| # taz.de -- Queere Streaming-App „Revry“: Nicht nur weiß und straight | |
| > Eine neue Streaming-App für queere Filme, Dokus und Serien soll | |
| > Diversität fördern. Damit richtet sich „Revry“ an bisher übersehene | |
| > Konsumenten. | |
| Bild: Kocht Bi Bim Bap vor der Kamera: Dragqueen Kim Chi | |
| Der US-Serienmarkt boomt. Wöchentlich erscheinen neue Shows. Jede noch so | |
| unbekannte Welt lässt sich streamen: Hacker mit Paranoia, Geheimagenten mit | |
| Psychosen, Prinzessinnen mit Drachen. Mittlerweile haben Sender und | |
| Streamingdienste auch das Potenzial von LGBTI-Themen entdeckt. Serien wie | |
| Amazons „Transparent“ und Netflix' „Orange Is The New Black“ zeigen | |
| erfolgreich schwule, lesbische, Bi-, Trans- und Inter-Figuren in | |
| Hauptrollen und erzählen von Coming-out – aber auch von ganz alltäglichen | |
| Nöten. | |
| Das sei gut, sagt Damian Pelliccione, aber noch nicht gut genug. Der | |
| 35-jährige Moderator, Schauspieler und Unternehmer gilt in den USA als eine | |
| Art „schwuler Medienguru“. Tausende folgen seinem queeren | |
| Techniknerd-Channel „[1][Boys in Tech]“ auf YouTube und Twitter. Seit Mitte | |
| August ist sein neues Produkt auf dem Markt: die Streaming-App | |
| „[2][Revry]“. Wer hier sucht und streamt, bekommt ausschließlich queere | |
| Inhalte präsentiert, darunter nicht nur große Produktionen, die sich in | |
| erster Linie an eine weiße, heterosexuelle Mittelschicht wenden, sondern | |
| auch Indieformate, deren Inhalte diverser sind. | |
| [3][Eine Studie der US-amerikanischen Gay and Lesbian Alliance Against | |
| Defamation (GLAAD)] zählte im vergangenen Jahr bei den großen | |
| Streamingdiensten 43 feste LGBT-Charaktere und 16 LGBT-Nebenfiguren, davon | |
| waren 36 Prozent lesbische, 39 Prozent schwule, 20 Prozent bi und sieben | |
| Prozent Trans-Charaktere – die sie verkörpernden Schauspieler sind jedoch | |
| oft weiß und straight. Außerdem fügen sich die Figuren überwiegend | |
| heteronormativen Storylines. „Wir wollen alle LGBTI-Geschichten erzählen“, | |
| sagt Pelliccione gegenüber der taz, „auch die von Schwarzen, Latinos, | |
| Menschen mit Behinderungen und am Rande des Existenzminimums.“ | |
| Die Revry-Sendungen sind diverser, schriller und unterlaufen übliche | |
| Sehgewohnheiten. Die Kochshow „Cooking with Drag Queens“ zeigt | |
| Kartoffelpüree zubereitende Transvestiten. Die Dokuserie „Unsure/Positive“ | |
| beschreibt den Umgang schwuler Männer mit ihrer Aids-Diagnose. Der Kurzfilm | |
| „Penis Envy“ handelt von zwei Frauen und ihrem Vibrator Kimmie. Und in der | |
| Comedy-Serie „Capitol Hill“ flieht eine Transfrau vor radikalen Rednecks | |
| nach Seattle – dabei werden 70er-Jahre-Formate wie „Charlie's Angels“ | |
| parodiert. „Ohne die richtigen Beziehungen gehen solche Formate nicht auf | |
| Sendung“, sagt „Capitol Hill“-Regisseur Wes Hurley gegenüber der taz. | |
| ## Den Indie-Spirit bewahren | |
| Bei den Revry-Formaten handelt es sich meist um gecrowdfundete | |
| Low-Budget-Produktionen. Viele davon laufen bereits gratis auf YouTube – | |
| warum also fünf Dollar im Monat für die App bezahlen? „Wir wollen diesen | |
| Indie-Spirit von LGBTI zwar erhalten“, sagt Pelliccione, „ihm aber eine | |
| gemeinsame Plattform bieten und ergänzen.“ Vielleicht, so der Gedanke, | |
| werden die Produktionen so auch einem breiteren Publikum bekannt. | |
| Revry plant monatlich 10 bis 20 Stunden neues Material, darunter auch | |
| exklusive Serien und Eigenproduktionen. Im Herbst erscheint mit Anspielung | |
| auf Netflix eine Dokureihe namens „After Orange“, die Vice-artig ehemalige | |
| Gefängnisinsassinnen während ihrer Resozialisierung begleitet. | |
| Genutzt wird Revry bereits in über 50 Ländern. Auch in solchen, in denen | |
| Homosexuelle unterdrückt werden. „Wir bekommen Traffic aus den Vereinigten | |
| Arabischen Emiraten, Brasilien, Russland und sogar China“, erklärte | |
| Pelliccione unlängst dem Daily Dot. In Deutschland ist die App im Netz, | |
| über Apple-TV, Android und iOS erhältlich. | |
| ## Das Stichwort lautet „Pink Money“ | |
| Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) begrüßt | |
| eine Plattform für LGBTI. „Der letzte Versuch ist hier mit dem schwulen | |
| Sender TIMM leider gescheitert“, erklärt er der taz. Und im April löschte | |
| die von ProSiebenSat1 betriebene Onlinebibliothek Maxdome die Rubrik | |
| „Queer“ und damit 450 Titel. Begründet wurde der Schritt mit | |
| wirtschaftlichen Interessen. | |
| Auch bei Revry spielt Geld eine Rolle. Das Stichwort lautet „Pink Money“. | |
| LGBTI-Communities sind für Werber eine begehrte Zielgruppe – sie verdienen | |
| gut und konsumieren viel. Auch Pelliccione weiß das. „Noch zeigen wir keine | |
| Werbung auf der App“, sagt er gegenüber der taz. Aber es gibt bereits viele | |
| Anfragen von Investoren. | |
| Der LSVD hält die gezielte Ansprache von LGBTI durch die Wirtschaft nicht | |
| per se für schlecht. So werde die Community als Zielgruppe öffentlich | |
| sichtbar. „Die Anzeigen und Spots sollten aber für Toleranz werben und | |
| LGBTI müssen sich mit ihrer Darstellung identifizieren können“, erklärt | |
| Ulrich. Wie die Werbung auf Revry aussehen wird, ist bisher noch unklar. | |
| Dass das Programm der App für Toleranz wirbt, steht allerdings fest. | |
| 19 Sep 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/channel/UClJqOsO2AJlF14nHHy47k5w | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=pDjfFhUSiIs | |
| [3] http://www.glaad.org/files/GLAAD-2015-WWAT.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Christine Stöckel | |
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