Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umfrage unter Europaabgeordneten: Was ist an der EU so toll?
> Was hat die EU an Gutem gebracht? Das haben wir die EU-Parlamentarier
> gefragt. Hier ihre Antworten – von Freizügigkeit bis Roaming-Abschaffung.
Bild: Ein Europa für die Menschen – so ungefähr? In einem Europawahllokal i…
Nach der britischen Entscheidung für den Brexit wollten wir von den 751
Abgeordneten des Europäischen Parlaments wissen: Was ist eigentlich, ganz
konkret, gut an der EU? Und was könnte besser sein?
Wir haben sie gefragt, welche konkrete EU-Regelung ihrer Meinung nach das
Leben vieler Menschen besonders positiv verändert hat und worin das größte
Verdienst der EU allgemein besteht. Und auch um ihre Visionen für Europa
haben wir gebeten.
72 Abgeordnete haben geantwortet, knapp 10 Prozent. Von den 96 deutschen
EuropaparlamentarierInnen waren es 48, also exakt die Hälfte. Hier
präsentieren wir Ihnen eine Auswahl der Antworten. Die komplette Liste
finden Sie unter [1][www.taz.de/eurovision].
Welche Richtlinie oder Verordnung hat das Leben verbessert? Und welche
europäische Errungenschaft schätzen Sie besonders?
Andreas Schwab, CDU, Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): Das Beste
ist definitiv das ‚Erasmusprogramm‘. Bis heute haben ungefähr 3,5 Millionen
Europäer am Programm teilgenommen, und es sind vermutlich ca. eine Million
„Erasmus-Babys“ daraus entstanden. Für junge Menschen ist dieses eine
fantastische Möglichkeit, unseren vielseitigen Kontinent kennenzulernen.
Auch der Kinofilm ‚L’auberge espagnol‘ ist daraus entstanden. Das ist
Völkerverständigung pur.
Sabine Lösing, Linke, Fraktion Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne
Linke (GUE/NGL): Die Verordnung (EG) 561/2006 zu den Lenk- und Ruhezeiten
hat wohl die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit im Straßenverkehr für
viele Menschen verbessert.
Ulrike Lunacek, Österreich, Grünen, Fraktion Grüne/Freie Europäische
Allianz (EFA): Die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien
(Antirassismus-Richtlinie, Rahmenrichtlinie Beschäftigung und
Gender-Richtlinien) haben große Fortschritte beim Schutz vor
Diskriminierung gebracht, gerade am Arbeitsplatz. Ohne die Prinzipien und
Richtlinien der EU gäbe es in vielen Ländern der Union gerade in
gesellschaftspolitisch immer noch kontroversiellen Bereichen wie den
gleichen Rechten für Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexpersonen, aber
auch bei der Gleichstellung von Frauen keine schützenden Regelungen.
Gabriele Preuß, SPD, Fraktion Socialists & Democrats (S&D): Die
Freizügigkeitsrichtlinie ist in meinen Augen das größte ‚Einzelprojekt‘,
von dem Millionen Europäerinnen und Europäer profitieren.
Sylvie Goulard, Frankreich, Fraktion Liberale und Demokraten (ADLE): Das
Beste, was die EU bewirkt hat, ist das Erasmus-Austauschprogramm; man
bräuchte ein solches Programm auch für Politiker, die so die
Verschiedenheit der Mentalitäten verstehen lernen könnten. Am einfachsten
wäre das im Rahmen einer Partnerschaft der nationalen Parlamente, der
Gemeinden oder Regionen zu organisieren, mit einem Austausch für
Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, der von einigen Tagen bis zu mehreren
Monaten dauert.
Beatrix von Storch, AfD, Fraktion Europa der Freiheit und der direkten
Demokratie (EFDD): Da die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 „Schengener
Grenzkodex“ nicht mehr praktikabel ist und die Verordnung (EG) Nr. 974/1998
„Einführung des Euro“ geordnet abgeschafft werden sollte, ist das
vermutlich beste EU-Gesetz für das tägliche Leben die „Verordnung (EG) Nr.
