| # taz.de -- LSBTI-Vertreter im ZDF-Fernsehrat: Getauscht gegen Verbraucherschutz | |
| > Alle Sitze im ZDF-Fernsehrat sind verteilt. Es war ein undurchsichtiges | |
| > Geschacher. Und sexuelle Minderheiten hätten fast keinen Platz gefunden. | |
| Bild: Auch mit dem neuen Staatsvertrag haben Union und SPD noch ordentlich Einf… | |
| Geschafft. Im ZDF-Fernsehrat sitzt – nach mehr als 50 Jahren Zweites | |
| Deutsches Fernsehen – nun doch ein Vertreter der LSBTI (Lesben, Schwulen, | |
| Bisexuellen, Trans* und Inter*). Das Land Thüringen übernimmt die Lesben- | |
| und Schwulenvertretung. Diese finale Neuerung im ZDF-Staatsvertrag gab Malu | |
| Dreyer (SPD), rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der | |
| Rundfunkkommission, bekannt. | |
| Doch bis dahin war es ein komplizierter Weg voller Richtungswechsel: Im | |
| März 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht den derzeitigen | |
| Staatsvertrag, der die Organisation des ZDF regelt, für verfassungswidrig. | |
| Fernsehrat und Verwaltungsrat seien zu „staatsnah“ besetzt und es fehle die | |
| gesellschaftliche Vielfalt in der Sitzverteilung. Zu Recht, denn immerhin | |
| vertritt der Fernsehrat die Interessen der Allgemeinheit gegenüber dem ZDF. | |
| Er muss die Gesellschaft in Deutschland widerspiegeln. Daraufhin | |
| veröffentlichten die Länderregierungen im Oktober 2014 erste Eckpunkte der | |
| Änderungen und nannten LSBTI als eine der gesellschaftlich relevanten | |
| Gruppen. | |
| Am 30. Januar 2015 präsentierten die Ministerpräsidenten, die den | |
| Staatsvertrag aushandeln, [1][den Entwurf] und die neue Sitzverteilung: Die | |
| Anzahl der Plätze wurde von 77 auf 60 gesenkt. Auf der so genannten | |
| Staatsbank sitzen nur noch 20 Politiker, die von Bund, Ländern und Kommunen | |
| entsendet werden. 24 feste Sitze gehen an Vertreter gesellschaftlicher | |
| Gruppen und weitere 16 Bereiche werden durch die einzelnen Bundesländer | |
| abgedeckt. Hamburg übernimmt „Musik“. Niedersachsen „Muslime“. Thürin… | |
| „Verbraucherschutz“. Und so weiter. So war der Plan. Doch für den | |
| LSBTI-Bereich fand sich plötzlich kein Bundesland mehr. [2][Protest wurde | |
| laut]. | |
| „Unter Klaus Wowereit sollte noch Berlin den Bereich LSBTI übernehmen. | |
| Unter Müller ist es plötzlich das Internet“, erklärt Henny Engels, | |
| Vorstandsfrau vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). Und | |
| tatsächlich erscheint die Verteilung der Bereiche ziemlich willkürlich: | |
| Konnte Thüringen LSBTI doch nun nur übernehmen, weil es den | |
| Verbraucherschutz an Baden-Württemberg abgab, das wiederum „Jugend“ an | |
| Brandenburg abtrat, welches jetzt das viel zu umfangreiche Feld „Senioren, | |
| Familie, Frauen und Jugend“ betreut. | |
| ## Beim nächsten Mal alles anders? | |
| „Final ist diese Verteilung aber noch nicht“, sagt Engels. Endet die erste | |
| Amtsperiode des neuen Fernsehrats wird die jetzige Vergabe evaluiert. Eine | |
| andere Landesregierung oder neue gesellschaftliche Themen könnten dazu | |
| führen, dass die Bundesländer andere Gruppen übernehmen. Deshalb wurde | |
| kritisiert, dass es überhaupt die Landesregierungen – und damit vor allem | |
