlinge beteiligten. Neonazis beschimpften
Asylbewerber laut Zeugen als „Negerschweine“, es flogen Böller. Als ein
Syrer eine Flasche warf, zückte ein Rechter ein Messer. Mehrfach musste die
Polizei in den Folgetagen auf dem Kornmarkt kleinere Gruppen trennen, es
gab Handgreiflichkeiten zwischen Rechten und Flüchtlingen. Holger Thieme,
Chef des nahen Best-Western-Hotels, nannte die Situation „unerträglich“ und
forderte ein Alkoholverbot, die Abschaltung der Hotspots und Platzverweise.
Der Landkreis will für die rund 30 jugendlichen Flüchtlinge nun tatsächlich
ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19 Uhr aussprechen. Vier
„Rädelsführer“ wurden laut einem Polizeisprecher am Donnerstag in andere
Einrichtungen verlegt. Auf rechten Internetseiten wurde derweil aufgerufen,
am Abend wieder auf den Kornmarkt zu kommen. Innenminister Markus Ulbig
(CDU) kündigte an, die Polizeikräfte „anzupassen“ und „keine Gewaltexze…
zu tolerieren“.
Bürgermeister Ahrens hatte schon zuvor Streetworker, mehr Polizei und
Ordnungsamt für den Platz versprochen. Nun übt er sich im Mutmachen: „Wir
werden die Situation in den Griff bekommen.“
15 Sep 2016
## AUTOREN
Michael Bartsch
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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