2396/2001 der Kommission vom 7. Dezember 2001 zur Festlegung der
Vermarktungsnorm für Porree und Lauch“.
Martina Werner, SPD, S&D: Die EU ist das Forum schlechthin, das verhindert,
dass wir uns im nationalen Kleinklein verlieren. Sie ist der Albtraum von
Marine Le Pen, Nigel Farage, Alexander Gauland und Geert Wilders, weil sie
grenzüberschreitend denkt. Ich will mir Europa ohne die EU nicht
vorstellen.
Françoise Grossetête, Frankreich, EVP: Die Richtlinie über Arzneimittel für
seltene Leiden ist 2000 in Kraft getreten. Sie setzt Anreize für die
Erforschung und Entwicklung innovativer Behandlungsweisen für seltene
Krankheiten, unter denen zwischen 27 und 36 Millionen Menschen in Europa
leiden, und dafür, sie in Verkehr zu bringen. Bis heute wurden mehr als 110
dieser neuen Produkte freigegeben.
Ismail Ertug, SPD, S&D: In einer Zeit, in der wir so mobil wie noch nie
sind, stellen die von der EU festgelegten Fahrgastrechte im Schienen-
(Verordnung 1371/2007), Luft- (Verordnung 261/2004), Straßen- (Verordnung
181/2011) und Schiffsverkehr (Verordnung 1177/2010) einen sehr großen
Mehrwert für die EU-Bürgerinnen und -Bürger dar. … Interessanterweise sind
Fahrgastrechte ein anschauliches Beispiel, wie sinnvolle von Europäischer
Kommission und Europäischen Parlament erarbeitete EU-Gesetzgebung im Rat
von den Mitgliedsländern verschleppt wird.
Jan Philipp Albrecht, Grüne, EFA: Um dafür zu sorgen, dass der hohe
Datenschutz in der EU … nicht umgangen oder gar ignoriert werden kann, hat
das Europäische Parlament im April dieses Jahres die
Datenschutz-Grundverordnung verabschiedet, mit der ab Frühjahr 2018 ein
einheitlicher hoher Datenschutzstandard in der ganzen EU gelten wird.
Hans-Olaf Henkel, Alfa, Fraktion Konservative und Reformer (EKR): Das
Europäische Parlament ist das eloquenteste und einflussreichste Parlament
der Welt, wenn es um die Verbreitung der Menschenrechte geht.
Angelika Niebler, CSU, EVP: Die Abschaffung der Roaming-Gebühren, weil
damit endlich länderübergreifende Kommunikation in der EU für alle
Bürgerinnen und Bürger erschwinglich geworden ist. Und auch für die
Unternehmen von den Start-ups über KMUs bis zu großen Unternehmen und allen
möglichen Organisationen ein finanzieller Hemmschuh beseitigt ist, der die
wirtschaftliche Entwicklung spürbar belastet hat.
Kateřina Konenčá, Tschechien, GUE/NGL: Gut sind nahezu alle Regelungen und
Richtlinien, die den Schutz der Umwelt, Biodiversität und das
Gesundheitswesen betreffen. … Die Richtlinie 2001/81/EG zum Beispiel setzt
nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe fest.
Peter Liese, CDU, EVP: Persönlich möchte ich … die Verordnung zur Senkung
des Energieverbrauchs von Haushalts- und Bürogeräten im Stand-by-Betrieb
nennen. Die Verbraucher in Deutschland sparen dadurch jährlich Stromkosten
in Höhe von gut 1,2 Milliarden Euro.
Wie lautet Ihre Vision für Europa?
Sylvia-Yvonne Kaufmann, SPD, Fraktion Socialists & Democrats (S&D): Meine
Vision: die Vereinigten Staaten von Europa bzw. die Republik Europa.