| die SPD und CDU – sind, welche die 16 Vertreter der gesellschaftlichen | |
| Gruppen bestimmen. „Von wirklicher Staatsferne kann hier also nicht die | |
| Rede sein“, sagt Daniel Schwerd von den NRW-Piraten. | |
| „Ich freue mich, dass LSBTI drin ist“, sagt Henny Engels. „Besser wäre a… | |
| ein fester Platz. Warum benötigen etwa die beiden Kirchen jeweils zwei | |
| Sitze?“ „Die christlichen Kirchen in Deutschland haben zusammen mehr als 47 | |
| Millionen Mitglieder“, argumentiert Beate Bäumer. Sie ist die Leiterin des | |
| Katholischen Büros Schleswig-Holstein und Mitglied im Fernsehrat. Zudem | |
| engagiere sich die Kirche etwa mit dem Frauenbund und der Deutschen | |
| Katholischen Jugend auch in anderen Bereichen. | |
| ## „Kirchen leisten extreme Lobbyarbeit“ | |
| Das mag stimmen. Es stimmt aber auch, dass die Mitgliederzahl dramatisch | |
| sinkt und sich rund 50 Prozent der Bevölkerung weniger Einfluss der | |
| katholischen Kirche auf die Politik wünschen. Außerdem: Muslime, die fünf | |
| Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen, haben keinen festen Sitz. „Die | |
| Kirchen leisten einfach extreme Lobbyarbeit, deshalb werden sie ihre Sitze | |
| behalten“, sagt Grünen-Politiker Rasmus Andresen. | |
| Für die Grünen stellte Andresen, gemeinsam mit den Regierungsfraktionen | |
| SPD, Piraten und SSW, am 18. März einen Antrag im Landtag | |
| Schleswig-Holstein zur Abstimmung. Gefordert wurde, Vertreter „aus dem | |
| Bereich der Menschenrechtsorganisationen, der Schwulen- und Lesbenverbände | |
| sowie der digitalen Bürgerrechte“ in den Fernsehrat zu entsenden. | |
| In anderen Landtagen waren ähnliche Anträge eingegangen. „Die | |
| Landesregierungen handeln solche Staatsverträge geheim aus, deshalb konnten | |
| Öffentlichkeit und Landesparlamente erst spät reagieren“, sagt Andresen. | |
| Dass die Regierungschefs doch einlenkten, begründet er mit der Novellierung | |
| des Jugendmedienschutzes 2010. Hier war der Staatsvertrag bei der | |
| Ratifizierung in den Ländern gescheitert, weil die Parlamentarier ihre | |
| Einwände zu spät einbringen konnten. | |
| Und: [3][„Leider stehen nicht alle geforderten Bereiche im Vertrag, die | |
| Menschenrechtsgruppen fehlen zum Beispiel“], sagt Andresen. Doch gerade | |
| wenn das ZDF viel Geld für Fußballübertragungsrechte ausgebe, etwa für | |
| Weltmeisterschaften in Ländern wie Katar, wäre deren Meinung wichtig. | |
| Dreyer begründet das Fehlen weiterer Gruppen mit der begrenzten Sitzzahl. | |
| Die wurde allerdings nicht vom Bundesverfassungsgericht festgelegt, sondern | |
| von den Ministerpräsidenten selbst. | |
| Am 30. Juni wird der ZDF-Staatsvertrag von den 16 MinisterpräsidentInnen | |
| unterschrieben und geht zur Ratifizierung in die Landtage. Am 1. Januar | |
| 2016 soll er in Kraft treten. | |
| 30 Mar 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.rlp.de/ministerpraesidentin/staatskanzlei/medien/ | |
| [2] http://www.rlp.de/ministerpraesidentin/staatskanzlei/medien/stellungnahmen/ | |
| [3] http://www.youtube.com/watch?v=FZOtUFL7lEg | |
| ## AUTOREN | |
| Christine Stöckel | |
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