Martin Häusling, Grüne, Fraktion Grüne/Freie Europäische Allianz (EFA): Als
agrarpolitischer Sprecher würde ich unser Europa am liebsten zur 100-%igen
Ökolandbau-Modellregion machen.
Charles Goerens, Luxemburg, Fraktion der Liberalen und Demokraten (ADLE):
Es muss eine erhöhte Bereitschaft der Mitgliedstaaten bestehen,
Verantwortung zu übernehmen und alle anfallenden Lasten – im
Flüchtlingsbereich zum Beispiel – gemäß seinen Möglichkeiten mitzutragen.
Demnach ein föderales Europa.
Rainer Wieland, CDU, Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): Dass ich
es als Deutscher irgendwann als so normal empfinde, keinen Außenminister
mehr zu haben, wie ich das heute als Baden-Württemberger normal finde.
Ulrike Trebesius, Alfa, Fraktion Europäische Konservative und Reformer
(EKR): Ich möchte gerne die Verantwortung für politische Entscheidungen so
weit wie möglich auf die nationale Ebene zurückverlagern, um Politik
bürgernäher und verständlicher zu machen. Meine Zukunftsvision ist ein
Europa, das auf freiwilliger Kooperation nach dem „À la carte“-Prinzip
beruht.
Dimitrios Papadimoulis, Griechenland, Fraktion Vereinigte Europäische
Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL): Europa muss zurück zu seinem Kern
finden, zu den Gründungsprinzipien und -werten: soziale Gerechtigkeit und
faires Wachstum betonen, die Sorgen und Ängste der Menschen und vor allem
der jungen Bevölkerung hören. Konservative, rechtsaußen stehende und
xenophobe Kräfte können das nicht.
Axel Voss, CDU, EVP: (Wir) benötigen … unter anderem ein militärisches
Zusammenwachsen zu einer starken eigenen Verteidigungsgemeinschaft, eine
gemeinschaftliche Außenpolitik, eine Energieunion, einen kreativen
digitalen Binnenmarkt, ein Zusammenwachsen in Fragen der inneren
Sicherheit, die den Einsatz von Datenanalysen als Lebensschutz zur
Terrorbekämpfung erlaubt, und ein Europa, welches sich über
Freihandelsverträge vernetzt.
Jean Lambert, Großbritannien, EFA: Ungleichheit bekämpfen und die
sozial-ökologische Transformation anführen.
Jo Leinen, SPD, S&D: Die Europäische Kommission sollte zu einer Regierung
weiterentwickelt werden, die durch das Europäische Parlament als
Bürgerkammer und eine zweite Kammer, in der die Staaten repräsentiert sind,
kontrolliert wird und entlassen werden kann. Nationale Vetos sollte es nur
noch in absoluten Ausnahmefällen geben.
Pascal Arimont, Belgien, EVP: Wir brauchen weder einen EU-Zentralstaat noch
ein Europa, das auf ein Minimum reduziert wird. Vielmehr sollte bei allem
die Frage im Mittelpunkt stehen, welche Probleme auf welcher Ebene am
besten lösbar sind.
Karoline Graswander-Hainz, Österreich, S&D: Es muss endlich Schluss sein
mit der immer wiederholten, rein imaginierten Trennung: „wir“ und „die in
Brüssel“. … Alle EuropäerInnen wählen die Abgeordneten zum EU-Parlament,
sie wählen ihre nationalen Regierungen, diese beschicken die EU-Kommission
und treten im Rat als Ko-Gesetzgeber auf.
Sven Giegold, Grüne, EFA: Wenn alle europäischen Entscheidungen vollständig
transparent und unter starker Bürgerbeteiligung getroffen werden, wird
Europa auch handlungsfähiger und sozialer werden. Dazu brauchen wir eine
breite europäisch organisierte Zivilgesellschaft und europäische Parteien,
die in der Lage sind, den Einfluss mächtiger Lobbygruppen zurückzudrängen.
Burkhard Balz, CDU, EVP: Europa braucht eine Verschnaufpause – Zeit für
Reflexion. … Ein Systemcheck ist in dieser Hinsicht sicherlich mehr als
angebracht. Denn wir wollen ein besseres, smarteres Europa.
Rebecca Harms, Grüne, EFA: Europäische Union. Wenn Träume wahr werden, ist
die Beschäftigung mit Wirklichkeit dran. Wir Privilegierten, die wir
überall in dieser Europäischen Union leben oder sogar Politik machen
dürfen, müssen das Erreichte verteidigen, müssen es überprüfen und
verbessern, damit nächste Generationen so wie meine eigene davon
profitieren.
24 Sep 2016
## LINKS
[1] /eurovision
## AUTOREN
Klaus Raab
## TAGS
Europäische Union
Europäisches Parlament
Europaparlament
Parlamentarier
Zukunftsvision
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Brexit
Roaming
Rebecca Harms
EU-Förderprgrogramm
Großbritannien
Europa
Europäisches Parlament
Europäische Union
Schwerpunkt Brexit
Europäische Union
## ARTIKEL ZUM THEMA
Alternativen zum Fliegen: Europa erfahren, wie?
Damit Menschen ökologisch reisen können, müssen neben der Infrastruktur
auch Details verbessert werden. Ein Beispiel: die Fahrgastrechte.
Europa-Skeptiker treffen sich in Berlin: Nur kurze Einigkeit
AfD-Frau Beatrix von Storch hat Nigel Farage nach Berlin eingeladen – um
ein paar Gemeinsamkeiten zur Schau zu stellen.
Roaming-Gebühren im EU-Ausland: Ende mit bitterem Beigeschmack
Extra-Gebühren für Mobilfunknutzer im europäischen Ausland fallen ab
Donnerstag weg. Kostenfallen gibt es aber immer noch.
Grüne Vorsitzende im Europaparlament: Harms geht! Harms bleibt
Rebecca Harms scheitert daran, die Nörgler der Fraktion auf Pro-EU-Kurs zu
bringen. Den linken Parteiflügel freut der Rücktritt der Realo-Grünen.
Kostenloses Interrail: Senk ju for träwelling in Jurop
Die EU-Kommission denkt darüber nach, jedem 18-jährigen Europäer ein
Interrail-Ticket zu schenken. Super! So funktioniert Europa.
Datum für Brexit-Verhandlungen: Im März geht's los
Die britische Premierministerin Theresa May hat sich lange Zeit gelassen.
Jetzt hat sie ein Datum für die Austrittsverhandlungen genannt.
Europäische Schule in Brüssel: Zahnspange, Glitzersocken und Europa
Wer für die EU arbeitet, schickt seine Kinder auf eine Europäische Schule.
Was halten die Schülerinnen und Schüler von Europa?
Umfrage unter Europaabgeordneten: Die Top 10 der EU-Gesetze
Welcher Beschluss hat das Leben verbessert? Das wollten wir von den
EU-Abgeordneten wissen. Hier die meistgenannten Antworten.
Umfrage unter Europaabgeordneten: Was zeichnet die EU aus?
Wir haben die Europaparlamentarier gefragt, was das Beste an der EU ist –
und wie ihre Vision für die Zukunft aussieht. Hier alle 72 Antworten.
Großbritannien nach dem Brexit: Wo geht's hier zum Ausgang?
Vor drei Monaten stimmten die Briten für den Brexit, passiert ist seitdem
wenig. Weil Premier May zögert, gibt der Außenminister den Ton vor.
EU-Gipfel in Bratislava: Europäische Union will den Neustart
Wie kritisch ist die Situation der EU? Die 27 bleibenden Staaten der Union
suchen in Bratislava eine gemeinsame Agenda.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.